Die häufigsten Gründe für wirtschaftliche Probleme in Arztpraxen
A&W RedaktionKommt eine Arztpraxis wirtschaftlich ins Trudeln, sind die Praxisinhaber häufig überrascht. Dabei kommen Krisen keinesfalls aus dem Nichts. Vielmehr sind es immer wieder die gleichen Fehler, mit denen niedergelassene Ärzte ihre berufliche Existenz gefährden. Wer die Fallen kennt und vermeidet, hat hingegen wenig zu befürchten.
Manche jungen Ärzte träumen davon, sich mit einer eigenen Praxis selbstständig zu machen. Wer dieses Vorhaben realisiert, stellt aber schnell fest, dass die Anforderungen an Gründer ziemlich hoch sind. Der Arzt ist dann plötzlich nicht nur als Mediziner gefordert, sondern auch als Führungskraft, Finanzexperte und Unternehmer. Wie groß diese Herausforderung in der Realität ist, zeigt unter anderem die Tatsache, dass Arztpraxen vor allem in den ersten fünf Jahren nach ihrer Gründung unter finanziellen Problemen leiden.
Wer die 5-Jahres-Hürde schafft, muss sich um die wirtschaftliche Zukunft seiner Arztpraxis meist keine großen Sorgen mehr machen. Vorausgesetzt natürlich, der Arzt tappt auch in Zukunft nicht in die Fallen, in der so manche junge Praxis untergeht.
Fehlende Standortanalyse
In offenen Planungsbereichen können sich Vertragsärzte jederzeit niederlassen, in gesperrten meist nur eine bestehende Praxis übernehmen. Bei dieser Regelung steht die flächendeckende Versorgung der Patienten im Fokus, nicht das wirtschaftliche Auskommen des Arztes. Deshalb sollten Ärzte vor der Praxisgründung bzw. -übernahme unbedingt eine eigene Standortanalyse durchführen. Entsprechende Services bieten Banken, die Heilberufler betreuen, an. Die Arztdichte am Standort kann in Bezug auf die Patientenversorgung durchaus noch ausbaufähig sein, während sie dem Umsatz der Praxis schon deutliche Grenzen setzt. Vor allem, wer bei seinem Business- und Finanzierungsplan auf deutliche Umsatzsteigerungen hofft, sollte beim Realitätscheck die Standortanalyse nicht vernachlässigen.
Zu geringe Investitionen
Den Kauf der Praxis, die Kosten für mögliche Umbaumaßnahmen sowie die Anschaffung neuer Geräte kann kaum ein Praxisgründer komplett bezahlen. Die meisten brauchen einen entsprechenden Kredit, der über Jahre wieder abgezahlt werden muss. Was bei Abschluss des Kredits oft nicht berücksichtigt wird, um die Summe möglichst gering zu halten, sind weitere erforderliche Investitionen. Mussten Geräte vom Vorgänger übernommen werden, ist aber meistens kein Geld mehr vorhanden, um neuere Modelle zu kaufen oder zu leasen. Dabei kann der Ausfall älterer Produkte gerade in geräteintensiven Praxen den gesamten Betrieb zum Erliegen bringen. Selbst wenn die alten Geräte nicht komplett ausfallen: Fehlende Investitionen in diesem Bereich gefährden die Potenziale der Praxis und wirken sich auf Dauer negativ auf die Einnahmesituation der Praxis aus. Praxisgründer brauchen deshalb auch in Bezug auf geplante Investitionen eine klare Strategie.
Fehler bei der Abrechnung
Viele Praxisgründer sparen an der falschen Stelle, schulen ihr Personal nicht regelmäßig zum Thema Abrechnung oder machen ihre Abrechnung ohne professionelle Praxissoftware. Das ist unterm Strich aber zeit- und damit kostenaufwendiger als der professionelle Umgang mit dem Thema. Was Praxisinhaber nämlich richtig Geld kostet, ist die Fehleranfälligkeit ihrer manuellen Abrechnung. Werden Leistungen falsch abgerechnet, zieht das Korrekturen und damit zusätzliche Arbeit nach sich. Werden die Fehler gar nicht oder zu spät bemerkt, schmälert das den Gewinn der Praxis. Im schlimmsten Fall kann eine fehlerhafte Abrechnung zu teuren Regressen führen. Fazit: Man setzt entweder einen Vollprofi an die Abrechnung oder investiert in eine gute Praxissoftware. Alles andere ist auf die Dauer einfach zu teuer.
Praxis wird zu teuer gekauft oder gemietet
Eine genaue Standortbetrachtung kann sehr hilfreich sein, wenn es um den Preis der Praxis geht. Das gilt sowohl für den Mietpreis der Praxisimmobilie wie auch für den Kaufpreis bei einer Übernahme. Gewerbliche Mietverträge werden normalerweise über einen längeren Zeitraum, beispielsweise von fünf bis zehn Jahren, abgeschlossen. Hier sollten Praxisgründer sich zumindest die Option auf eine mögliche Untervermietung sichern. Wer das nicht tut, zahlt im schlimmsten Fall noch jahrelang für eine längst leer stehende Praxis. Da gewerbliche Vermietungen nicht an den örtlichen Mietspiegel gebunden sind, besteht hier außerdem oftmals noch ein gewisser Spielraum. Ebenso wie beim Praxispreis: Der Käufer zahlt nämlich nicht nur für die Ausstattung und Geräte, sondern auch für den immateriellen Wert (Patientenstamm etc.). Eine genaue Berechnung des „Goodwills“ ist schwierig und erweist sich im Nachhinein oft als zu hoch. Deshalb ist es ratsam, sich schon bei den Übernahmeverhandlungen von einen Finanz- und Steuerexperten beraten zu lassen.
