Finanzvollmachten, gefährlich oder sinnvoll?
A&W RedaktionWenn Konten und Depots in die Hände anderer gelegt werden, sollte einiges beachtet werden. Hier mit Weitblick zu handeln, kann in Notfällen Vorteile bringen.
Generalvollmacht, Bankvollmacht, Verwaltungsvollmacht – warum sollte überhaupt jemand Zugriff auf das eigene Vermögen bekommen? Dafür gibt es verschiedene Gründe, aber der wohl wichtigste ist es, den Angehörigen in schwierigen Stunden nicht auch noch finanzielle Sorgen zu bereiten und das ist nicht nur ein Thema für Ältere. „Auch in jungen Jahren besteht das Risiko, zumindest temporär handlungsunfähig zu sein“, sagt Harald Kärcher, Prokurist und Nachlassexperte bei der Eberhardt & Cie. Vermögensverwaltung GmbH aus Villingen-Schwenningen. Müssen dann finanzielle Dinge geregelt werden, sind noch nicht einmal Ehepartner automatisch berechtigt, über das Vermögen des anderen zu verfügen.
Genau definierte Vollmachten
Hundertprozentiges Vertrauen sollte möglichst immer die Grundlage für die Erteilung einer Vollmacht sein. Dabei müsste genau definiert werden, für was und inwieweit die Handlungsermächtigung gilt. Mit einer Generalvollmacht kann zum Beispiel praktisch anstelle einer anderen Person gehandelt werden, eine Bankvollmacht bezieht sich dagegen in der Regel nur auf bestimmte Konten und kann durch einen Verfügungsrahmen eingeschränkt werden.
„Häufig ist dem Vollmachtgeber als auch dem Vollmachtnehmer die Tragweite einer Vollmacht nicht bewusst“, warnt Finanzexperte Kärcher, „Missbrauch einer Vollmacht kommt in der Praxis zum Glück nicht sehr häufig, jedoch immer wieder vor.“ Dem kann vorgebeugt werden, indem „zum Beispiel zwei Personen eine gemeinsame Vollmacht erteilt wird, die dann nur einvernehmlich Entscheidungen treffen dürfen“, erklärt Franz Kaim, geschäftsführender Gesellschafter bei der Kidron Vermögensverwaltung GmbH aus Stuttgart. Hier macht es im Zweifelsfall Sinn, notarielle oder fachanwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Vollmachten können zwar im Prinzip jederzeit formlos erteilt werden, aber Genauigkeit ist wichtig.
Langfristig denken
Gerade wenn Fremden Zugang zu Konten und Depots gewährt werden soll, ist es wichtig, den Handlungsspielraum exakt festzulegen. „Idealerweise hat der Bevollmächtigte noch dazu Erfahrung im Abwägen finanzieller Entscheidungen und selbst einen komfortablen Vermögensstand“, rät Franz Kaim. Eine Haushaltshilfe braucht zum Beispiel sicher keine Generalvollmacht, um im Auftrag eines älteren Menschen ab und zu kleinere Geldbeträge abzuheben. Bei professionellen Vermögensverwaltern ist beispielsweise genau festgelegt, was sie mit dem anvertrauten Kapital dürfen.
Mit einer normalen Verwaltungsvollmacht können sie weder das Bankkonto leeren noch einfach wild drauf los spekulieren. Sie unterliegen strengen Vorgaben und müssen sich genau an Kundenvorgaben halten (s. Interview nächste Seite). Weitgehende Vollmachten können jedoch besonders Hinterbliebenen helfen. Dazu muss aber die Vollmacht explizit über den Tod hinaus erteilt werden, „damit bis zur Eröffnung des Testaments beziehungsweise Feststellung der Erben durch die Vertrauensperson gehandelt werden kann“, erklärt Nachlassexperte Kärcher. Ansonsten kann es vom Todestag bis zum Zeitpunkt der Erbenmitteilung zu einer Art finanziellem Vakuum kommen, das durch vorausschauende Vollmachten leicht verhindert werden kann.
Interview:
„Vollmachten erfordern Vertrauen“
Franz Kaim, geschäftsführender Gesellschafter bei der Kidron Vermögensverwaltung GmbH aus Stuttgart, erklärt, warum Vollmachten wichtig sind und warum seine Mandanten sich auf klare Regeln und Vertrauenswürdigkeit verlassen können.
Warum sollte sich jeder Gedanken zum Thema Vollmachten machen?
Franz Kaim: Niemand denkt gerne daran, aber jeden von uns können Unfälle oder Krankheiten heimsuchen. Deswegen macht es zum Beispiel Sinn, über eine Vollmacht zu regeln, wer im Falle einer Handlungsunfähigkeit Entscheidungen etwa zur Pflege oder in Finanzthemen treffen darf. Selbst Ehepartner sind ohne eine solche vorsorglich erteilte Vollmacht kaum in der Lage, den Willen des anderen durchzusetzen.
