Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Unter Derivaten versteht die Finanzfachwelt eine nahezu unübersehbare Anzahl von Finanzgeschäften, die sich auf einen Basiswert wie Wertpapiere, Rohstoffe, Währungen, Zinsen et cetera beziehen. Die Ursprünge von Derivaten liegen in grauer Vorzeit und sollen bis zu 4.000 Jahre zurückgehen. Die ursprüngliche Idee von Derivaten bestand darin, Produzenten und Verkäufer von bestimmten Waren bei einem befürchteten künftigen Preisanstieg oder -verfall auf die produzierten oder gehandelten Waren abzusichern. Diesen Zweck, neben vielen anderen, erfüllen Derivate immer noch.

Kategorie 1: Termingeschäfte

Zum besseren Verständnis von Derivaten soll folgendes fiktives Beispiel beitragen: Ein international tätiger Lieferant von medizinischen Großgeräten befürchtet aufgrund politischer Entwicklungen in naher Zukunft Lieferengpässe und einen starken Anstieg von Einkaufspreisen auf Großgeräte, die zu seinem Sortiment gehören. Der Lieferant aus unserem Beispiel kann sich vor befürchteten Engpässen und dem Preisanstieg auf der Börse mit Futures oder außerbörslich mit Forwards auf die Großgeräte seines Sortiments absichern. Im zugrundeliegenden Future-Kontrakt (Vertrag) wird vereinbart, dass der Lieferant eine Anzahl genau festgelegter Großgeräte zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu einem Preis kaufen kann. Bereits bei dem Abschluss des betreffenden Kontrakts wird der Lieferant einen Teil des vereinbarten Kaufpreises an die andere Partei des Future-Kontrakts als eine Sicherheit zahlen.

Liegt der Lieferant mit seiner Befürchtung richtig und steigen die Kaufpreise für die Großgeräte tatsächlich, erleidet der Lieferant aufgrund des Future-Kontrakts keine Verluste und kann gegebenenfalls einen zusätzlichen Gewinn erzielen, wenn er die von ihm erworbenen Großgeräte aufgrund des Preisanstiegs auf dem Markt an seine Abnehmer zu einem höheren Preis weiterverkaufen kann. Hat sich der betreffende Lieferant geirrt und steigen die Einkaufspreise für die von ihm angebotenen Großgeräte nicht, erleidet er Verluste. Dies zeigt, dass Derivate nicht nur Risiken absichern, sondern auch zu Spekulationszwecken genutzt werden können.

Kategorie 2: Optionsgeschäfte

Neben Futures beziehungsweise Forwards gibt es zahlreiche andere Varianten von Derivaten, die bekanntesten sind Optionen und Swaps. Die Optionen dienen dazu, die Änderung eines bestimmten Basiswerts abzusichern. Hält zum Beispiel eine Ärztin oder ein Arzt Wertpapiere im Vermögen und befürchtet aufgrund von Berichten in der Fachpresse, dass die betreffenden Wertpapiere an Wert verlieren werden, kann sie oder er in Bezug auf diese Wertpapiere als Basiswert eine Put-Option oder Verkauf-Option eingehen: Das räumt einer anderen Person das Recht ein, die betreffenden Wertpapiere zu einem Wert zu erwerben, der über dem befürchteten (niedrigen) künftigen Kurs der Wertpapiere liegt. Diese andere Person, der Käufer der Put-Option, zahlt an die Ärztin oder den Arzt eine Optionsprämie. Fällt der Kurs der Wertpapiere wie erwartet, wird der Käufer der Put-Option die Option nicht ausüben, diese verfällt in einem solchen Fall und die Ärztin beziehungsweise der Arzt behält die Optionsprämie und sichert sich so gegen den Kursverfall der Wertpapiere ab.

