Zehn Schritte zu mehr Klimaschutz in Praxis und Klinik
Marzena SickingEin beträchtlicher Teil der deutschen CO₂-Emissionen wird von Unternehmen der Gesundheitsbranche verursacht. Dazu zählen nicht nur Pharmaunternehmen und Hersteller von Medizintechnik, sondern auch Klinken, Arzt- sowie Zahnarztpraxen. Um Verantwortliche beim Thema Klimaschutz zu unterstützen, hat das PKV Institut 10 Tipps veröffentlicht.
Klimafreundliche Maßnahmen im Gesundheitswesen können einen entscheidenden Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasen in Deutschland leisten. Auch Praxismitarbeiter und Teams in Krankenhäusern können mit kleinen Veränderungen etwas dazu beitragen, wie Ursula Katthöfer, Referentin für Klimaschutz beim PKV Institut, erklärt. Das kostet allerdings Überwindung: „Den meisten Menschen fällt es schwer, das eigene Verhalten zu ändern, um Gesundheit und Wohlbefinden zu verbessern. Ähnlich ist es beim Klimaschutz. Auch um CO₂-Emissionen zu senken, müssten wir unseren Lebensstil und unser Verhalten ändern.“
Wie schafft man den ersten Schritt in Richtung Klimaschutz?
Um neue, nachhaltige Gewohnheiten zu entwickeln, empfiehlt sie Praxis- und Klinikteams deshalb, sich zunächst die folgenden Fragen zu stellen: Möchten wir aktiv zum Klimaschutz beitragen? Wie viele Treibhausgase produzieren wir momentan? Welche Reduzierung peilen wir an? Sind 10 Prozent im Jahr realistisch? „Besteht ein grundsätzliches Ja zum Klimaschutz in der Praxis, ist das Wesentliche schon geschafft“, so Katthöfer.
Mit den folgenden 10 Schritten schaffen sie laut Katthöfer auch den wichtigen Schritt vom theoretischen Bekenntnis ins gemeinsame Handeln.
1. Klimaschutz im Betrieb ist eine Teamaufgabe
Die angedachten Veränderungen müssen freiwillig geschehen, sie lassen sich weder vorschreiben noch durch Belehrungen oder gar Vorwürfe erzwingen. Wenn noch Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, dann funktioniert das besser über Komplimente und positive Bestärkung – etwa an die Kollegin, die neuerdings einen Mehrwegbecher für den Kaffee unterwegs verwendet. Sorgen Sie gemeinsam für Bedingungen, die klimafreundliche Entscheidungen des Einzelnen leichter machen.
2. Die eigene CO₂-Bilanz erstellen
Um herauszufinden, wie viel CO₂ die eigene Praxis verursacht, helfen kostenpflichtige Dienstleister oder der kostenfreie CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes. Der fördert durchaus interessante Erkenntnisse zutage: Den größten Anteil an Emissionen in Arzt- und Zahnarztpraxen haben zum Beispiel die Bereiche Heizen, Energie und Mobilität. Auch Behandlungen, Narkosen und Medikamente schlagen sich als direkte oder indirekte Emissionen in der Bilanz nieder.
3. Nachhaltig Einkaufen für die Arztpraxis
Ein maßgeschneidertes Warenwirtschaftssystem kann ebenfalls beim Klimaschutz helfen. Effiziente Bestellmengen, die eine Lagerung über das Verbrauchsdatum hinaus vermeiden, und Bestellintervalle, die möglichst wenig Emissionen durch Transport verursachen, sind eine wichtige Drehschraube. Weitere wichtige Punkte, an denen man ansetzen kann: Seife und Reinigungsmittel sollten in Großpackungen bzw. Nachfüllpackungen bestellt werden, sofern das Hygienekonzept es erlaubt. Wo immer möglich, sind Einwegprodukte durch Mehrwegprodukte zu ersetzen. Wer schon bei der Dienstkleidung auf ressourcenschonend hergestellte Biobaumwolle achtet, tut sich und der Umwelt etwas Gutes.
Übrigens: Bei Smartphone, Tablet & Co., ob für den dienstlichen oder privaten Gebrauch, bieten sogenannte Refurbisher gebrauchte, aber qualitätsgesichert überholte Geräte mit Garantie an. Sie kaufen zudem auch gebrauchte Geräte ab – auch hier lassen sich also CO₂-Emissionen einsparen.
4. Rund um die Behandlung
Vor allem in Zahnarztpraxen gibt es viele Geräte, die Druckluft zur Ansteuerung benötigen. Für einen reibungslosen Praxisablauf muss daher die Druckluftversorgung mithilfe eines oder mehrerer Kompressoren jederzeit gewährleistet sein. Damit das ressourcenschonend geschieht, sollte deren Leistungsfähigkeit immer an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Anschlüsse und Schläuche sollten zudem regelmäßig auf Leckagen geprüft werden, denn ungenutzt verpuffte Druckluft verursacht vermeidbare Kosten – für die Praxis und für die Umwelt. Über Nacht sollten elektrische Geräte (auch Monitore!) möglichst ausgeschaltet werden. Sterilisator und Thermodesinfektor sollten erst eingeschaltet werden, wenn sie vollständig befüllt sind.
