Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Vermischtes

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn peitscht ein Gesetz nach dem anderen durch, dass sich um die Digitalisierung von Gesundheitsdaten dreht und stößt dabei immer wieder auf deutliche Kritik. Zuletzt hatten KBV und 17 KVen in einem gemeinsamen offenen Brief einen Kurswechsel in der Digitalisierung des Gesundheitswesens gefordert. Doch nicht nur mit der Zwangsverpflichtung der Ärzteschaft sich an die TI anzuschließen, macht sich Spahn bei Heilberuflern unbeliebt. Auch sein Umgang mit Patientendaten bereitet Ärztevertretern zunehmend Sorgen.

So wirft die Interessengemeinschaft Medizin (Ig Med e.V.) dem Bundesgesundheitsminsiter in einer aktuellen Mitteilung vor, es im Schutz der Coronapandemie darauf anzulegen, aus den gesetzlich Krankenversicherten eine Ware auf dem neuen deutschen Datenmarkt zu machen: „Jede gesetzgeberische Aktivität des Bundesgesundheitsministers Spahn zielt darauf ab, mehr oder weniger versteckt die persönlichsten Daten der Patienten für Krankenkassen und Konzerne frei verfügbar und damit auch handelbar zu machen,“ erklärt Ilka Enger, Internistin und Vorsitzende der IG Med. „Unseres Erachtens werden dabei die Bürger massiv hinter das Licht geführt. Ärzte, Zahnärzte und Apotheker werden ungewollt zu Komplizen dieser beispiellosen Missachtung der bürgerlichen Grundrechte durch den Gesundheitsminister.“

Worauf die Vorwürfe der IG Med basieren

Angefangen habe der “beispiellose Daten-Raubzug des Jens Spahn” mit dem Implantateregistergesetz, welches regelt, dass die Daten von Patienten mit medizinischen Implantaten von Gelenkendoprothese über Herzschrittmacher bis hin zu Brustimplantaten in einem zentralen Register im Klartext aufgezeichnet werden. Weiter gegangen sei es mit dem „Digitale- Versorgung-Gesetz“, welches erlaubt, dass die abrechnungsbegründenden Daten aller Vertragsärzte zentral an ein Datenzentrum geschickt und dort „pseudonymisiert“ – also potentiell rückverfolgbar verschlüsselt – gesammelt werden.

„Den Patienten wird dabei erzählt, dass ihre Daten für wissenschaftliche Erkenntnisse genutzt werden sollen,“ so Enger. „In Wahrheit zeigen die weiteren derzeit in sog. Omnibusgesetzen versteckten Regelungen durch den Gesundheitsminister, dass es vermutlich eher darum geht, die Daten der 73 Mio. Patienten für die Industrie und die Krankenkassen nutzbar zu machen – der Patient wird gläsern.“

Patienten haben kein Mitspracherecht – Ärzte auch nicht

Besonders bedenklich ist es laut IG Med, dass der Patient vorher nicht gefragt wird und gar kein Recht hat, der Speicherung zu widersprechen oder eine Löschung zu verlangen. Ein Unding – wie wohl auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber findet. Der hatte im März Vorbehalte gegen Spahns Corona-Gesetz angemeldet und darauf hingewiesen, dass  es “erhebliche Eingriffe in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger” enthält.

Die IG Med beruft sich zudem auf die vielfache Kritik am gerade im Bundestag verabschiedeten PDSG-Gesetz (PDSG = Patientendatensicherungsgesetz). Laut IG Med werde dieses “in vielen Teilen das Gegenteil von seiner Bezeichnung bewirken”. Man frage sich auch, warum auch für dieses Gesetz in der Öffentlichkeit kaum ein Meinungsaustausch gestaltet wurde. „73 Mio. Menschen sind in Deutschland bei gesetzlichen Krankenversicherungen mehr oder weniger Zwangsmitglieder und geben damit anscheinend auch das Recht ab, über ihre eigenen Gesundheitsdaten und deren Weitergabe zu entscheiden,“ sagt Steffen Grüner, stellv. Vorsitzender der IG Med. „Wir halten das für einen schweren Verstoß gegen bürgerliche Grundrechte und werden uns dagegen auch für unsere Patienten verwahren – eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Gesetzgebung ist in Vorbereitung.“

Erstaunlicherweise scheint diese gesundheitspolitische Zeitbombe auch von den Oppositionsparteien wohlwollend ignoriert zu werden – oder sie verkennen die Brisanz dieser „Spahnischen Feldzüge“ für die bürgerlichen Freiheiten.