Der Arzt in der Krise – Sanierungschancen durch eine Eigenverwaltung
A&W RedaktionEs gibt viele Gründe, warum eine Arztpraxis in eine Krise geraten kann. Kommt es zur Zahlungsunfähigkeit, muss der Arzt einen Insolvenzantrag stellen. Eine Regelinsolvenz bedeutet für den Arzt meist den Verlust seines Unternehmens oder aber eine dauerhafte Abtretung seiner Einnahmen. Wie dies über ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung verhindert werden kann, zeigt Dr. Hubertus Bartelheimer.
Ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung bedeutet, dass der Arzt weiter in der Unternehmensleitung bleibt. Die Kürze des Verfahrens ermöglicht eine schnelle Befreiung von den insolvenzrechtlichen Zwängen. Es bietet eine attraktive Möglichkeit der Krisenbewältigung: Die Eigenverwaltung steht für eine Fortführung der Praxis und dessen Erhalt für den Arzt.
Erleichterung der Sanierung von Unternehmen
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im März 2012 wurden die Chancen, eine Planinsolvenz in Eigenverwaltung durchzuführen, erhöht. Im Vordergrund steht der Erhalt des Unternehmens und damit die Sicherung der Arbeitsplätze. Für den Erfolg des Verfahrens ist jedoch die richtige Beratung entscheidend. Bei einer professionellen Vorbereitung können die Vorteile der insolvenzspezifischen Sanierung in kürzester Zeit optimal ausgeschöpft werden, ohne dass der Arzt die Führung seiner Praxis aus der Hand gibt. Gegenüber den Krankenkassen und z.B. Lieferanten hat ein Eigenverwaltungsverfahren einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Effekt: Der Arzt zeigt, dass er in der Lage ist, eine Krise rechtzeitig zu erkennen und sein Unternehmen selbstständig aus dieser herauszuführen. Die Patienten wiederum bekommen von dem Verfahren meist nichts mit.
Krisen rechtzeitig erkennen und selbstständig bewältigen
Eine Praxis kann aus vielen Gründen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Beispielsweise bei einer Verschärfung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Im Zweifelsfall können Regressbeträge mit dem Honoraranspruch verrechnet werden. Diese Einnahmen fehlen am Ende zur Deckung der laufenden Kosten. Überdies können durch Veränderungen im Bereich der ärztlichen Vergütung (Festzuschüsse) oder auch bei sinkenden Zuzahlungen von Patienten, die vorher kalkulierten Einnahmen einbrechen.
Aber auch typische unternehmerische Entscheidungen können in die Liquiditätskrise führen, wenn sich Betriebserweiterungen aufgrund unvorhergesehener Standortentwicklungen als Fehlinvestition herausstellen oder sich das Unternehmen durch langfristige, aber unrentable Miet-, Leasing-, Software- oder Arbeitsverträge bindet. Auch vermeintlich lukrative Immobilieninvestitionen belasten infolge einer fehlenden Auslastung die Liquidität erheblich. Jeder Arzt wünscht sich in dieser Situation eine Rückkehr in das ruhigere Fahrwasser.
Schnelles Verfahren erfordert positive Fortführungsprognose
Ein Turnaround gestaltet sich jedoch schwierig, denn eine außergerichtliche Restrukturierung, eine Liquidation oder ein Regelinsolvenzverfahren scheitert zumeist an der Zustimmung der Gläubiger sowie an den wirtschaftlichen wie verfahrensrechtlichen Möglichkeiten. Zudem käme die Fortführung der Praxis nur mit einer Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters in Betracht, was aber dazu führen würde, dass der Schuldner für die Dauer des in der Regel sechs Jahre dauernden Verfahrens der Aufsicht des Insolvenzverwalters und der Gläubiger unterliegt und einen erheblichen Teil seiner Praxiseinnahmen in der gesamten Zeit an den Insolvenzverwalter abführen muss. Zudem leben nach der Freigabe Abtretungen von Erlösen wieder auf, die mit einem Insolvenzplan erledigt würden.
