Versorgungsengpässe in Thüringen: Projekt zeigt neue Wege gegen den Ärztemangel
Judith MeisterEine Stiftung, die junge Ärzte und Ärztinnen unterstützt, bekämpft seit Jahren erfolgreich ambulante Versorgungsengpässe in Thüringen. Ein Projekt, das für andere Regionen als Blaupause dienen könnte.
Die Geschichte der Stiftung Ambulante Ärztliche Versorgung Thüringen ist eine Erfolgsstory. Um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken und jungen Kollegen die Furcht vor einer Niederlassung zu nehmen, setzt sich die Organisation nicht nur dafür ein, (angehende) Ärztinnen und Ärzte für die ambulante Medizin in Thüringen zu gewinnen. Sie fördert den medizinischen Nachwuchs auch in den verschiedenen Phasen seiner Laufbahn: von der Famulatur über Mentoring-Projekte bis hin zum Stipendium in der Weiterbildungszeit. Gegründet wurde die Stiftung vom Freistaat Thüringen und der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen.
Niederlassungsfahrschule für junge Ärzte und Ärztinnen
Gut angenommen wird auch das Angebot für junge Kollegen, die noch nicht sicher sind, ob eine eigene Praxis das richtige für sie ist. Sie können dank der Stiftung eine sogenannte Niederlassungsfahrschule besuchen. Und so funktioniert es: Interessierte können für ein bis zwei Jahre in Voll- oder Teilzeit als Angestellte in einer von der Stiftung ausgestatteten Einzel- oder Gemeinschaftspraxis arbeiten.
Der Vorteil: Die jungen Ärztinnen und Ärzte können sich so unter realen Bedingungen schrittweise an die organisatorischen und administrativen Herausforderungen der niedergelassenen Tätigkeit herantasten, ohne von Anfang an das volle finanzielle Risiko und die Verantwortung für alle Aufgaben und das Personal tragen zu müssen. Am Ende der Fahrschulzeit besteht dann die Möglichkeit, die Praxis zu kaufen – oder aber auch nicht.
Geld für Ärzte, die eine Niederlassung gründen wollen
Ebenfalls Teil des Angebotes sind Seminare zu praxisrelevanten Fragen der Niederlassung und der Abrechnung.
Das sogenannte Thüringen-Stipendium sieht zudem eine Finanzspritze für jene Kolleginnen und Kollegen vor, die sich verpflichten, nach dem Abschluss ihrer Weiterbildung – in Innerer Medizin, Allgemeinmedizin oder Augenheilkunde – mindestens vier Jahre in Thüringen zu praktizieren.
Seit 2005 hat die Stiftung im Freistaat bereits 18 Praxen errichtet. In zehn Fällen übernahmen die zunächst angestellten Ärzte diese später, nur drei der jungen Kollegen entschieden sich am Ende doch gegen die Selbstständigkeit. Fünf Arztpraxen werden noch als Stiftungspraxen geführt.
Stiftungspraxis: Nicht nur für Hausärzte interessant
Auch wenn die hausärztliche Versorgung im Rahmen des Projektes noch immer den Schwerpunkt bildet, gibt es auch Entwicklungen im fachärztlichen Bereich. Vor kurzem wurden mit einer Rheumatologin und einer Hautärztin zwei junge Medizinerinnen aus stark nachgefragten Fachrichtungen in einer Stiftungspraxis angestellt – auf unbefristete Zeit und nicht, wie bisher üblich, nur für zwei Jahre. Gesucht werden aber auch weiterhin Internisten und Fachärzte für Allgemeinmedizin.
Weiterbildungsmöglichkeiten für angehende Augenärzte in Kliniken
Thüringen kämpft wie viele Regionen darum, junge Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen. Vor allem auf dem Land fehlt der Nachwuchs. Die Stiftung Ambulante Ärztliche Versorgung Thüringen unterstützt nicht nur angehende Hausärzte, sondern will vermehrt auch Fachärzte anlocken. So hat sie etwa 2018 das Förderprogramm „Weit-Blick“ ins Leben gerufen, um Krankenhäusern einen Anreiz zu schaffen, auch über den Eigenbedarf hinaus Weiterbildungsmöglichkeiten für angehende Augenärzte anzubieten, die sich dann – idealerweise – auch im Freistaat niederlassen.
Ärztemangel in Deutschland (Stand 2024)
Gesamtzahl der Ärztinnen und Ärzte: Etwa 569.000 Ärzte sind in Deutschland gemeldet, darunter ca. 428.000 berufstätige Ärztinnen und Ärzte. Trotz eines leichten Anstiegs von 1,7 % bleibt das Wachstum hinter dem steigenden Bedarf zurück.
Regionale Unterschiede: Besonders ländliche Gebiete und strukturschwache Stadtbezirke sind von einer Unterversorgung betroffen. Patienten müssen oft weite Strecken zurücklegen, um ärztliche Betreuung zu erhalten.
Zukunftsaussichten: Bis 2030 werden schätzungsweise 83.000 Ärzte in den Ruhestand gehen. Der steigende Anteil älterer Menschen führt zu einem wachsenden Versorgungsbedarf. Prognosen zufolge fehlen bis 2040 bis zu 50.000 Ärztinnen und Ärzte.
Hausarztmangel: Besonders gravierend ist der Mangel an Hausärzten. Es fehlen derzeit etwa 5.000 Hausärzte. Der Beruf wird zunehmend unattraktiver aufgrund hoher Arbeitsbelastung und geringer finanzieller Anreize.
Studienplätze: Der Zugang zum Medizinstudium ist stark begrenzt. Jährlich stehen etwa 10.000 Studienplätze für rund 36.000 Bewerber zur Verfügung. Forderungen nach einer Erhöhung der Studienplätze um 5.000–6.000 bestehen, um den Nachwuchs zu sichern.