Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisfinanzierung

Bevor der Arzt bei seinem Patienten eine Diagnose stellen kann, muss er ihn gründlich untersuchen und befragen. Genau das tut der Bankberater auch mit Ihnen, bevor er über eine Kreditvergabe entscheidet. Allerdings wird beim sogenannten “Scoring” nicht nur der aktuelle Stand der Dinge festgehalten, sondern auch eine Zukunftsprognose erstellt. Konkret geht es um die für Bänker alles entscheidende Frage: Werden Sie den Kredit dauerhaft und zuverlässig bedienen können?

Wer für seine Praxis oder aus privaten Gründen ein Darlehen braucht, muss sich von seinem Bankberater daher erst einmal gründlich “untersuchen” lassen. Beim Scoring werden Vertrauen und Misstrauen in nackten Zahlen gemessen. Alle Kriterien, die der Bank wichtig sind, werden im Vergleich zu einer Benchmark gesetzt. Für jedes zur Zufriedenheit der Bank erfüllte Kriterium gibt es einen Punkt (Score). Nur wer hier gute Werte aufweist, kann damit rechnen, einen Kredit zu vernünftigen Konditionen zu erhalten. Doch welches sind eigentlich die Daten, für die sich potenzielle Geldgeber bei einer solchen Prüfung interessieren?

Vertragstreue zählt

Einen Schwerpunkt bildet in vielen Kreditinstituten beispielsweise die bisherige „Vertragstreue“ des Kunden. Falls der Arzt schon einmal einen Kredit bei der Bank genommen hat, wird dieser Vorgang bis ins kleinste Detail durchleuchtet und bewertet. Die meisten Geldhäuser achten strikt darauf, dass zum Beispiel Vereinbarungen über die Umsatzverteilung der Praxis strikt eingehalten werden. Sieht der Kreditvertrag also vor, dass „mehr als die Hälfte der Praxisumsätze“ über das Geschäftskonto der Hausbank fließen müssen, tut der Arzt gut daran, sich an diese Vorgabe peinlich zu halten. Dies gilt umso mehr, als das Umsatzvolumen häufig mit der Höhe des Kreditzinses korreliert und Kreditgeber die Einhaltung solcher Vereinbarungen schon aus diesem Grund recht engmaschig kontrollieren.

Das Konto besser nicht überziehen

Bedeutsam für Banken ist zudem die sogenannte „Überziehungsqualität“: Ärz­te, die sich nahezu ununterbrochen am oder über dem Kreditlimit des Praxiskontos bewegen, müssen daher mit Abstufungen rechnen. Gleiches gilt, wenn bei vorgelegten Lastschriften öfter mal die Kontodeckung fehlt und die Einlösung deshalb scheitert. Die Argumentation der Bank leuchtet ein: wirtschaftet ein Arzt schon bei der Kontodisposition nicht nachhaltig, wird er auch Kredite nicht zuverlässig bedienen. Das bedeutet zwar nicht, dass er keinen Kredit bekommt, aber vermutlich muss er das Risiko mit einem höheren Zinssatz bezahlen.

Kontenbezogene Kundenmerkmale

Je nach Institut wird das Scoring auf weitere kontenbezogene Kundenmerkmale ausgedehnt. Von der Zahl der Monate mit negativem Kontostand über die Anzahl von Rücklastschriften bis zur Entwicklung der aktuellen Habenumsätze können unterschiedlichste Daten relevant werden. Aber auch Schufaeintragungen, Wohn- bzw. Praxislage etc. können eine Rolle spielen. Fragen Sie Ihren Bankberater schon vor dem Gespräch nach den genauen Scoring-Kriterien. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Sie von sich aus genau aufklären wird, ist wohl eher gering. Wie eine Studie des Ministeriums für Verbraucherschutz ergab, ist die mangelnde Aufklärung der Banken sogar als rechtswidrig zu betrachten. Fragwürdig sind auch Faktoren wie Geschlecht, Rasse und Alter, die oftmals ebenfalls ins Scoring einfließen. Vorsicht: Wenn ein Kunde bei mehreren Banken Erkundigungen für einen möglichen Kredit einholt, kann sich sein Scoring schon allein aufgrund der mehrfachen Schufa-Nachfragen der Banken verschlechtern. Hier sollten Sie mit offenen Karten spielen und den jeweiligen Bankberater darüber informieren, dass Sie bewusst nach den besten Konditionen suchen.

Verfahren zur Bonitätsprognose

Vorteile des Scorings:

  • Durch die Standardisierung werden persönliche Präferenzen des Bankmitarbeiters weitgehend ausgeschaltet.
  • Das Verfahren ist nachvollziehbar.
  • Bei regelmäßiger Überprüfung kann auf veränderte Kreditverhältnisse relativ schnell reagiert werden.

Nachteile des Scorings:

  • Der durch persönliche Erfahrungen geprägte Eindruck vom Charakter eines Kunden wird kaum noch berücksichtigt.
  • Unvollständige Datenerhebungen können das Ergebnis beeinflussen.