Wenn die Familie Geld für die Praxis leiht
Dr. jur. Alex JanzenWer auf einmal eine größere Summe für seine Praxis braucht, muss nicht zwingend ein Bankdarlehen aufnehmen. Ärzte können das Geld in manchen Fällen auch aus der privaten Tasche vorstrecken oder es sich von Familienangehörigen leihen. Dabei müssen sie allerdings auf strenge rechtliche Vorgaben achten.
Bei der Finanzierung ihrer eigenen Praxen müssen Ärztinnen und Ärzte nicht immer auf Darlehen von fremden Dritten zurückgreifen. In bestimmten Fällen ist es sinnvoll, der eigenen Praxis, der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder dem MVZ finanziell selbst oder mithilfe von Familienangehörigen unter die Arme zu greifen.
Unterschied Einzelpraxis und Berufsausübungsgemeinschaft
Allerdings ist es nicht möglich, der eigenen Einzelpraxis private Finanzmittel rechtlich wirksam als Fremdkapital zu überlassen. Eine Einzelpraxis wird unmittelbar von der Praxisinhaberin bzw. vom Praxisinhaber betrieben, rechtliche Beziehungen zwischen der Einzelpraxis und deren Inhaber sind deshalb nicht möglich. Insbesondere können der Einzelpraxis keine rechtlich wirksamen Darlehen gewährt werden, da ein Darlehensvertrag zwingend zwei unterschiedliche Rechtssubjekte voraussetzt. Selbstverständlich können auch in einer Einzelpraxis private Finanzmittel von Praxisinhabern zur Praxisfinanzierung verwendet werden. Die rechtliche Qualifikation dieser Finanzmittel ändert sich dadurch allerdings nicht: Es bleiben Finanzmittel der Praxisinhaberin bzw. des Praxisinhabers, die betrieblich verwendet werden.
Worauf bei Darlehen von Angehörigen zu achten ist
Anders sieht es hingegen aus, wenn nicht die Praxisinhaberin bzw. der Praxisinhaber, sondern zum Beispiel deren Familienangehörige der Einzelpraxis ein Darlehen gewähren. Es kann sich dabei um Ehegatten- oder um Kinderdarlehen handeln, an deren Wirksamkeit allerdings strenge Anforderungen gestellt werden. Bei Ehegattendarlehen muss der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhalten und in dieser Form auch tatsächlich durchgeführt werden. Ein fremdüblicher Darlehensvertrag setzt insbesondere voraus, dass das Darlehen zu einem marktüblichen Zinssatz gewährt, hinreichend besichert und aus dem Verfügungsbereich des Darlehensgebers, das heißt des Ehegatten, in den Verfügungsbereich des Darlehensnehmers, also des Praxisinhabers, überführt worden ist. Fehlt die letzte Voraussetzung, weil das Darlehen beispielsweise nicht vom Konto des Ehegatten auf das Konto des Praxisinhabers überwiesen wurde, wird regelmäßig unterstellt, das Darlehen stünde nur auf dem Papier. Das Gleiche gilt, wenn der Darlehensvertrag zwar dem Fremdvergleich entspricht, jedoch nicht in dieser Form durchgeführt worden ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die Darlehenszinsen nicht wie vereinbart gezahlt werden oder die vereinbarte Besicherung des Darlehens unterbleibt.
Noch strengere Voraussetzungen werden an Darlehen von minderjährigen Kindern gestellt. Ein solches Darlehen setzt die Mitwirkung eines sogenannten Ergänzungspflegers voraus (§§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 8, 1909 Abs. 1 BGB), der die Rechte des Kindes als Darlehensgeber gegenüber seinen Eltern als Darlehensnehmer wahren soll. Daneben muss der Darlehensvertrag allen anderen Anforderungen genügen, die auch an einen Ehegatten-Darlehensvertrag zu stellen sind.
Schenkung ist nicht gleich Darlehen
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn das Darlehen aus den Mitteln gewährt werden soll, die dem Angehörigen zuvor im Wege einer Schenkung zugewendet worden sind. Stellt sich heraus, dass die Schenkung und die Darlehensgewährung zusammenhängen, um der Praxisinhaberin bzw. dem Praxisinhaber durch die Zahlung von Darlehenszinsen steuerrechtlich den Betriebsausgabenabzug zu ermöglichen, wird das Darlehen nicht anerkannt. Darüber hinaus kann dem Darlehensnehmer oder auch den beiden Partnern des Darlehensvertrags ein Steuerstrafverfahren wegen (versuchter) Steuerhinterziehung drohen.