Liquidation der Praxis
Eine Liquidation der Praxis widerspricht nicht nur den Interessen des Schuldners an einer Fortführung seiner existenziellen Basis, sondern auch den Interessen der Gläubiger an der Fortsetzung der Praxis. Sie werden über ein Insolvenzplanverfahren regelmäßig aus den Erträgen der Unternehmensfortführung befriedigt. Über den Insolvenzplan muss allerdings gewährleistet sein, dass die Gläubiger keine schlechtere Befriedigungsaussicht als in der Liquidation des schuldnerischen Vermögens haben. Dieser Nachweis ist jedoch leicht zu führen, da die Liquidation der Praxis für die meisten Gläubiger regelmäßig einen Totalausfall ihrer Forderungen bedeutet.
Voraussetzung für einen erfolgreichen Insolvenzplan ist eine positive Fortführungsprognose der freiberuflichen Praxis. Die Prognose muss aufzeigen, dass dauerhaft gute operative Erträge durch die Fortführung erzielt werden können.
Persönliche Fortführung des Unternehmens
Die Eigenverwaltung bietet für den Arzt die Möglichkeit der persönlichen Fortführung des Unternehmens ohne den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter. Anstatt eines Insolvenzverwalters wird ein Sachwalter vom Insolvenzgericht eingesetzt, der bei einer Betriebsfortführung lediglich mit der (bloßen) Überwachung der schuldnerischen Geschäftsführung beauftragt wird.
Zudem gelangt die Information über die Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens nicht zwangsläufig an die Öffentlichkeit, da – anders als im Regelinsolvenzverfahren – keine gesetzliche Veröffentlichungspflicht besteht. Lediglich die von der Insolvenz direkt betroffenen Beteiligten (Banken, Lieferanten, Krankenkassen) sollten von der Unternehmensleitung vertrauensbildend über das Verfahren informiert werden. Den Kreis der informierten Personen und Unternehmen bestimmt der eigenverwaltende Schuldner aber regelmäßig selbst.
Eigenverwaltung mit erheblichem Sanierungspotenzial
In der Eigenverwaltung stehen dem Arzt eine Vielzahl von Einzeleffekten zum Liquiditätsaufbau zur Verfügung:
- Während des Verfahrens ist seine (Einzel-)Unternehmung vor Eingriffen der Gläubiger geschützt.
- Für die Dauer von bis zu drei Monaten werden sämtliche Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert, das nicht oder nur zum geringen Teil zurückzuzahlen ist. So kann die dadurch gesparte Liquidität voll für die Sanierung eingesetzt werden.
- Zahlungen, die beispielsweise an das Finanzamt oder die Krankenkassen geleistet worden sind, können zumindest für einen begrenzten Zeitraum unter Umständen zurückgefordert werden.
- Gewünschte und erforderliche Personalanpassungen werden deutlich vereinfacht und regelmäßig mit deutlich geringeren Abfindungen möglich.
- Die Kündigungsfristen bei allen Dauerschuldverhältnissen – unabhängig von der Restlaufzeit – sind auf maximal drei Monate begrenzt.
- Ungesicherte Altverbindlichkeiten (auch Pensionsverpflichtungen) werden nur mit einem Bruchteil des Ursprungsbetrages bedient.
Insgesamt gewährt das Insolvenzrecht dem Arzt eine „wettbewerbsrechtliche Auszeit“, damit die Sanierung gelingt und Arbeitsplätze erhalten werden können. Es geht im Wesentlichen darum, die operative Sanierung voranzutreiben, die Passivseite der Bilanz zu sanieren und genügend Liquidität zu generieren, um mit ausreichender finanzieller Ausstattung und einer komfortablen Eigenkapitalquote den Neustart anzugehen.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Hubertus Bartelheimer