Privatpatient zahlt Rechnung nicht: Diese Verzugszinsen dürfen Sie berechnen
A&W RedaktionViele Privatpatienten zu haben, ist für die Arztpraxis nicht nur ein Segen. Das gilt vor allem, wenn die Herrschaften es mit der Zahlungsmoral nicht so genau nehmen. Muss der Praxisinhaber Mahnungen verschicken, sollte er die Verzugszinsen nicht vergessen. Doch wie hoch dürfen diese eigentlich sein? Wir verraten es Ihnen.
Kunden, die ihre Rechnungen zu spät zahlen: Dieses Problem kennen auch Praxisinhaber. Vor allem in Arztpraxen mit einem hohen Anteil an Privatpatienten kann schon mal die eigene Liquidität unter der Nachlässigkeit der Patienten leiden.
Während mit der gesetzlichen Krankenkasse direkt abgerechnet wird, muss sich der Arzt bei privat Versicherten und Selbstzahlern darauf verlassen, dass diese rechtzeitig überweisen werden. So mancher Arzt wird da aber zum unfreiwilligem Kreditgeber bzw. steckt plötzlich selbst in den “roten Zahlen”. So werden ihm eigentlich ohne sein Zutun Zinsbelastungen auferlegt, die die oft geringen Erträge zusätzlich schmälern. Ihm entsteht also ein größerer Schaden als „nur“ der Fehlbetrag aus der offenen Rechnung. Das sollten Praxisinhaber im Blick behalten.
Den entstandenen Zinsschaden (Auswirkung) kann und sollte sich der Praxisinhaber von seinem Kunden (Verursacher) ersetzen lassen. Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema (Verzugs-) Zinsen.
Wann kann man Verzugszinsen verlangen?
„Eigentlich liegt die Antwort schon im Wort selbst. Der Kunde muss mit der Zahlung in Verzug sein. Ab diesem Tag, an dem er mit der Zahlung der Rechnung in Verzug gerät, kann man dann auch Verzugszinsen geltend machen sowie einen ggf. höheren (z. B. Zins-) Schaden. In Verzug kommt ein Kunde 1. mit Zugang einer Mahnung des Gläubigers, in der dieser ihn zur Zahlung der fälligen Forderung auffordert. 2. wenn ein Zahlungstermin überschritten wurde, der nach dem Kalender bestimmbar war (dieser muss allerdings zuvor vertraglich vereinbart worden sein; allein die einseitige Angabe eines solchen Termins auf der Rechnung reicht nicht aus) – Hier ist keine Mahnung nötig – oder 3. grundsätzlich 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung, jedenfalls bei Geschäften zwischen Unternehmern. Die 30-Tage-Frist gilt bei Geschäften mit Verbrauchern nur, wenn sich ein ausdrücklicher Hinweis auf der Rechnung befindet.“
Wie hoch dürfen Verzugszinsen angesetzt werden?
„Die Berechnung der Verzugszinsen ist klar geregelt: Die Grundlage für die Berechnung der Verzugszinsen ist der Basiszinssatz. Seit dem 1. Januar 2002 wird dieser von der Deutschen Bundesbank jeweils zum 1. Januar und zum 1. Juli eines Jahres neu berechnet und im Bundesanzeiger bekannt gegeben (§ 247 BGB). Seit 01.07.2016 beträgt der Basiszinssatz unverändert und vorerst bis zum 31.12.2017* -0,88*%.
Der regelmäßig für Verzugszinsen auf Geldforderungen anzusetzende Zinssatz beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz pro Jahr. (Das entspricht *4,12*% für den Geltungszeitraum 01.01.2017 – 31.12.2017.)
Einen höheren Zinssatz kann man bei Entgeltforderungen (also z. B. den Preis für Lieferungen oder sonstige Leistungen) aus Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern (also ohne Verbraucherbeteiligung) ansetzen, nämlich neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz pro Jahr. (Für den Geltungszeitraum 01.01.2017 – 31.12.2017 also *8,12*%)“
Wie berechnet man Verzugszinsen richtig?
„Hier möchte ich im Vorfeld kurz etwas Grundsätzliches ansprechen: Die ab Fälligkeit einer Forderung anfallenden Zinsen bezeichnet man als Fälligkeitszinsen. Wenn nichts Abweichendes vereinbart wurde, können Kaufleute für Forderungen aus beidseitigen Handelsgeschäften solche Fälligkeitszinsen in Höhe von 5 % p. a. berechnen. Verzugszinsen, die zwischen Kaufleuten erfahrungsgemäß meist höher ausfallen (s. o.) und die auch von Verbrauchern geschuldet werden, können dagegen erst ab Zahlungsverzug geltend gemacht werden (s. o.).
Beispiel zur Berechnung von Verzugszinsen:
Die Rechnung beträgt 1.000,- €. Im Vertrag war ein Zahlungsziel von 14 Tagen vereinbart. Die Rechnung war damit am 12.04.2017. Da das nach dem Kalender bestimmbare Zahlungsziel vertraglich vereinbart war (s. o.), brauchte Dienstleister X den Rechnungsempfänger nicht zu mahnen, um diesen in Verzug zu setzen. Auf Grund der Feiertage in April und Mai wartete X noch bis zum 02.05.2017 auf einen Geldeingang. Da die offenen Forderung jedoch auch bis zu diesem Tage nicht beglichen wurde, schickte er Y eine Mahnung über den Rechnungsbetrag zzgl. der bis dahin angefallenen Verzugszinsen.
