Praxen zahlen zu hohe Zinsen, Bearbeitungskosten und Kreditgebühren
A&W RedaktionNie waren Zinssätze so niedrig wie heute, und doch zahlen gerade Ärzte und Ärztinnen bei Krediten oft zu viel. Wie kann das sein? Ein Ratgeber, wie betroffene Praxisinhaber noch Kreditkosten sparen können – auch rückwirkend.
Wie alle Bankkunden freuen sich auch Ärzte und Ärztinnen über günstige Zinssätze. Nie waren Kredite für eine Praxisausstattung oder neue medizinische Geräte so verlockend wie derzeit. Da ist die Versuchung groß, bei den Kreditkonditionen vielleicht nicht ganz so genau hinzusehen. Ein Fehler, denn oftmals sind die Kredite dennoch zu teuer, wie verschiedene Gerichte in der jüngeren Vergangenheit feststellten. Beflügelt durch die verbraucherfreundliche Rechtsprechung erkennen offensichtlich immer mehr Ärzte, dass Nebenkosten und Gebühren die Kredite so verteuern, dass sie sich eigentlich kaum noch lohnen. So registrierte beispielsweise das genossenschaftliche Heilwesennetzwerk, dass sich nun offenbar eine Klagewelle von Praxisinhabern gegen Banken zu entwickeln scheint.
Wie Kosten senken?
Das Heilwesennetzwerk kann bei der Frage, wie die Kreditnehmer die Kosten nachträglich senken oder gar aus dem Kreditvertrag aussteigen können, selbstverständlich nur auf Anwälte verweisen. Die Genossenschaft gibt allerdings den Tipp, dass Ärzte sich aktiv gegen zu teure Kredite wehren sollten. Denn nach ihrer Meinung sind viele Zinsen zu hoch und die Banken oder Sparkassen würden Gebühren teilweise sogar unzulässig vereinnahmen. Deshalb gibt es viele gute Argumente, zu hohe Zinsen aus der Vergangenheit zurückzubekommen und sich in der Zukunft von exorbitanten Zinszahlungen befreien zu lassen. Selbiges gilt für bereits gezahlte Bearbeitungskosten und Gebühren.
Die Rechtsprechungslandschaft in Deutschland ist derzeit durch eine „darlehensnehmerfreundliche Rechtsprechung“ geprägt. Diese aus Verbrauchersicht positive Rechtsprechung reicht von Widerrufsmöglichkeiten von Krediten bis zu unzulässigen Bearbeitungs- und Zinsgebühren sowie Rückforderungen zu hoch gezahlter Zinsen.
Rückabwicklung von Verbraucherdarlehensverträgen
Als Beispiel sind Urteile aus Düsseldorf zu nennen, in denen eine Bank zur Rückabwicklung von Verbraucherdarlehensverträgen sowie zur Erstattung von sogenannten Zins-Cap-Gebühren nebst zu viel gezahlter Zinsen verurteilt wurde. Dabei wird in verschiedenen Gerichtsentscheidungen bezüglich dieser Problematik ausgeführt, dass die genauen Voraussetzungen für die Anpassung eines variablen Zinssatzes bei sogenannten Zins-Cap-Darlehen für den Kunden nicht nachvollziehbar sind. Aus diesem Grund verstoßen viele der von Kreditinstituten verwendeten Klauseln gegen das sogenannte Transparenzgebot, welches bei Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen zwingend zu beachten ist. Denn für den Kunden muss erkennbar sein, unter welchen Umständen und in welchem Umfang ihn höhere Zinsen treffen.
Verträge prüfen lassen
Aber auch wenn Ärzte und Praxen Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen haben, lohnt es sich, die Verträge prüfen zu lassen. So hat jüngst das Oberlandesgericht Frankfurt am 25.02.2016 (3 U 110/15) entschieden, dass die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten auch Unternehmer – und das sind Praxisinhaber ganz eindeutig – fordern können. Denn auch ein Unternehmer befindet sich in einer sogenannten situativen Unterlegenheit gegenüber der Bank und dies führt bei unzulässigen Bearbeitungsentgelten zu einer Benachteiligung. Es lohnt sich also, auch gewerblich geprägte Kredite einer Überprüfung zu unterziehen.
Widerrufe für Kreditverträge
Was viele nicht wissen ist, dass die Widerrufswelle von Kreditverträgen nicht begrenzt ist. Es ist bekannt, dass Widerrufe für Kreditverträge, die bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, heute nicht mehr widerrufbar sind. Allerdings gilt diese Widerrufsmöglichkeit nach wie vor bei Immobilienkrediten, die ab 11.06.2010 abgeschlossen wurden. Auch hier existieren neue Urteile, die die „neuen Widerrufsbelehrungen“ ebenfalls als falsch und mithin als widerrufbar erklären. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Nürnberg eine Widerrufsbelehrung aus dem Jahre 2010 als falsch und widerrufbar deklariert. Die Begründung ist dazu teilweise sehr erstaunlich. So stellt das Oberlandesgericht Nürnberg (Seite 21 seines Urteils) fest, dass bereits die Regierungsbegründung das Muster zu den Widerrufsbelehrungen kritisiert hat. So ist in der Regierungsbegründung (BT-Drucks. 16/11643, Seite 164 ff.) zu entnehmen, „[…] für die Vertragsangabe ist das Belehrungsmuster inhaltlich ungeeignet, da weder die Angaben über den Fristbeginn noch über die Folgen des Widerrufs im Muster mit den gesetzlichen Erfordernissen übereinstimmen.“ Folglich lohnt es sich, dass Praxen und Ärzte ihre Widerrufsbelehrung der Darlehensverträge überprüfen lassen, um dort eventuell die Möglichkeit zu haben, teure Kredite, beispielsweise mit einem damaligen Zinssatz von 4,5 Prozent, widerrufen zu lassen. Der Vorteil ist, man kann aus den Darlehensverträgen ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung heraus und kann eine Nutzungsentschädigung von 2,5% auf sämtliche Zinszahlungen gegenüber der Bank oder Sparkasse fordern.
Zinssatz im negativen Bereich
Auch ein anderes heißes Thema interessiert derzeitiges viele Kunden, stellt das Heilwesennetzwerk fest. Bei variablen Krediten kann es sein, dass der Zinssatz im negativen Bereich liegt. Dann stellt sich die Frage für die Ärzte und Praxen, ob sie negative Zinsen von der Bank verlangen können. Auch hierzu stellt das Heilwesennetzwerk fest, dass es hierzu noch keine eindeutige Rechtsprechung gibt. Allerdings gibt es Fälle in Europa, wo bereits Banken negative Zinsen an Kunden gezahlt haben. Auch hier lohnt es sich, entsprechende Kreditverträge zu prüfen.
Insgesamt ist mithin festzustellen, dass es sich lohnt, Kreditverträge über einen spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Oftmals kommen erstaunliche Ergebnisse zum Vorschein, welche die Liquiditätslage der Privatpersonen oder auch Praxen deutlich verbessern kann.
Der Autor: Lutz Tiedemann ist Fachanwalt für Bank und Kapitalmarktrecht in Hamburg und Mitglied im Heilwesennetzwerk RM eG, Meerbusch.