Niederlassungsfreiheit versus Bedarfsplanung: Sind die aktuellen Regeln noch zeitgemäß?
Judith MeisterUrsprünglich sollte die Bedarfsplanung verhindern, dass sich zu viele Ärzte in eigener Praxis niederlassen. Heute geht es auch darum, eine Unterversorgung in strukturschwachen oder weniger attraktiven Lagen zu verhindern. Doch kann das wirklich funktionieren?
„Die flächendeckende, wohnortnahe vertragsärztliche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und Fehlversorgung zu vermeiden ist Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV.“ Auch Jahrzehnte nachdem die Bedarfsplanung erfunden wurde, bewerten die Standesvertreter sie noch immer als ein „wesentliches Instrument zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung.“ Doch wie sinnvoll ist das Verfahren wirklich?
Fakt ist: Die Grund-Mechanismen sind vergleichsweise simpel. Gilt ein Planungsbereich als überversorgt, können die Verantwortlichen dort eine Zulassungsbeschränkung verhängen – und somit faktisch die verfassungsrechtlich verbriefte Niederlassungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten beschränken.
Wie das Vertragsarztrecht die Berufsfreiheit beschränkt
Grundsätzlich hat jeder Arzt das Recht, seinen Praxissitz frei zu wählen. So will es nicht nur Artikel 12 des Grundgesetzes. Auch im Europäischen Gemeinschaftsrecht ist diese Freiheit verankert. Eigentlich. Denn jede Freiheit unterliegt auch bestimmten Beschränkungen. Und so müssen sich zumindest jene Ärzte, die in Deutschland zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ambulant Patienten behandeln wollen, den Regeln der Bedarfsplanung unterwerfen. Wer hingegen eine reine Privatpraxis betreibt, unterliegt mit Blick auf die Niederlassungsfreiheit keinen Einschränkungen.
Immerhin ist man bei der vertragsärztlichen Bedarfsplanung inzwischen – aus gutem Grund –von der alleinigen Betrachtung des Verhältnisses „Arzt oder Ärztin pro Einwohner“ abgerückt. Die Verhältniszahlen werden mittlerweile alle zwei Jahre an die demografische Entwicklung angepasst. Auch lässt man bei den Zulassungsentscheidungen inzwischen einen gewissen Spielraum zu.
Die konkreten Bedarfsplanungs-Richtlinien legt aber weiter der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest.
Von Regeln und Ausnahmen
Im Einzelnen normieren die Richtlinien
- die vertragsärztliche Bedarfsplanung,
- die Feststellung einer Überversorgung in einer Region,
- die Beurteilung einer drohenden oder bestehenden Unterversorgung,
- Sonderbedarfsfeststellungen sowie
- die hausärztliche und fachärztliche Versorgungsstruktur.
Dem Virchow-Bund als Vertreter von rund 144.000 Haus- und Fachärzten geht das noch immer deutlich zu weit.
Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Verbandes geißelt die Bedarfsplanungsrichtlinie gar als völlig veraltet und ungeeignet, die Versorgung zu verbessern. Eine reformierte Bedarfsplanung müsse Mitversorgereffekte und Morbiditätsunterschiede berücksichtigen. Langfristig strebt der Verband aber nach einer Abschaffung der Bedarfsplanung. Heinrich wirbt insofern für mehr Wettbewerb statt Zwang.
Ob er damit gehört werden wird, bleibt abzuwarten.