Werden Darlehen von Angehörigen hingegen anerkannt, kann damit nicht nur die Arztpraxis finanziert, sondern auch die gezahlten Darlehenszinsen können als Betriebsausgaben abgezogen werden. Insbesondere in Zeiten steigender Inflation und höherer Zinsen kann es sich deshalb durchaus lohnen, zur Praxisfinanzierung einwandfreie Darlehensverträge mit Angehörigen abzuschließen.
Gesellschafterdarlehen in einer Berufsausübungsgemeinschaft
Eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) ist im Gegensatz zu einer Einzelpraxis ein Rechtsträger, der mit den einzelnen Berufsträgern der BAG rechtsgültige Verträge abschließen kann. So ist es möglich und auch üblich, dass einzelne Partner der BAG mit dieser Darlehensverträge abschließen, um der BAG zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
Nach dem Bundesfinanzhof steht es Unternehmern frei – zu diesen gehören auch Gesellschafter einer BAG –, den Kapitalbedarf ihres Unternehmens durch Fremdkapital oder durch Eigenkapital zu decken. Ob eine Überlassung von Finanzmitteln bei einer BAG zum Eigen- oder zum Fremdkapital gehört, entscheidet sich nach der Art und Weise der Mittelüberlassung sowie nach der Buchung bzw. nach dem Ausweis des überlassenen Kapitals auf den Kapitalkonten der BAG. Werden Finanzmittel der BAG ohne einen förmlichen und fremdüblichen Darlehensvertrag überlassen und auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto der BAG gebucht, spricht vieles dafür, dass die überlassenen Finanzmittel zum Eigenkapital der BAG gehören sollen. Erhält der Gesellschafter für die überlassenen Finanzmittel keine Gegenleistung und hat er aufgrund des Charakters der überlassenen Finanzmittel als Eigenkapital keinen Rückzahlungsanspruch gegen die BAG, wendet der betreffende Gesellschafter der BAG die überlassenen Finanzmittel unentgeltlich zu (sogenannte verdeckte Einlage). Über das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto der BAG profitieren auch die übrigen BAG-Gesellschafter von den überlassenen Finanzmitteln, und zwar mangels Gegenleistung für die überlassenen Finanzmittel unentgeltlich in Höhe ihrer Beteiligung an der BAG. Die Finanzverwaltung kann bei verdeckten Einlagen in eine BAG deshalb von einer Schenkung an die übrigen Gesellschafter der BAG ausgehen, die der Schenkungsteuer unterliegt.
Gesellschafterfinanzierung in Medizinischen Versorgungszentren
Wird ein MVZ als GmbH betrieben, unterliegen die Gesellschafter des MVZ bzw. der GmbH einerseits den strengen Vorschriften zur Kapitalerhaltung und Gesellschafterfremdfinanzierung im GmbH-Recht und andererseits nicht minder strengen Vorgaben des Berufsrechts.
Nach den gesetzlichen Regelungen stellen jegliche Gesellschafterdarlehen bei der GmbH zivilrechtlich Fremdkapital dar und sind bilanziell auch als solche auszuweisen. Diese Darlehen können und müssen an die darlehensgebenden GmbH-Gesellschafter anhand des zugrunde liegenden und fremdüblichen Darlehensvertrags zurückgezahlt werden.
Gerät die GmbH allerdings in eine wirtschaftliche Schieflage und kann dadurch Verbindlichkeiten ihrer Gläubiger nicht bedienen, sieht das Gesetz vor, dass Darlehen von Gesellschaftern erst nachrangig nach allen anderen GmbH-Gläubigern bedient werden dürfen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Das hat zur Folge, dass Gesellschafter in einer GmbH-Krise ihre Darlehen nur in Ausnahmefällen zurückerhalten, sofern die GmbH insolvenzgefährdet oder bereits insolvent ist. Ob diese restriktive gesetzliche Bestimmung ausnahmslos auch bei MVZ-GmbHs gilt und keine Ausnahmen aufgrund der zwingenden Vorgaben des Berufsrechts und des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. des Vertragsarztrechts zugelassen werden können, wird allerdings noch streitig diskutiert.