Selbstverständlich kann auch eine umgekehrte Situation eintreffen: Eine Ärztin oder ein Arzt erwartet, dass der Kurs bestimmter Wertpapiere steigen wird. Um sich einen möglichst hohen Gewinn aus dem Erwerb der betreffenden Wertpapiere zu sichern, kauft sie oder er eine Call-Option (Kauf-Option) auf diese Wertpapiere und zahlt dem Verkäufer eine Optionsprämie. Steigt der Kurs wie erwartet, übt die Ärztin oder der Arzt die Option aus und erwirbt die Wertpapiere zu einem niedrigeren Wert, der bei dem Kauf der Option vereinbart worden ist. Fällt der Kurs oder bleibt gleich beziehungsweise steigt nicht über die gezahlte Optionsprämie hinaus, übt die Ärztin oder der Arzt die Option nicht aus, sondern lässt diese verfallen und erleidet dann einen Verlust in Höhe der Option zuzüglich Transaktionskosten.

Kategorie 3: Swaps

Bei Swaps (engl. to swap, tauschen) werden ebenfalls viele Varianten unterschieden. Nimmt zum Beispiel ein fiktives Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ein Bankdarlehen von mehreren Millionen Euro mit einem variablen Zinssatz auf und befürchtet aufgrund der Inflation steigende Darlehenszinsen, kann es sich mit einem Zinsswap absichern: Es vereinbart mit der anderen Partei des Zinsswaps, an diese Festzinsen in einer bestimmten Höhe zu leisten, während die andere Partei sich verpflichtet, an das MVZ variable Zinsen innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu zahlen. Steigen die Darlehenszinsen wie erwartet, profitiert der betreffende Arzt, bei fallenden Zinsen ist die andere Partei des Zinsswaps im Vorteil.

Wesentlich komplexer sind Wertpapierswaps, in der Finanzsprache auch Equity Swaps genannt. Dabei tauschen die Parteien des Equity Swaps zwei Zahlungsströme (engl. Cashflows): der eine Cashflow kann an einen Referenzzinssatz, zum Beispiel EURIBOR (Euro Inter Bank Offered Rate, deutsch: Referenzzinssatz für Termingelder im Interbankengeschäft in der EU) gebunden sein, der andere an den Kurs einer Aktie, eines Index oder eines anderen Werts. Da lediglich Zahlungsströme getauscht werden, müssen die Parteien eines Swaps die Basiswerte (hier: Aktien) nicht erwerben, hierdurch werden Transaktionskosten gesenkt und auch weitere Ziele wie Absicherung vor Kursverlusten, Bilanzpflege oder auch Spekulation verfolgt. Wertpapierswaps sind weniger für Privatanleger, sondern in erster Linie für Kreditinstitute und andere professionelle Kapitalmarktteilnehmer interessant.

Bei Swaps auf Rohstoffe werden nicht Zahlungsströme oder Aktien, sondern Rohstoffe getauscht, man spricht von Commodities Swaps. Bei solchen Swaps geht der Erwerber von steigenden und der Verkäufer von sinkenden Preisen auf einen bestimmten vereinbarten Rohstoff aus, häufig auf Erdöl, Gold, Silber, aber auch auf bestimmte Nahrungsmittel. Die Parteien des Swaps legen einen bestimmten Preis für den vereinbarten Rohstoff pro Einheit fest. Am Ende eines vereinbarten Zeitraums erhält der Käufer des Rohstoffswaps vom Verkäufer die Differenz zwischen dem vereinbarten und dem tatsächlichen Durchschnittspreis für den betreffenden Rohstoff ausgezahlt beziehungsweise gutgeschrieben, sofern der Preis für den Rohstoff im betreffenden Zeitraum tatsächlich gestiegen ist. Fällt der Preis für den Rohstoff, muss der Käufer dem Verkäufer die entstandene Differenz zwischen dem vereinbarten und den tatsächlich Rohstoffpreis ausgleichen.

Bei allen Derivaten stehen sich Chancen und Risiken gegenüber, die zwar Gewinne bescheren können, aber auch bis zum Totalverlust der Investition und darüberhinausgehender Verschuldung gehen. Da die künftige Entwicklung der Kapital-, Rohstoff- und Devisenmärkte von niemandem sicher vorhergesehen werden kann, müssen auch die erfahrensten Anleger mit dem Risiko eines Totalverlustes ihres Investments leben. Dies gilt erst recht für Hobbyanleger, die sich stets des Risikos bewusst sein sollten.

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

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