Bürgerversicherung: Welche Folgen die Abschaffung der PKV in Deutschland hätte
A&W RedaktionEine Bürgerversicherung, so heißt es oft, wäre nicht nur gerechter, sondern auch günstiger für alle, die bislang als Kassenpatienten durchs Leben gehen. Nun haben Forscher nachgerechnet. Die Ergebnisse dürften nicht jedem gefallen.
Seit Beginn der Pandemie ist SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vor allem als Corona-Erklärer und Mahner im Einsatz. Zuvor setzte sich der gelernte Mediziner aber gerne und oft für ein anderes Thema ein: die Bürgerversicherung. Viele Beobachter halten es für sein politisches Lebensziel, die private Krankenversicherung abzuschaffen und stattdessen alle Menschen ins gesetzliche System einzahlen zu lassen.
Damit ist er nicht allein. Ein Blick in die Wahlprogramme von SPD, Linken und Grünen belegt, dass das Ende des dualen Gesundheitssystems durchaus populär ist. Die Abschaffung der PKV soll nicht nur die (vermeintlichen) Privilegien der Privatversicherten beenden. Stets ist auch zu hören, dass deren Einbeziehung ins Kassensystem die Versorgung für alle deutlich günstiger machen werden.
Macht die Bürgerversicherung die Versorgung günstiger für alle?
Dieser Frage hat sich jetzt das arbeitgeberfinanzierte Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) gewidmet. Das Ergebnis dürfte die Befürworter des Einheitssystems nicht erfreuen.
Kostentreiber bleiben durch Reform unverändert
Zwar kommen die Kölner Forscher zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Bürgerversicherung sich zumindest in deren Anfängen deutlich auf die Beiträge im gesetzlichen System auswirken würde: Die Kassenpatienten von heute müssten demnach etwa 0,8 Prozentpunkte weniger bezahlen. Allerdings wäre die Kostenminderung nicht von Dauer. Bereits nach sechs Jahren hätte der Beitragssatz wieder das Ausgangsniveau erreicht, so das Ergebnis der Studie.
Grund dafür sei, dass die Bürgerversicherung keinen substanziellen Beitrag leiste, um den starken Ausgabeanstieg der GKV zu begrenzen. Die Kostentreiber, etwa die älter werdende Gesellschaft, der medizinisch-technische Fortschritt sowie institutionell bedingte Fehlanreize blieben durch eine solche Reform unverändert. Die Einbeziehung zusätzlicher Bevölkerungsgruppen in ein krankes System können dessen Probleme nicht beheben.
Auch im Hinblick auf die viel gepriesene „verbesserte Solidarität“ kommen die Studienautoren zu einem ernüchternden Fazit. Aktuell, so die Experten, leisten vier von zehn Versicherten in der GKV einen Solidarbeitrag, weil sie mehr zahlen, als sie an Leistungen beanspruchen. Die Einbeziehung der Privatversicherten würde diesen Anteil aber kaum erhöhen.
Mehr Eigenleistungen im Kassensystem
Besser – auch unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit – wäre es laut IW Köln, die Solidarleistung ab einem bestimmten Punkt zu deckeln und den Rest der Beiträge über ein kapitalgedecktes Versicherungsmodell zu finanzieren.
Für gesetzlich Versicherte hieße das, dass sie – ähnlich wie beim heutigen Zusatzbeitrag – , einen gewissen Teil ihrer Versicherungsbeiträge aus eigener Tasche zahlen müssten. Der Grundbeitrag hingegen bliebe gleich. Diese Aufschläge sollten unabhängig vom Einkommen sein und berechnet werden wie klassische Versicherungsbeiträge. Die Forscher erhoffen sich davon mehr Wettbewerb und ein gewisses Kostenbewusstsein auf der Patientenseite.
Was die Politik aus diesen Aussagen macht, wird sich frühestens nach der Wahl zeigen.