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Warum ist Long-COVID eine Herausforderung für die Versorgung?

Long COVID stellt auch nach der Akutphase einer SARS-CoV-2-Infektion eine erhebliche Herausforderung für Patienten und ihre Behandler dar. Long-COVID-Betroffene leiden unter vielfältigen und lang anhaltenden Symptomen, die ihre Lebensqualität erheblich beeinflussen. Die Therapie wird durch die Tatsache erschwert, dass es derzeit noch keine spezifisch für die Behandlung von Long COVID zugelassenen Arzneimittel gibt. Es werden daher häufig Arzneimittel bei Long COVID eingesetzt, die eigentlich für andere Anwendungsgebiete zugelassen sind – also im sogenannten „Off-Label-Use“.

Der Unterschied zwischen Post-COVID und Long-COVID

Post COVID zeigt sich laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) typischerweise innerhalb von drei Monaten nach einer COVID-19-Erkrankung und ist durch Symptome gekennzeichnet, die mindestens zwei Monate anhalten und nicht durch andere Diagnosen erklärbar sind. Zu den häufigsten Symptomen zählen Fatigue, Kurzatmigkeit und kognitive Beeinträchtigungen, die den Alltag erheblich beeinflussen können. Für Kinder und Jugendliche wurde 2023 eine angepasste Definition veröffentlicht. Der Begriff Long COVID wird hingegen schon bei Symptomen ab einer Dauer von vier Wochen verwendet.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die ICD-10-GM den Vorgaben der WHO angepasst und für Long COVID die Schlüsselnummer U09.9! aufgenommen

Was bietet der Therapie-Kompass für Long COVID?

Mit dem Therapie-Kompass wurde ein Instrument erarbeitet, das sowohl Ärztinnen und Ärzten als auch Betroffenen Hilfestellung beider Behandlung von Long COVID-assoziierten Symptomen leisten soll. Es bietet Ärztinnen und Ärzten eine Übersicht über geeignete Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen zur Behandlung der zwölf häufigsten Symptomkomplexe von Long COVID, darunter

  • Angst-, Spannungs- und Erregungszustände

  • Asthma bronchiale /COPD / bronchiale Hyperreagibilität

  • Autoimmunerkrankungen (schwerer Verlauf)

  • Depression (ICD-10 F-32, F33)

  • Herzinsuffizienz, chronisch

  • Hypercholesterinanämie

  • Hypertonie, artiell

  • Hypotonie, artiell

  • Hypotonie, orthostatisch

  • Immunreaktion, überschießend

  • Schlafstörungen

  • Schmerzen

  • Tachykardie (supraventrikulär)

Wie wurden die Empfehlungen entwickelt?

Um die Versorgungssituation für Long COVID-Patientinnen und -Patienten zu verbessern, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Juli 2023 die BMG-Initiative Long COVID ins Leben gerufen und die Expertengruppe Long COVID Off-Label-Use eingerichtet. Deren Mitglieder erhielten den Auftrag, eine Liste von Arzneimitteln zu erarbeiten, welche - basierend auf aktuellen Leitlinien und der klinischen Erfahrung der beteiligten Expertinnen und Experten - für Long COVID-Patienten auch außerhalb der Zulassung (off-label) verordnet und erstattet werden können. Die Ergebnisse wurden im Therapie-Kompass zusammengefasst.

Welchen Nutzen hat der Therapiekompass für Ärzte?

Der Therapie-Kompass enthält u.a. konkrete Dosierungsempfehlungen sowie Hinweise der Expertengruppe, zum Teil mit Verweisen auf die aktuellen Leitlinien. Die empfohlenen Arzneimittel sind im Rahmen ihrer zugelassenen Anwendungsgebiete verordnungsfähig und können unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie zu Lasten der GKV verschrieben werden. Ziel ist eine evidenzbasierende Orientierungshilfe für die Therapie von Long COVID, auch wenn die Studienlage noch stark ausbaufähig ist.

Welche Wirkstoffe wurden bewertet?

  • Antidepressiva (Amitriptylin, Bupropion, Doxepin, Duloxetin, Mirtazapin, Sertralin,Vortioxetin)

  • Aripiprazol

  • Betablocker

  • Glukokortikoide

  • Ivabradin

  • Metformin

  • Midodrin

  • Naltrexon

  • Nirmatrelvir / Ritonavir

  • Pyridostigmin

  • Statine

Therapie-Kompass für Long COVID: kostenloser Download

Das Dokument steht als kostenloser Download auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung.

Bitte beachten: Die Empfehlungen des Therapie-Kompass beziehen sich auf Erwachsene. Für Kinder und Jugendliche mit Long COVID wurden eigene Empfehlungen formuliert. Bei komplexen Krankheitsverläufen wird die Überweisung von Patientinnen und Patienten an spezialisierte Long-COVID-Ambulanzen empfohlen. Um den Therapie-Kompass kontinuierlich zu verbessern, werden Praxen außerdem um Rückmeldungen zu ihren Erfahrungen mit der Betreuung von Long COVID Patenten gebeten.