Die Verzugszinsen berechnete er nach einer Formel: K (1.000 €) x P (4,12) x T (20) : 100 (Prozentpunkte) : 360 (Tage pro Jahr/kaufmännisch) = Verzugszinsen, die Unternehmer X dem Kunden Y bisher berechnen darf. (K = 1.000,- € offene Hauptforderung, P = 5 Punkte [Y ist Verbraucher] über dem Basiszinssatz von – 0,88, also 4,12) und T = 20 Verzugstage, 13.04.2017 – 02.05.2017)* 1.000 × 4,12 × 20 : 100 : 360 = 2,28 € Verzugszinsen*. Es ist leichter, als es aussehen mag! Man kann durchaus auch einen der Zinsrechner aus dem Internet nutzen, dennoch sollte man selbst verstehen, was da wie berechnet wird und nicht blind vertrauen. Zu beachten ist: Ist ein abweichender Zinssatz vertraglich vereinbart worden, muss dieser selbstverständlich zur Anwendung kommen.“
Kann man einfach mehr verlangen, wenn die gesetzlich erlaubten Zinsen zu wenig erscheinen?
„Wenn man sich die Frage genau ansieht, hat man schon die Antwort: Etwas ist erlaubt und etwas anderes nicht. Berechnet man hier über den erlaubten Rahmen hinaus, droht schlimmstenfalls sogar eine Strafbarkeit wegen Betruges. Man kann die Frage anders formulieren: Gibt es eine Möglichkeit, mehr Zinsen zu verlangen, als mir das Gesetz an Verzugszinsen zuerkennt? Hier lautet die Antwort Ja und Nein. Man kann vom Schuldner grundsätzlich erst einmal keinen Zinseszins von Verzugszinsen verlangen. Es gibt tatsächlich Fälle, wo man eine höhere Verzinsung geltend machen kann, aber ‚einfach so‘ einen höheren Zinssatz zum Ansatz bringen, ohne eine Grundlage dafür nachweisen zu können, geht gar nicht!
Ein paar JA-Beispiele:
– Ist man gezwungen, mindestens einen Bankkredit in Höhe der fälligen Forderung in Anspruch zu nehmen, den man sonst zurückgeführt hätte (insbesondere bei Kontokorrentkrediten), und kann das nachweisen, so können die entstandenen Kreditzinsen als Schadensersatz gefordert werden, soweit sie die Verzugszinsen übersteigen.
– Hätte man den Betrag aus der Forderung anlegen und höhere Zinsen dafür bekommen können, die einem nun, weil der Schuldner nicht gezahlt hat, nachweislich verloren gegangen sind, kann man die entgangenen Anlagezinsen als Schadensersatz geltend machen, soweit sie über die Verzugszinsen hinausgehen.
– Hat man vertraglich im Falle eines Verzugs (wirksam) höhere Zinsen vereinbart, so kann man diese geltend machen (Vertrag = Nachweis).“
Sollte die Höhe der Zinsen in die Geschäftsbedingungen aufgenommen werden?
„Etwas, was gesetzlich geregelt ist, muss generell nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt werden. Man kann zwar grundsätzlich höhere Zinsen festlegen als die gesetzlichen, hat dabei aber die insbesondere für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden sehr engen Grenzen zu beachten: Die festgelegten Zinsen dürfen nicht sittenwidrig hoch sein. Die Vereinbarung darf nicht überraschend erfolgen und/oder den anderen Teil unangemessen benachteiligen. Besonders dem Verbraucher gegenüber dürfen die vereinbarten höheren Zinsen den typischerweise entstehenden Zinsschaden nicht übersteigen und der Vertrag muss dem Schuldner ausdrücklich erlauben, einen geringeren Schaden nachzuweisen.“
Können Verzugszinsen auch noch nachträglich berechnet werden?
„Ja, das können sie. Laut § 288 BGB ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Verzugszinsen stehen einem also von Gesetzes wegen zu und können somit auch nachträglich noch gefordert werden.“
Der Patient zahlt – jedoch nicht die Zinsen. Was kann man machen?
„Ich wiederhole hierzu gern meine Antwort von eben: Zinsen für eine Geldschuld für die Dauer des Verzugs sind gesetzlich verankert. Verzugszinsen darf man also einfordern und unter Umständen dann auch vor Gericht geltend machen. Eine außergerichtliche Einigung wäre natürlich vorzuziehen. Wer hierbei oder schon im Vorfeld Unterstützung braucht, sollte sich nicht scheuen, einen Rechtsanwalt oder ein Inkassobüro zu beauftragen. Ein gesetzlich verankertes Recht auf den Ersatz der investierten Zeit, der eigenen Nerven und Wiedergutmachung für den ganzen Ärger gibt es nämlich (noch?) nicht.“