Renten-Revolution? So nutzen Zinsanleger die neuen Anleihe-ETFs
A&W RedaktionErstmals können Anleger, die breit gestreut in Unternehmensanleihen investieren wollen, dazu ETFs nutzen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden. Damit erhalten sie zum Ablauf des ETFs neben den Zinsen ihr Geld komplett zurück. Zudem können sie mit den Indexfonds gezielt Zinstreppen bauen, mit denen sie höhere Renditen als mit Festgeldern gleicher Laufzeit erzielen. Aber: Die neuen ETFs setzen eine gewisse Kenntnis beim Thema Anleihen voraus.
Wieder einmal BlackRock! Der weltgrößte Anbieter von Indexfonds bringt nach seinen Verkaufserfolgen mit den iShares-ETFs eine neue Gattung von Indexfonds auf den Markt: die sogenannten iBonds. Dies sind ETFs, die in Unternehmensanleihen sehr ähnlicher Laufzeit investieren, die innerhalb eines Kalenderjahres fällig werden. Zu Beginn des Folgejahres wird auch der ETF fällig, sprich er wird aufgelöst und die Anleger erhalten ihr Geld nebst den aufgelaufenen Zinsen zurück.
„Diese zeitliche Begrenzung unterscheidet die neuen Fonds von den konventionellen Renten-ETFs, die kein Laufzeitende kennen, weil diese immer wieder neue Anleihen ins Depot nehmen, die auslaufende Papiere ersetzen. Damit erhalten sie ihr jeweiliges Laufzeitenband, das beispielsweise von drei bis fünf Jahren reicht“, sagt Thilo Stadler von I.C.M. Independent Capital Management in Mannheim. Der Vermögensverwalter erwartet, dass andere ETF-Anbieter die Marktlücke erkennen und bald ebenfalls vergleichbare Produkte mit Unternehmensanleihen auf den Markt bringen.
Zeitlich begrenzt und breit gestreut
Anlegern bieten die neuartigen ETFs einige Vorteile. So können sie nun mit wenig Geld breit gestreut im Markt der Unternehmensanleihen investieren und wissen genau, wann ihr Investment enden wird. „Diese zeitlich begrenzte und marktbreite Streuung war für Privatanleger bisher nur eingeschränkt möglich. Der Grund: Etliche interessante, da rentable Firmenbonds kommen nur in Tranchen von 50.000 oder 100.000 Euro auf den Markt, weil die Unternehmen institutionelle Investoren erreichen wollen“, sagt Anton Vetter von der BV&P Vermögen AG in Kempten. Hier standen Normalanleger bislang vor der Tür. Nun können sie schon mit 1.000 oder 5.000 Euro mit von der Partie sein.
Firmenanleihen bieten höhere Renditen als Banken
Ein weiterer Vorteil ist die höhere Rendite zu vergleichbaren Bankprodukten, die sich mit den neuen ETFs erzielen lässt. Bislang waren Privatanleger, die nicht auf einzelne Firmenanleihen setzen wollten, meist auf Festgeldangebote von Banken angewiesen, wenn sie mehr haben wollten, als Tagesgeld und Sparbuch bieten. „Auch wenn einzelne, aber längst nicht alle Banken die Guthabenzinsen fürs Festgeld inzwischen spürbar angehoben hoben – sie bleiben damit in aller Regel immer noch unterhalb der Rendite, die relativ risikoarme Firmenanleihen mit Investment Grade-Status bieten“, sagt Vermögensprofi Stadler. Für zinsbewusste Anleger seien die neuen ETFs, die sich klar an einigen Rentenindizes orientieren, daher eine interessante Alternative.
Zinstreppe: So lassen sich Geldströme gut planen
Mit den neuartigen ETFs können Anleger wie beim Festgeld ihr Investment gut an ihren künftigen Geldbedarf anpassen – und zwar, indem sie eine sogenannte Zinstreppe bauen. „Diese Treppe errichtet man, indem Geld, das mit eher geringem Risiko angelegt werden soll, auf mehrere Anleihe-ETFs mit Fälligkeiten in unterschiedlichen Jahren verteilt wird – genauso, wie man Festgelder staffeln kann“, erklärt Vermögensprofi Vetter. Auf diese Weise könnten Anleger die Rückzahlung des Kapitals inklusive der Zinszahlungen entsprechend ihrem Bedarf planen. Derzeit gibt es solche ETFs mit Unternehmensanleihen aus der Euro-Zone und den USA mit zwei, drei, vier und fünf Jahren Laufzeit (siehe „Service“-Stück zu den neuen ETFs).
Keine Revolution, aber sinnvolle Ergänzung
Bringen die neuen ETFs also eine Renten-Revolution mit sich, von der alle Anleger, die Anleihen kaufen, profitieren werden? Sicher nicht! Aber die neuen Fonds erweitern die Möglichkeiten für den risikoarmen Teil eines Aktien-Anleihe-Portfolios. Wer möchte, kann seine Anleihe-Investments im Unternehmenssektor nun zielgerichtet planen. Wer indes keine Lust hat, sich aktiv mit dem festverzinslichen Anteil des Depots zu befassen, ist mit den bisherigen ETFs besser beraten. Dort kümmert sich das Management um den Austausch der Anleihen – und der Anleger kann entspannen.
Anleihen: Je länger die Laufzeit, desto geringer die Rendite | ||||||||
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USA | Deutschland | |||||||
1 Jahr | 5,41 % | 3,58 % | ||||||
3 Jahre | 4,70 % | 2,90 % | ||||||
5 Jahre | 4,40 % | 2,61 % | ||||||
10 Jahre | 4,26 % | 2,6 % | ||||||
Quelle: de.investing.com / Recherche: Jürgen Lutz / Stand: Mitte Sept. 2023 |
Bei den Renditen der Staatsanleihen der USA und von Deutschland fällt derzeit auf: Je länger die Laufzeit der Anleihe, desto geringer ist die Rendite. Zu dieser umgekehrten Zinsstruktur – Fachleute nennen sie „invers“ – kam es, weil die Notenbanken der USA und der Euro-Zone im vergangenen und in diesem Jahr die kurzfristigen Leitzinsen so stark und schnell erhöht haben, wie seit einem Vierteljahrhundert nicht. Die Rendite von Unternehmensanleihen mit dem Label „Investment Grade (IG)“ liegt derzeit rund einen Prozentpunkt oberhalb der Rendite von Staatsanleihen. Darin spiegelt sich die Tatsache, dass IG-Emittenten noch immer ein höheres Ausfallrisiko bei ihren Anleihen zugeschrieben wird als den Vereinigten Staaten oder Deutschland. (juli)
Autor: Jürgen Lutz