Auch Vermögensverwaltern wie Ihnen wird eine Vollmacht erteilt, was können Sie damit machen?
Kaim: Mit einer uns normalerweise erteilten Verwaltungsvollmacht können wir nicht einfach über das Vermögen eines Kunden verfügen als wäre es unser eigenes. Wir dürfen nur anhand der mit ihm ausführlich besprochenen Anlagevorgaben zum Beispiel in seinem Namen Aktien oder Anleihen kaufen und verkaufen.
Aber kann mit einer Vollmacht nicht jemand anders auch komplett über das eigene Vermögen verfügen?
Kaim: Mit einer Generalvollmacht dürfte tatsächlich ein anderer finanziell so handeln, als wäre er die Person. Also auch zum Beispiel in dessen Namen Schulden machen, Geld abheben oder Wertobjekte verkaufen. Das alles geht mit einer reinen Verwaltungsvollmacht nicht, sondern wir beraten zunächst umfassend und managen dann nach den Vorgaben des Kunden einen definierten Teil seines Kapitals.
Woher weiß ein Vermögensverwalterkunde, dass Sie wirklich wie besprochen handeln?
Kaim: Wir unterliegen strengen Dokumentationsvorgaben. Das heißt, es wird zum Beispiel genau festgehalten, welche Anlagerichtlinien mit dem Kunden vereinbart wurden. Zudem sind wir dazu verpflichtet, ihn mindestens vierteljährlich über die Vermögensentwicklung und unsere Entscheidungen zu informieren. Auf Wunsch informieren wir aber natürlich auch gerne in kürzeren Zeitabständen, denn Transparenz und Vertrauen haben bei uns höchsten Stellenwert.
Was macht unabhängige Vermögensverwalter wie Sie zu einer besonders vertrauenswürdigen Wahl?
Kaim: Der Vermögenserfolg unserer Kunden ist unsere Geschäftsgrundlage. Denn anders als der klassische Bankkundenbetreuer müssen wir keine Konzernvorgaben erfüllen oder wie viele Versicherungsvertreter unser Gehalt durch möglichst hohe Produktprovisionen aufbessern. Kurz gesagt, wenn wir als Vermögensverwalter mehr verdienen wollen, muss das Vermögen und das Vertrauen unserer Kunden stetig wachsen.
Weitere Fragen & Antworten zum Thema Vollmacht:
1. Braucht es einen Notar für eine Vollmacht?
Vollmachten können grundsätzlich ohne notarielle Hilfe erteilt werden. Allerdings kann es sinnvoll sein, bei schwierigen Sachverhalten fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Auch der Nachweis der Echtheit ist bei beglaubigten Dokumenten im Streitfall leicht nachzuweisen und zum Beispiel für Immobiliengeschäfte mit Grundbucheintrag zwingend nötig.
2. Muss eine Vollmacht eine gewisse Form haben?
Im Prinzip kann eine Vollmacht frei und ohne Vorgaben formuliert und unterschrieben werden. Unpräzise Formulierungen oder dubioses Aussehen können allerdings dem Bevollmächtigten Probleme machen, wenn Wirksamkeit oder Echtheit angezweifelt werden. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, nutzt beispielsweise für wichtige Konten den von der jeweiligen Bank angebotenen Vollmachtvordruck, um die zeitnahe Verfügbarkeit sicherzustellen.
3. Wie kann eine Vollmacht widerrufen werden?
Bei einfachen Vollmachten wie einer Bankvollmacht reicht es prinzipiell, den Widerruf einfach einseitig zu erklären. Um das auch im Streitfall nachweisen zu können, empfiehlt sich die Schriftform und die Dokumentation der Zustellung bzw. die Archivierung der Eingangsbestätigung.
Prämortal, Postmortal, Transmortal – was heißt das?
Prämortal: In der Regel enden Vollmachten mit dem Versterben des Erteilers, sie wirken nur zu Lebzeiten. Nach dem Tod gelten die Nachlassbestimmungen, solange die nicht feststehen, kann es zu Handlungsunfähigkeit kommen.
Postmortal: Es ist möglich, Vollmachten zu erteilen, die erst nach dem Zeitpunkt des eigenen Todes gelten. Damit kann zum Beispiel geregelt werden, dass Hinterbliebene Bestattungskosten begleichen oder laufende Geschäfte vor der Regelung des Erbes abwickeln können, aber zu Lebzeiten noch keine Befugnisse haben.
Transmortal: Vollmachten, die zu Lebzeiten erteilt wurden, sollen auch über den Tod hinaus gelten, solche transmortalen Regelungen sind zum Beispiel bei Ehepartnern üblich. Das ersetzt aber kein Testament und die Bevollmächtigten dürfen nicht gegen Erbvorgaben handeln.
(Autor: Florian Junker)