Versicherungsbetrug im Medizinbereich
Marzena SickingVersicherungsbetrug ist ein Massenphänomen. Geschätzte 4 Milliarden Euro kassieren Bundesbürger jährlich zu Unrecht. Auch im Medizinbereich geht die Post ab.
Zwei Bauern unterhalten sich: „Ich habe jetzt eine Feuer- und Hagelversicherung“, sagt der eine. Meint der andere: „Wie man Feuer macht, weiß ich ja, aber wie lässt Du hageln?“ Dieser gängige Kalauer illustriert eine bedenkliche Entwicklung: Geschummelt wird in allen Sparten. Das wird nach wie vor als Kavaliersdelikt angesehen.
In den meisten Fällen kommen Versicherungsbetrüger ungeschoren durch. Trotz neuer Ermittlungsmethoden wird nur ein kleiner Bruchteil aufgedeckt. Im Medizinsektor wird vor allem in den Sparten Haftpflicht-, Kranken-, Unfall-, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung geschummelt. Wobei die Schäden von 100 Euro bis zu dreistelligen Millionensummen reichen.
Wie Betrüger die Versicherungen betrügen
Dabei ist die Kreativität der Trickser unglaublich. So erschien in verschiedenen Spitzen-Hotels ein Gast beim Portier und berichtete stöhnend, er sei über ein loses Kabel gestolpert und habe sich dabei den Arm ausgekugelt. Ein Arzt bestätigte dies, die Hotels bezahlten. In Wirklichkeit konnte der Mann mühelos seinen Arm auskugeln.
Während seiner Auslandsreisen ließ sich ein polyglotter Betrüger 19-mal den Blinddarm herausnehmen und ergaunerte 35.000 Euro. Das Original-Organ hat er noch. Ein anderer präsentierte seiner Versicherung eine hohe, gefälschte Klinikrechnung. Die Geschichte kam heraus, weil auf der Rechnung „Finzenzius-Krankenhaus“ (statt Vinzenzius) stand.
Ein Hamburger Geschäftsmann kannte einen Obdachlosen, der eine schwere Lebererkrankung hatte. Es gelang ihm, trotz ärztlicher Untersuchung eine hohe Lebensversicherung auf das Leben des Wermutbruders abzuschließen. Als dieser nach 2 Jahren an Leberzirrhose starb, wurde die Kapitalsumme an den Geschäftsmann ausbezahlt. Erst später kam die Wahrheit ans Licht.
Ein hoch verschuldeter Boutiquenbesitzer wollte seinem Lebensversicherer den eigenen Tod vortäuschen. In einem Lagerhaus auf seinem Grundstück fand man menschliche Knochen, daneben seltsame Drähte. Ermittlungsergebnis: Es handelte sich um ein Skelett, das der Versicherte einem benachbarten Arzt gestohlen hatte.
Schäden in dreistelliger Millionenhöhe durch Versicherungsbetrug
Eine ganz andere Dimension erreichte eine Bande mit 70 Beteiligten, die ein Netzwerk mit erfundenen Kliniken aufbauten. Der Schaden belief sich auf 116 Millionen Euro. In einem anderen Fall hatte eine Frau ihre Krankenversicherung mit gefälschten Arztrechnungen betrogen. Knapp eine halbe Million Euro Schaden entstand durch die über 200 gefälschten Rechnungen.
Aber auch Ärzte finden sich unter den schwarzen Schafen. Zwei Mediziner aus dem Rheinland schrieben sich gegenseitig krank. Man kassierte hohe Tagegelder. Der Sachbearbeiter rief eines Tages anonym an, doch die arglose Arzthelferin sagte nur: „Der Herr Doktor macht Urlaub in Florida!“
Mit den Auslandsreise-Policen wird besonders oft getrickst. Wenn wieder mal eine Klinikrechnung aus Bangkok mit der Diagnose Magen- und Darminfektion kommt, wissen die Sachbearbeiter meist, was Sache ist. Nicht wenige kaufen sich in schummrigen Bars im Rotlichtmilieu gefälschte Arzt- und Klinikrechnungen, die sie dann zu Hause vorlegen.
Selbstverstümmelungen, um Geld zu kassieren
Ein ganz trauriges Kapitel sind Selbstverstümmelungen in der Unfallversicherung. Es ist unglaublich, welche makaberen Fälle passieren. So hatte sich ein Tischlermeister die Finger der linken Hand abgehackt. Während der Notarzt die verstümmelte Hand versorgte, suchte der Sani nach den Fingern, die man in der Klinik wieder annähen konnte. Zufällig hob er den Deckel des Leimtopfes. „Darin“, so sagte er später bei Gericht, „lagen die Finger – alle fünf!“
Übrigens: Wird ein Betrüger ertappt, verweigert die Versicherung nicht nur die Zahlung, sondern kündigt außerdem noch. Zudem landen die Schummler im Hinweis- und Informationssystem (HIS) der Versicherungswirtschaft (“Schwarze Liste”). Dort werden alle Betrugsfälle gesondert nach der jeweiligen Versicherungssparte gesammelt und für 5 Jahre gespeichert. Wer dort eingetragen ist, hat es schwer, eine neue Police zu finden.