Keine Zusatzeinnahmen
So traurig es ist: Ein niedergelassener Arzt darf sich nicht auf die gesetzlich versicherten Patienten konzentrieren, wenn er überleben will. Die Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung klingen nach einer „sicheren Nummer“, erweisen sich in der Praxis aber als eine eher schlecht berechenbare Einnahmequelle. Für mehr Stabilität sorgen zusätzliche Angebote für Selbstzahler (IGeL) und vor allem die Behandlung von Privatpatienten. Deshalb sollten Praxisgründer von Anfang an individuelle Gesundheitsleistungen für besondere Patientengruppen im Portfolio haben und diese auf ihrer Homepage bewerben. Hier sollten sie sich allerdings auch von einem Rechtsanwalt beraten lassen, um wettbewerbsrechtliche Verstöße zu vermeiden (die können auch teuer werden…). Auch Partnerschaften, die dem Patienten den Zugang zu besonderen Services erleichtern, können helfen. Ein relevanter Anteil an Privatpatienten zahlt sich übrigens auch beim späteren Verkauf der Praxis aus.
Altlasten werden ignoriert
Der klassische Fehler bei Ärzten, die in eine Gemeinschaftspraxis eintreten, ist die Ignoranz vorhandener Altlasten und Haftungsrisiken. Viele gehen automatisch davon aus, dass Altverbindlichkeiten sie als „Neuen“ oder „Neue“ gar nicht betreffen. Das ist aber falsch. Ausgeschlossen ist eine Haftung nur, wenn der eintretende Arzt wirklich nichts von den Verbindlichkeiten gewusst hat. Das wird vor Gericht aber schwer zu beweisen sein, da der Interessent die Finanzzahlen normalerweise zur Überprüfung bekommt. Wer sich vor dem Eintritt in die Praxis nicht entsprechend absichert, haftet im schlimmsten Fall nicht nur mit seinem Betriebs-, sondern auch mit seinem Privatvermögen. Ausnahme: Schließen sich zwei Ärzte, die bisher jeweils ihre eigene Praxis hatten, zusammen, bleibt jeder für seine Altlasten selbst verantwortlich.
Probleme mit dem Finanzamt
Nicht jede Leistung, die niedergelassene Ärzte erbringen, ist eine Heilbehandlung im klassischen Sinne. Die zusätzlichen Angebote wirken sich positiv auf die Umsätze der Praxis aus, sind steuerrechtlich aber oftmals komplex. Wird versäumt, Umsatzsteuer abzuführen, droht Ärger mit dem Finanzamt. Das fordert nicht nur die Nachzahlung ein, sondern auch happige Zinsen. Bei Praxisgemeinschaften schnappt außerdem die Gewerbesteuerfalle besonders schnell zu.
Fehlendes Risikomanagement und Controlling
Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verpflichtet Unternehmen dazu, Risikomanagementsysteme einzurichten. Sie dienen dem Zweck, Entwicklungen frühzeitig aufzudecken, die den Fortbestand der Firma gefährden könnten. Arztpraxen, MVZ und Apotheken sind von dieser Pflicht ausgenommen – leider. Viel zu oft werden somit entsprechende Kennzahlen nicht erfasst beziehungsweise nicht richtig erfasst. Und so bleibt der Alarm, der eine frühzeitige Korrektur auslösen würde, in den meisten Arztpraxen aus. Um Kosten zu sparen, wird die Buchhaltung stattdessen selbst „gestrickt“, die meisten Ärzte kennen die wichtigsten Kennzahlen zu Erträgen und Verbindlichkeiten ihrer Praxis nicht. Risikomanagement, Controlling und Transparenz sehen anders aus. Auch wenn das Geld nach der Praxisgründung knapp ist: Einen guten Steuer- oder Wirtschaftsberater zu beschäftigen, der regelmäßig ein kritisches Auge auf Einnahmen und Ausgaben wirft, zahlt sich immer aus.
Vernachlässigung der Fortbildungspflicht
Niedergelassene Ärzte müssen den Erwerb von CME-Punkten durch Fortbildungsmaßnahmen nachweisen. Dieser Verpflichtung kommt der Großteil der Ärzteschaft auch zuverlässig nach. Das ist auch gut so: Bekommt die KV die entsprechenden Nachweise nicht oder nicht rechtzeitig, müssen Sie erhebliche Einbußen bei den Honorareinnahmen hinnehmen. Im schlimmsten Fall droht sogar der Verlust der Zulassung. Mindestens 250 Punkte müssen es sein, dafür haben die Ärzte dann aber auch fünf Jahre Zeit. Deshalb lassen weder KV noch Gerichte Gnade walten: Selbst eine unverschuldete Verletzung der Fortbildungspflicht (z.B. durch vorübergehend schwierige, persönliche Lebensumstände) kann zu Honorarkürzungen und Zulassungsentzug führen.