Versteckte Risiken: Praxis mit angestellten Ärzten
A&W RedaktionViele Praxisinhaber arbeiten mit erfahrenen Kollegen zusammen, die bei ihnen als Angestellte eigenverantwortlich tätig sind. Das Finanzamt geht dann beim Praxischef nicht mehr von einer selbstständigen Tätigkeit aus, er führt einen Gewerbebetrieb – mit allen steuerlichen Konsequenzen.
Viele Praxisinhaber stellen zur eigenen Entlastung einen jungen Kollegen ein – klassisch im Angestelltenverhältnis. Der Neue ist zwar weisungsgebunden, stellt aber selbstständig die Diagnosen und betreut seine Patienten. Das passiert in der Regel ohne Rücksprache mit seinem Arbeitgeber. „Vorsicht ist geboten, wenn die angestellten Mediziner eigenverantwortlich tätig sind und ihre Leistungen nur noch stichprobenartig überwacht werden“, sagt Oliver Hubl, Steuerberater und Partner der Kanzlei Hubl und Partner in Alfter bei Bonn.
In diesem Fall kann das Finanzamt nicht mehr davon ausgehen, dass der Praxisinhaber als Freiberufler agiert. Vielmehr führt er für den Fiskus einen Gewerbebetrieb – er wird zum Unternehmer. Dies wiederum hat zur Folge, dass beispielsweise Gewerbesteuer auf den Praxisgewinn fällig wird. Der Praxisinhaber erzielt Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit.
Wo liegen die Risiken?
1. Anderes Fachgebiet: Prinzipiell spricht nichts dagegen, als Freiberufler einen Kollegen anzustellen und sich die Arbeit zu teilen. Wichtig ist, dass der Praxisinhaber leitend tätig wird und eigenverantwortlich arbeitet – so sieht es das Einkommensteuergesetz in Paragraf 18 vor. Genau hier liegt der Knackpunkt: Der Praxisinhaber muss eine Kontrollfunktion ausüben, er muss seinen angestellten Kollegen überwachen. „Insbesondere falls ein Arzt aus einem anderen Fachgebiet in die Praxis kommt, wird ihm dies nicht mehr möglich sein. Ganz einfach, weil dem Praxisinhaber hier die Fachkenntnisse fehlen“, sagt Oliver Hubl.
2. Organisation zählt: Der Praxischef sollte festlegen, wie die Praxis organisiert wird sowie Leitlinien für die Behandlung der Patienten formulieren. Die Art und Weise wie der angestellte Arzt arbeitet, sollte überwacht werden. Das geht so weit, dass er selbst immer wieder bei Behandlungen dabei sein sollte.
3. Verantwortung übernehmen: Der Praxisinhaber muss am Ende die volle Verantwortung für die Behandlungen übernehmen – er bleibt die Bezugsperson und Anlaufstelle für die Patienten. Der Chef sollte also beispielsweise besser nicht die Privatpatienten selbst versorgen und seinem Angestellten die Kassenpatienten überlassen.
Die Praxis wird zum Gewerbebetrieb
Das bedeutet auch: Wenn angestellte Ärzte völlig selbstständig in einer Zweipraxis eingesetzt sind und hier nicht überwacht werden können, handelt es sich um einen Gewerbebetrieb. Der Inhaber muss seine Angestellten beaufsichtigen können. „Wir raten auch dazu, die Zusammenarbeit sowie die Arbeitsabläufe zu dokumentieren“, so Hubl. Das gilt unabhängig davon, wie groß die Praxis ist, wie viele Mitarbeiter hier arbeiten.
Fazit: Der Bundesfinanzhof stellt in einem Urteil (VIII R 41/12) klar, dass selbstständige Ärzte auf ihr Fachpersonal Einfluss nehmen und der Leistung der Praxis den „Stempel ihrer Persönlichkeit“ geben. Er kann beispielsweise die Patienten voruntersuchen und deren Behandlung bestimmen.
Rechtsanwalt oder Steuerberater um Rat fragen
Wichtig: Praxisinhaber kontaktieren am besten vor einer Neuanstellungen einen erfahrenen Rechtsanwalt sowie einen Steuerberater. Die Vorgaben des Fiskus sollten sich in den individuellen Arbeits- und Honoraverträgen spiegeln, wobei die Mustervorlagen für Ärzte in der Regel nicht alles berücksichtigen. Oft besteht das Problem, dass die berufsrechtlichen Anforderungen mit jenen des Fiskus in Einklang zu bringen sind.