5. Mülltrennung in Praxen
Auch wenn es (noch) nicht überall zwingend vorgeschrieben ist. Der Müll sollte in Behandlungsräumen, Backoffice und Sozialräumen getrennt werden. Wertstoffe wie Plastik und Metall, Papier, Glas, medizinische Abfälle, Batterien und Elektroschrott sind getrennt zu entsorgen. Das Universitätsklinikum Bonn konnte durch verbesserte Mülltrennung seine Recyclingquote von 45 auf 56 % steigern und dadurch jährlich Entsorgungskosten in Höhe von € 97.000 einsparen.
Auch kleinere Praxen können sparen: Eine Zahnarztpraxis in Neuruppin trennt Sondermüll inzwischen sorgfältig vom Restmüll. Die Sondermülltonne muss dadurch viel seltener geleert werden. Da jede Leerung € 70 kostet, spart das Praxisteam viel Geld.
6. Digitalisierung und Klima
Eine der wichtigsten goldenen Regeln lautet: Immer nur so viel Rohstoff und Energie verbrauchen, wie wirklich notwendig ist. Muss dieses Dokument ausgedruckt werden? Wenn ja, muss das Papier einseitig bedruckt sein oder geht es auch doppelseitig? Rechnungen können digital versandt, Dokumentationen und Archivierung weitgehend digitalisiert werden. Ungewünschte Kataloge, Flyer und Broschüren können abbestellt werden. Die Patientenaufklärung kann man auf die eigene Website stellen. Den Anamnesebogen können Patientinnen und Patienten in vielen Praxen schon digital am Tablet ausfüllen. Das wenige Papier, das in der Praxis noch notwendig ist, sollte Recyclingpapier sein. Auch E-Mails verursachen übrigens CO₂.
7. Energie und Wasser achtsam verwenden
Viele CO₂-Emissionen entstehen beim Heizen. Beauftragen Sie deshalb, wenn möglich gemeinsam mit Ihren Nachbarn im Haus, einen zertifizierten Energieberater, der das ganze Gebäude auf Energiesparpotenziale prüft und lohnende Investitionen aufzeigen kann. Wechseln Sie, wenn möglich, auf grünen Strom aus garantiert regenerativen Energien. Mit dieser Sofortmaßnahme können Praxen ihre CO₂-Emissionen für den Stromverbrauch mit geringem Aufwand auf null reduzieren. Achten Sie unabhängig vom Stromanbieter beim Gerätekauf auf Energieeffizienz, vermeiden Sie Untertischgeräte zur Wassererhitzung, wählen Sie die Größe Ihres Kühlschranks bedarfsgerecht und nutzen Sie Geräte Klima-bewusst. Klimaanlagen etwa sollten nur an sehr heißen Tagen eingeschaltet werden und die Räume maximal 6 Grad kühler als die Außentemperatur halten. Akkus statt Wegwerfbatterien, LED-Beleuchtung, Wasserstopp beim WC-Spülkasten: Es gibt viele kleine Dinge, die man nutzen kann, um in Summe deutlich Energie, Wasser und CO₂ zu sparen.
8. Verkehrswende mitgestalten
Wenige Minuten im Flieger verursachen mehr Emissionen als der Stromverbrauch eines ganzen Jahres. Die Anreise etwa zu Kongressen sollte deshalb möglichst mit der Bahn oder in Fahrgemeinschaften erfolgen. Dienstrad und Leihräder, Zuschüsse zum ÖPNV, komfortable Fahrradparkplätze und E-Ladestationen für Mitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten machen klimafreundliche Mobilität leichter. Wer Video- und Telefonsprechstunde anbietet, spart den Patienten Anfahrtszeit und hilft, Emissionen zu reduzieren.
9. Tu Gutes – und sprich darüber!
Komfortable Fahrradparkplätze und eine umweltfreundliche Praxisphilosophie werden durchaus registriert: Viele Patientinnen und Patienten achten bei allen Dienstleistungen, die sie in Anspruch nehmen, zunehmend auf Nachhaltigkeit. Präsentieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen deshalb offensiv vor Ort und online. Motivieren Sie Patientinnen und Patienten zum Mitwirken, zum Beispiel mit Aufklebern nahe Waschbecken und Lichtschaltern. Hängen Sie Zertifikate, die Klimafreundlichkeit bescheinigen, eingerahmt auf und sprechen Sie mit Patientinnen und Patienten über Klimaschutz – ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit Wertschätzung und Anerkennung. So können Sie nicht nur im eigenen Team etwas bewirken, sondern auch andere Menschen zum Mitdenken und Mitmachen anregen.
10. Förderinstrumente recherchieren und nutzen
Der Bund fördert nachhaltige Mobilität und E-Fahrzeuge, Energieeffizienz in Gebäuden sowie Energie- und Ressourceneffizienz. Wer etwa ein Energieaudit nach DIN EN 16247 beauftragt, um das Energieverbrauchsmodell eines Gebäudes oder Betriebsablaufs zu erstellen, darf mit 80 % staatlicher Förderung rechnen. Auch Bundesländer und Kommunen bieten oftmals eigene Förderprogramme etwa für E-Mobilität oder Photovoltaik an. Wenn Sie sich für Klimaschutz engagieren möchten, nutzen Sie jede Unterstützung.