Integrierte Versorgung bei ärztlichen Gemeinschaftspraxen: Anwendung der Abfärberegelung
Holger Wendland Dipl.-Finw.Werden in einer Gemeinschaftspraxis außer der freiberuflichen Tätigkeit auch gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt, gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die gesamte gemeinschaftliche Tätigkeit für das Finanzamt als Gewerbebetrieb. Dieser Grundsatz ist auch in den Fällen der integrierten Versorgung bei Gemeinschaftspraxen zu beachten.
Nach § 140a ff SGB V werden bei integrierter Versorgung zwischen dem Arzt und der Krankenkasse Verträge abgeschlossen, nach denen die Krankenkasse dem Arzt für die Behandlung der Patienten Fallpauschalen zahlt. Diese deckt sowohl die medizinische Betreuung als auch die Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln ab. Diese Pauschalen umfassen damit Vergütungen sowohl für die freiberufliche als auch für eine gewerbliche Tätigkeit.
Sind Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis Freiberufler oder Gewerbetreibende?
Werden diese Fallpauschalen mit Gemeinschaftspraxen vereinbart, kommt es aufgrund des gewerblichen Anteils (Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln) nach Auffassung der Vertreter der obersten Finanzbehörden der Länder zu einer gewerblichen Infizierung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG der gesamten Einkünfte der Gemeinschaftspraxis. Vom Finanzamt werden damit alle Ärzte, die eigentlich als Freiberufler in der Praxis tätig waren, als Gewerbetreibende eingestuft. Aus steuerrechtlicher Sicht handelt es sich bei dieser Arztpraxis dann also um einen Gewerbebetrieb.
Steuerliche Fallen für ärztliche Freiberufler
Was viele Ärzte nicht wissen: Dieser Grundsatz gilt auch bei der Abgabe von sogen. Faktorpräparaten nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a des Arzneimittelgesetzes (AMG) durch ärztliche Gemeinschaftspraxen an Bluter zur Heimselbstbehandlung.
Dabei ist jedoch die vom BFH mit Urteilen vom 27.08.2014 (VIII R 16/11, VIII R 41/11 und VIII R 6/12) aufgestellte Geringfügigkeitsgrenze zu beachten, so dass es zu einer gewerblichen Infizierung der gesamten Tätigkeit der Gemeinschaftspraxen nur dann kommt, wenn die gewerblichen Nettoumsatzerlöse eine Bagatellgrenze in Höhe von 3 % der Gesamtnettoumsätze und zusätzlich den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum übersteigen.
Kein Gewerbebetrieb trotz Grenzüberschreitung
Und auch hier gibt es Ausnahmen von der Regel: Werden im Rahmen der integrierten Versorgung Hilfsmittel verwendet, ohne deren Einsatz die ärztliche Heilbehandlung nicht möglich wäre, bleibt der Status der Freiberufler oft unangestastet.
Das ist z. B. bei Einsatz künstlicher Hüftgelenke, künstlicher Augenlinsen sowie sonstiger Implantate und Verbrauchsmaterialien der Fall. So sind diese in der Regel derart eng mit der eigentlichen Behandlung verbunden, dass deren Abgabe nicht selbstständig betrachtet werden kann, sondern als Bestandteil der ärztlichen Gesamtleistung gesehen werden muss.
Insoweit erbringt der Arzt eine einheitliche, heilberufliche Leistung, bei der die Abgabe von Hilfsmitteln und Medikamenten einen unselbstständigen Teil der Heilbehandlung darstellt und eine gewerbliche Tätigkeit, die eine gewerbliche Infizierung herbeiführen würde, nicht gegeben ist.