Erfahrungsbericht einer Patientin: MFA und Datenschutz
A&W RedaktionAm Telefon geben MFA keine Auskunft über Befunde? Das Bemühen um Datenschutz sollte sich auch auf die Patienten vor Ort erstrecken. Unsere Autorin erlebte, wie das ganze Wartezimmer ihre sensiblen Daten erfuhr, mehrfach und zum Mitschreiben.
Neulich in einem Ärztezentrum in der Hamburger Innenstadt: Hier lande ich, weil es in meiner üblichen Praxis einen doppelten Ärzteausfall gibt, ich jedoch auf der dringenden Suche nach Antibiotika bin. Denn nach einer durchwachten Nacht mit Empfindungsstörungen am rechten Bein und dem verblassenden roten Flatschen, der erst nach Wochen eine rote Umrandung erahnen lässt, dämmert mir, dass der komische Insektenstich vom Vormonat wohl doch eher ein Biss war…
Name, Geburtsdatum, Diagnose für alle zum Mithören
Der Empfangstresen des Ärztezentrums ragt in den Wartebereich hinein, fast wie bei einem Plenum. So können Wartende mindestens im Fünf-Meter-Radius gut mitverfolgen, weshalb die anderen Patienten und Patientinnen hier auflaufen. Mein erster Besuch verläuft unspektakulär. Das Tetrazyklin ist schnell verschrieben, zur Erhärtung der Diagnose wird ein Antikörpertest angeordnet. „Wir geben keinerlei Auskunft am Telefon“, so der Hinweis der Medizinischen Fachangestellten (MFA). „Sie müssen also wiederkommen.“ Um unnötige Wege zu vermeiden, finde ich mich eine Woche später wieder ein. Am Tresen stellt sich heraus, dass das Ergebnis noch nicht da ist. „Bitte setzen Sie sich“, fordert mich die MFA auf. Während vor ihr zwei männliche Patienten mittleren Alters stehen, telefoniert sie dem Ergebnis hinterher: „Hallo, es geht um Barbara Buchholz. Buch-holz. Nee, Buuuuch-holz“, erklärt sie mit anschwellender Lautstärke, bis es auch die Wartenden auf den hintersten Stühlen hören können. „Geboren am 18.12.1977. Wegen Borreliose.“ Der erste Gesprächspartner am Telefon weiß von nichts, also tätigt die MFA einen weiteren Anruf und wiederholt die Daten, auf voller Lautstärke: „Buch-holz. 18.12.1977. Wegen Bo-rre-lioooose.“
Nun ist eine Borreliose zwar keine Syphilis. Es haftet ihr jedoch der Makel eines möglichen massiven Leistungsknicks an. Mitten in der Hamburger Innenstadt, fußläufig umringt von mehreren Verlagshäusern, wäre es durchaus möglich, dass eine Person aus meinem journalistischen Arbeitsumfeld im Wartezimmer sitzt und die fragliche Diagnose alsbald in den Flurfunk des Büros spielt. Die MFA ruft mich schließlich zu ihr. Irgendetwas undefiniertes sei mit dem Röhrchen passiert, es müsse noch einmal Blut abgenommen werden. Das Endergebnis: Ja, es ist eine Borreliose. Die Ärztin darf ich nicht noch einmal sprechen. Die MFA klopft mit meinem Befund an ihre Tür und kommt kurz darauf wieder zurück. Mitten im Wartebereich, vor den anderen Patientinnen und Patienten, ruft sie mich zu sich: „Sie bekommen jetzt nochmal Antibiotika. Wollen Sie lieber die 100er-Dosierung oder die 200er?“
Intelligente Raumaufteilung macht Datenschutz möglich
Nicht nur der Arzt oder die Ärztin, auch Mitarbeitende einer Arztpraxis unterliegen der Schweigepflicht. Diese wurde in diesem Fall offensichtlich mehrfach grob missachtet. Durch den halbmondförmigen Aufbau des Empfangsbereichs mit vier laufenden Computerbildschirmen ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass Dritte mit guten Augen weitere Daten dort ablesen. Der Empfangsbereich ist eine typische Schwachstelle beim Datenschutz in Praxen, es gibt jedoch Lösungen.
Die MFA in diesem Ärztezentrum befinden sich in einer schwierigen Situation, bedingt durch die Raumaufteilung beziehungsweise vielmehr durch das Fehlen einer solchen Aufteilung. Im Idealfall sollte eine schallabschirmende Tür den Wartebereich von der Rezeption trennen. Ist das nicht möglich, sollte mit soliden Raumteilern gearbeitet werden. Das hat auch den Vorteil, dass ungeduldige Patienten nicht ständig das Personal von der Seite ansprechen: „Wann komme ich endlich dran, ich habe Bauchschmerzen?!“ Die lautstarke MFA jedenfalls wirkte, als sei sie mit ihren Nerven ziemlich am Ende. Zum Abschied wünschte sie mir mitfühlend gute Besserung. Dass sie sich unwohl fühlte, stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Rahmen für die nötige Diskretion |
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Wartebereich und Anmeldung sollten getrennt sein, Schilder können auf Abstand hinweisen. Die Diagnose wird ausschließlich zwischen Arzt oder Ärztin und Patient oder Patientin hinter einer geschlossenen Tür besprochen. Personenbezogene, also identifizierende Daten (wie Name und Geburtsdatum) dürfen nicht vor Dritten kommuniziert werden. Für sensible Telefonate sollten MFA eine Rückzugsmöglichkeit in einen anderen Raum haben. |
Barbara Buchholz (Pseudonym)