Warum „möglichst billig“ bei Aktien nicht immer sinnvoll ist
A&W RedaktionInterview mit Daniel Kolb, Geschäftsführer der Heidelberger Vermögen AG, über den richtigen Zeitpunkt für den Aktienkauf.
Herr Kolb, die Aktienmärkte sind in diesem Jahr fantastisch gelaufen. Dürfte da nicht bald eine gesunde Korrektur anstehen? Und wäre das nicht eine gute Kaufgelegenheit?
Daniel Kolb: In der Tat könnten DAX & Co. in den traditionell schwachen Monaten August und September um einiges nachgeben, vielleicht auch noch im Oktober. Allerdings würden wir nicht blind in fallende Kurse hinein kaufen.
Was ist schlecht daran, billig zu kaufen? Viele Anleger meinen, das sei der „Heilige Gral“ zum Erfolg.
Kolb: Es kommt nicht darauf an, möglichst günstig zu kaufen, sondern zur rechten Zeit. Damit meine ich den Zeitpunkt, an dem die Wahrscheinlichkeit auf zügig steigende Kurse am höchsten ist. Dieser Moment kommt meist einige Wochen nach dem eigentlichen Kurstief.
Sprechen noch andere Gründe gegen den Versuch, das Tief zu erwischen?
Kolb: In der Tat. Niemand weiß, ob es tatsächlich das Tief ist – das lässt sich per definitionem erst feststellen, wenn ein neuer Aufwärtstrend begonnen hat. Wer vorher kaufen will, riskiert in ein fallendes Messer zu greifen, sprich Kursverluste zu erleiden.
Das könnte man doch hinnehmen, wenn es nachher deutlich aufwärts geht …
Kolb: Da haben Sie recht. Doch an der Börse ist nur eins sicher: dass nichts sicher ist. Daher kann niemand wissen, ob aus der Korrektur nicht doch eine große Baisse wird. Und dann werden aus 10 oder 15 Prozent an zeitweiligem Verlust vielleicht zwei Jahre mit bis zu 50 Prozent Minus.
Das halten Sie jetzt aber nicht für wahrscheinlich, oder?
Kolb: Nein, das nicht, aber wie gesagt: Nichts ist unmöglich. Daher kaufen wir nicht die Korrektur (Schwäche), sondern lieber den neuen Aufwärtstrend, also die Stärke nach der Korrektur.
Wie kann man diese Stärke erkennen?
Kolb: Spätestens dann, wenn das frühere Allzeithoch überwunden ist, ist klar, dass sich ein neuer Aufwärtstrend etabliert hat.
Gibt es keine früheren Anzeichen?
Kolb: Ja, aber solche Signale können oft nur Fachleute erkennen. Dazu gehört etwa, dass das Muster des Abwärtstrends – tiefere Hochpunkte, tiefere Tiefpunkte – abgelöst wird von einem höheren Tief, dem dann ein höheres Hoch folgt. Liegt beides vor, hat ein neuer Aufwärtstrend begonnen.
Wann war dies 2023 der Fall?
Kolb: Beim DAX passierte das Anfang Januar, bei der Nasdaq 100 Ende März und im S&P 500 im Mai.
Autor: Jürgen Lutz