Betriebsprüfung: So können Niedergelassene Schätzungen des Finanzamts vermeiden
A&W RedaktionBei einer Betriebsprüfung in der Praxis oder Apotheke kommen Versäumnisse und Fehler bei Buchhaltung und Dokumentation von Belegen und Aufzeichnungen schnell zum Vorschein. Dann besteht die Gefahr, dass das Finanzamt den Umsatz durch eine Schätzung nach oben korrigiert – was richtig teuer werden kann. Wie Praxis- oder Apothekeninhaber dieses Risiko vermeiden können, erklärt Steuerberater Oliver Büttner von der Deutschen Gesellschaft Selbständiger Fachberater für das Gesundheitswesen (DGSFG) e.V.
Das Bundesministerium der Finanzen hat in einem ausführlichen Schreiben am 14. November 2014 festgelegt, welche “Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff” (kurz GoBD) steuerpflichtige Unternehmungen zu beachten haben. Diese Grundsätze sind für die Finanzämter verbindlich und es ist sicher, dass deren Einhaltung einen Schwerpunkt in zukünftigen Betriebsprüfungen bilden wird.
Hohe Anforderungen an die steuerrechtlich relevanten Systeme und Prozesse
Die Anforderungen an die steuerrechtlich relevanten Systeme und Prozesse der elektronischen Datenverarbeitung gehen dabei über die Aufgabenbereiche der Buchführung und Jahresabschlusserstellung hinaus, mit denen Sie zumeist Ihren Steuerberater beauftragt haben. Sie betreffen auch die sogenannten Vor- und Nebensysteme, die Sie in Ihrer Praxis einsetzen. Dabei handelt es sich um alle betrieblichen Systeme, Apparaturen oder ähnliches, die für die Buchführung relevante Daten generieren und empfangen. Das ist beispielsweise die Software, mit der Sie Abrechnungen erstellen und Rechnungen schreiben, das Kassensystem, mit dem Sie Ihre baren Geschäftsvorfälle aufzeichnen oder das Programm, mit dem Sie E-Mails empfangen. Lassen Sie uns im Folgenden einige Spannungsfelder aus den Anforderungen der Finanzverwaltung und den in der Praxis häufig zu beobachtenden Prozessen herausgreifen.
Revisionssicherheit der steuerrechtlich relevanten Vor- und Nebensysteme
Von übergeordneter Bedeutung ist, dass alle von Ihnen eingesetzten Datenverarbeitungssysteme revisionssicher sind: Gefordert wird, dass alle empfangenen und generierten Daten und Dokumente unveränderbar gespeichert werden. Für den Fall, dass Änderungen nach der Archivierung vorgenommen werden, müssen diese protokolliert werden. Was im Einzelnen geändert worden ist, muss nachvollziehbar sein. Die Erfassung und unveränderbare Speicherung aller Daten und Dokumente hat dabei zeitnah zu erfolgen. Sie muss für den gesamten, in der Regel zehnjährigen Aufbewahrungszeitraum gewährleistet sein. Angebote oder Ausgangsrechnungen müssen zum Beispiel ab dem Zeitpunkt unveränderbar archiviert werden, wenn sie an Ihre Patienten verschickt werden. Buchungsbelege, wie beispielsweise Eingangs- und Ausgangsrechnungen, müssen in der Regel monatlich in der Buchhaltung erfasst und unveränderbar festgeschrieben werden.
Wenn die Unveränderbarkeit einmal gespeicherter Dokumente nicht gewährleistet ist, betrachtet die Finanzverwaltung eine Manipulation grundsätzlich als möglich. Beispielsweise ist nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehbar, ob die zum Prüfungszeitpunkt vorgelegte Rechnung tatsächlich mit der ursprünglich gestellten Rechnung übereinstimmt. Im Zweifelsfall kann schon allein die theoretische Möglichkeit der Manipulation ausreichend sein, dass Umsatzhinzuschätzungen im Rahmen einer Betriebsprüfung vorgenommen werden. Die Finanzverwaltung geht nach unseren Informationen davon aus, dass nahezu sämtliche im Heilberufebereich verfügbaren Abrechnungsprogramme diese Anforderungen (noch) nicht erfüllen.
Einsatz von MS-Word und MS-Excel
Nicht GoBD-konform sind alle Dokumente, die Sie in Word oder Excel erfassen und als Datei in einem normalen Dateimanager und nicht zeitnah in einem Dokumentenmanagementsystem (DMS) speichern. Das gilt für alle steuerrechtlich relevanten Dokumente, wie zum Beispiel für Ausgangsrechnungen oder Kassenbücher. Da in Word oder Excel erstellte Dokumente ohne revisionssichere Archivierung jederzeit überschrieben werden können, ohne dass diese Änderungen dokumentiert werden, genügen diese nicht den Anforderungen der Finanzverwaltung.
E-Mail-Empfang und Portalabrufe
Da heutzutage auch immer mehr Belege als E-Mail-Anhang empfangen oder aus Portalen abgerufen werden, gelten auch hier die vorgenannten Anforderungen. Auch diese Dateien müssen unveränderbar gespeichert werden. Die Speicherung einer PDF-Datei im Dateimanager ist nicht ausreichend. Parallel ist auch zu prüfen, ob gegebenenfalls die E-Mail selbst als Beleg zu werten ist. Hat die E-Mail nicht nur die Funktion eines Briefumschlags, sondern enthält sie ebenfalls rechnungsrelevante Informationen, ist die E-Mail ebenfalls als Beleg zu archivieren.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf den Grundsatz der sogenannten Formattreue hinzuweisen. Das heißt, dass originär elektronisch empfangene Belege wie Rechnungen oder Kontoauszüge auch digital archiviert werden müssen. Die Archivierung des Papierausdrucks eines elektronisch empfangenen Dokuments entspricht nicht den Anforderungen der GoBD und wird seitens der Finanzverwaltung als formeller Fehler der Buchführung gewertet.
Verfahrensdokumentation
Aufgrund des Umfangs und der Komplexität der eingesetzten elektronischen Systeme und Prozesse in der Praxis verlangt die Finanzverwaltung, dass diese in einer sogenannten Verfahrensdokumentation detailliert beschrieben werden. Darin müssen Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnis des datenverarbeitungsgestützten Verfahrens schlüssig dargestellt werden. Ein sachverständiger Dritter muss sich in angemessener Zeit einen Gesamtüberblick über die eingesetzten Systeme und Prozesse verschaffen können.
Das Nichtvorhandensein einer Verfahrensdokumentation führt zwar nicht zwingend zu einer Hinzuschätzung oder Verwerfung der gesamten Buchführung. Dennoch empfehlen wir Ihnen, eine Dokumentation der von Ihnen eingesetzten Systeme und Prozesse zu erstellen. Wenn in Betriebsprüfungen formelle oder materielle Beanstandungen auftreten, könnte eine fehlende Verfahrensdokumentation nachteilige Auswirkungen haben oder schätzungserhöhend wirken.
Darüber hinaus bietet Ihnen die Analyse und Dokumentation der bestehenden Systeme und Prozesse in einer Verfahrensdokumentation auch die Chance, bestehende Fehlerquellen oder Optimierungspotentiale in Ihren internen Prozessen zu erkennen.
Der Autor: Oliver Büttner ist Fachberater für das Gesundheitswesen (DStV) und Mitglied der DGSFG. Kontakt und weitere Informationen unter www.dgsfg.de/fachberatersuche