Veräußerung der Arztpraxis durch den Erben kann teuer werden
Dennis Janz LL.M.Wenn Erben die Arztpraxis nicht selbst fortführen können, dann liegt ein schneller Verkauf nahe. Allerdings kann das durchaus unangenehme steuerliche Folgen haben, wie Steuerberater Dennis Janz LL.M. und Steuerberater Jan Radloff an einem aktuellen Beispiel erklären.
Im Besprechungsurteil des Finanzgerichts Münster (vom 24.9.2019 – 12 K 2262/16), erbte der Kläger eine Pathologie, die er nach den berufsrechtlichen Regelungen mangels eigener Approbation weder in seiner Person noch durch Mithilfe angestellter Ärzte fortführen konnte. Aus diesem Grund veräußerte der Kläger die Praxis und erzielte hieraus einen Gewinn der der Einkommensteuer zu unterwerfen war.
Über den Nachlass ordnete das Amtsgericht ein Nachlassinsolvenzverfahren an. Das zuständige Finanzamt (FA) betrieb im Verlauf die Zwangsvollstreckung zur Begleichung der rückständigen Steuerschulden und erließ verschiedene Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Der Kläger beantragte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO sowie festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung bzgl. der sich aus dem Veräußerungsgewinn ergebenden Steuer in das Eigenvermögen des Klägers unzulässig sei. Das FA lehnte die Einstellung der Zwangsvollstreckung ab. Eine Unbilligkeit liege nicht vor, da die Zwangsvollstreckung rechtmäßig erfolge und eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht eingetreten sei. Der durch den Kläger geführte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Gericht hielt Klage für unbegründet
Das FG hielt die zulässige Klage für unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des FA sei rechtmäßig und verletze den Kläger nach § 101 S. 1 FGO nicht in seinen Rechten. Der Kläger könne der Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen nicht die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass, § 45 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 1975 BGB, entgegensetzen.
Hierzu führten die Richter aus, dass nach geänderter Rechtsprechung des BFH § 45 Abs. 2 S. 1 AO einen Rechtsgrundverweis auf das erbrechtliche Haftungsregime (vgl. BFH, Urteil vom 10.11.2015 – VII R 35/13, BFHE 252, 201, BStBl. II 2016, 372) beinhalte. Danach sei unabhängig davon, dass einkommensteuerrechtlich allein der Erbe die Einkünfte erzielt, zivilrechtlich zu beurteilen, ob eine Steuerschuld von der Haftungsbeschränkung umfasst ist. Die zivilrechtliche Haftung des Klägers als Erbe sei nach § 1967 BGB dadurch gekennzeichnet, dass der Erbe zunächst unbeschränkt, aber beschränkbar hafte. Eine solche Beschränkung trete nach § 1975 BGB durch die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung der Nachlassinsolvenz ein. Der erkennende Senat führte weiter aus, dass von diesen Nachlassverbindlichkeiten die Eigenschulden des Erben zu unterscheiden seien, für die der Erbe mit seinem Gesamten Vermögen hafte.
Während Eigenschulden durch ein eigenes Verhalten des Erben verursacht würden, lägen Nachlassverbindlichkeiten nur dann vor, wenn die Verbindlichkeiten abschließend und allein durch den Erblasser verursacht wurden.
Eigenverschulden des Erben
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läge im Urteilsfall eine Eigenschuld des Klägers vor, auf die die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass keine Anwendung findet. Die rechtsgeschäftliche Veräußerung der Pathologie durch den Kläger stelle nach Ansicht der Richter zweifelsohne ein eigenes Verhalten des Klägers dar. Mit ihr hat der Kläger am Rechtsverkehr teilgenommen, indem er einen Käufer für die Pathologie suchte und einen Kaufvertrag über ebendiese abschloss. Der Rechtsverkehr musste und konnte dabei davon ausgehen, dass das Eigenvermögen des Klägers als Haftungsmasse zur Verfügung stand. Nichts anderes könne dann aber für das Steuerrecht gelten, das in § 45 Abs. 2 S. 1 AO unmittelbar an diese zivilrechtliche Rechtslage anknüpfe, so die Richter des FG.
Der Annahme einer Eigenschuld des Klägers stünde auch nicht entgegen, dass dem Kläger keine Handlungsoption durch die berufsrechtlichen Vorschriften gegeben waren. Nach § 2 Abs. 1 der BÄO ist die Ausübung des ärztlichen Berufes in kassen- wie privatärztlicher Tätigkeit an die Approbation gebunden. § 29 Abs. 2 des HeilBerG NRW fordert zudem grundsätzlich die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten in einer niedergelassenen Praxis. Die Anstellung einer Ärztin oder eines Arztes ist nach § 29 Abs. 2 S. 1 aE HeilBerG NRW nur in der Praxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte möglich.
Vielmehr sei der Kläger nicht zu der Veräußerung der Praxis gezwungen gewesen. Mit den unterschiedlichen Möglichkeiten einer Betriebsaufgabe, einer Betriebsveräußerung oder allmählichen Betriebsabwicklung standen dem Kläger verschiedene Optionen zur Verfügung um das Erbe zu verwerten. Dabei sei es nach Auffassung des Senats unerheblich, dass alle Möglichkeiten eine Einkommenssteuerschuld ausgelöst hätten, da die steuerlichen Folgen jeweils unterschiedlich gewesen wären. Zu den Eigenschulden des Erben gehört insbesondere auch die Einkommensteuer aufgrund von Einkünften, die der Erbe nach dem Tode des Erblassers aus dem Nachlass erzielt (vgl. BFH, Urteil vom 28.04.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781).
Darauf müssen Praxiserben achten
Der Erbe haftet grundsätzlich unbeschränkt. Er kann jedoch seine Haftung nach den Vorschriften des BGB auf die Erblasserschulden beschränken (das Recht, die Haftung zu beschränken, kann der Erbe verlieren; dazu Boeker in HHSp, § 45 AO Rz. 61).
Die bisherige Rechtsprechung BFH hatte bis dato lediglich über eine Erbfallschuld befunden nicht aber über Eigenschulden des Erben. Darüber hinaus wurde in der Rechtsprechung jedenfalls nicht geklärt, ob zwingende berufsrechtliche Vorgaben, die mangels persönlicher Fortführungsmöglichkeit zu einer Veräußerung, Abwicklung oder Aufgabe eines ererbten ehemals freiberuflichen Betriebes führen, die durch eine Betriebsveräußerung, -aufgabe oder -abwicklung zur Entstehung gelangende Steuerschuld der Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass unterliegt. Soweit die Verbindlichkeit allein und abschließend durch den Erblasser angelegt wird, liegt eine Erbfallschuld, andernfalls, d.h. soweit der Erbe durch eigenes Verhalten die Grundlage der Verbindlichkeit gesetzt hat, eine Eigenschuld des Erben vor.
Vor Veräußerung einer mangels Qualifikation nicht fortführbaren Arztpraxis sollten die damit verbundenen Einkommensteuern genau geprüft und ggf. andere Handlungsoptionen in Erwägung gezogen werden.
Gegen das Urteil wurde das Revisionsverfahren zugelassen.