Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisfinanzierung

Die gestiegenen Strom- und Gaspreise bekommen derzeit auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zu spüren. Ihre Möglichkeiten, den Praxisverbrauch zu senken, sind begrenzt. Und ein Wechsel des Energieversorgers bringt meist keine Ersparnis. Angesichts der Kostenexplosion und der Unsicherheiten auf dem Energiemarkt kann es sich lohnen, einer Einkaufsgemeinschaft beizutreten. Doch die Passende zu finden, ist nicht ganz so einfach. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was ist eine Energie-Einkaufsgemeinschaft?

Energie-Einkaufsgemeinschaften bündeln die Nachfrage tausender Unternehmen und Freiberufler, um als Großabnehmer am Markt bessere Bezugskonditionen für Strom oder Gas zu verhandeln. Es gibt dabei sowohl Zusammenschlüsse für verschiedene Berufs- und Branchenverbände – primär für Industrie, Handel und Handwerk – als auch gewerbeübergreifende Vereinigungen, denen sich jeder anschließen kann.

E-Optimum, Ampere und Wattline gehören zu den bekannteren Energie-Einkaufsgemeinschaften, die allen offenstehen. Neben dem Vergleich und der Vermittlung der Tarife bieten viele Broker ein Controlling an, überprüfen Rechnungen, übernehmen die fristgerechte Kündigung, den Neuabschluss der Lieferverträge und managen so die gesamte Energiebeschaffung.

Welche Vorteile bietet Einkaufsgemeinschaften?

Viele Energie-Einkaufsgemeinschaften vergleichen kontinuierlich sämtliche Strom- und Gastarife am Markt. Sie erzielen aufgrund der Nachfragebündelung zudem meist niedrigere Bezugspreise für ihre Mitglieder. Alleinstehende Arztpraxen sind zu klein, um solche Konditionen zu erhalten, und verfügen nicht über die Kapazitäten für einen professionellen Energieeinkauf.

Welche Modelle gibt es beim gemeinsamen Energie-Einkauf?

Die Beschaffungsmodelle sind nicht überall gleich. Manche Gemeinschaften wie Ampere und Wattline verhandeln mit Versorgern bundesweit ein- bis dreijährige Rahmenverträge zu fixen Konditionen. Andere kümmern sich zudem selbst um den Energieeinkauf an den Handelsplätzen. Zum Beispiel E-Optimum. Je nach Marktlage hat beides mehr oder weniger Vorteile.

Worin bestehen die Unterschiede?

Die erste Variante garantiert Preissicherheit für eine vereinbarte Laufzeit. Bei der zweiten Variante, die über die Vermittlung hinausgeht, decken sich die Energie-Einkaufsgemeinschaften einerseits am Terminmarkt über langfristige Verträge zu festen Konditionen ein. Andererseits kaufen sie kurzfristig an günstigen Tagen am Spotmarkt zu. Diese Mixstrategie soll dauerhafte Preisschocks vermeiden und die Preisschwankungen am Markt gezielter ausnutzen. Der Zeitpunkt des Einkaufs beziehungsweise des Vertragsabschlusses werde immer wichtiger, betonen die Profis. Der Energiepreis variiert damit monatlich. Je nach Gemeinschaftsmodell lassen sich daher sowohl die Kosten reduzieren als auch das Risiko, den besten Wechsel-Moment zu verpassen und anschließend jahrelang zu viel zu bezahlen.

Wie sicher ist die Energieversorgung?

Die Energie-Einkaufsgemeinschaften achten nach eigenen Angaben darauf, dass für ihre Mitglieder stets die Versorgungssicherheit garantiert ist und es zu keinen Engpässen kommt. Dafür würden sie nur verlässliche und leistungsstarke Strom- und Gaslieferanten auswählen, so die Versprechen. Eine nachvollziehbare Qualitätsgarantie ist aktuell wichtig: Einige Energiediscounter hatten Ende 2021 anlässlich der Preisexplosionen am Spotmarkt immerhin tausenden Kunden gekündigt, sodass diese in die teure Ersatzversorgung rutschten.

Wie hoch ist das Sparpotenzial von Einkaufsgemeinschaften?

Durch die Mitgliedschaft in einer Energie-Einkaufsgemeinschaft können Arztpraxen bis zu 15 Prozent gegenüber dem langlaufenden Festpreis direkt bei einem örtlichen Energieversorger sparen. Dieses Potenzial versprechen die Anbieter zumindest mit Blick auf die Durchschnittswerte in der Vergangenheit. Aktuell sind solche Ersparnisse jedoch auch für die besten Energiebeschaffer wegen der explodierenden Preise und wirtschaftspolitischen Unsicherheit im Markt unmöglich zu erzielen.

Die seit Herbst 2021 steigenden Großhandelspreise haben sich infolge des Ukraine-Krieges noch mal massiv verteuert. Die Schnäppchen beim Energieeinkauf sind rar geworden: Der Preis an der Strombörse in Leipzig ist laut Auswertung des Online-Vergleichsportals Check24 im März 2022 im Schnitt satte 443 Prozent höher gewesen als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Im selben Zeitraum habe sich der Preis für eine Megawattstunde Gas durchschnittlich mehr als versiebenfacht – von 18 auf 138 Euro. Ein möglicher Lieferstopp von russischem Öl und Gas könnte die Situation noch verschärfen, warnen die Experten. Insofern ist ein Wechsel zu einer Energie-Einkaufsgemeinschaft derzeit eher eine Wette auf die Zukunft.

Wie kann man Teil einer Energie-Einkaufsgemeinschaft werden?

Jeder Gewerbetreibende kann eine Dienstleistungsvereinbarung mit einer branchenübergreifenden Energie-Einkaufsgemeinschaft abschließen. Auch Freiberufler wie Ärztinnen und Ärzte. Das ist für eine Laufzeit von mindestens drei Jahren und unabhängig von Berufsverbänden möglich, weil die Mitglieder von den Einkaufsgemeinschaften zu Energiepools zusammengefasst werden. Damit sich der Service lohnt, setzen die beauftragten Unternehmen in der Regel ein jährliches Energievolumen von 10.000 Kilowattstunden voraus.

Aus einem noch laufenden Energievertrag kommt man nicht sofort heraus. Entweder man kündigt regulär zum Ende der Vertragslaufzeit oder nutzt sein Sonderkündigungsrecht, das in der Regel zwei Wochen ab Ankündigung einer Preiserhöhung gilt. Viele Einkaufsgemeinschaften kümmern sich um einen bestmöglichen Anbieterwechsel und schließen zu einem günstigen Zeitpunkt neue Anschlussverträge ab. Selbst, wer noch einen Energievertrag bis Ende 2022 oder 2023 habe, könne schon beitreten und sich Energiepreise für die Folgejahre sichern, heißt es.

Was kostet die Mitgliedschaft?

Die Mitgliedschaft an sich ist kostenlos. Klassische Angebote von Strom- und Gasversorgern enthalten eine Grundgebühr und Risikoaufschläge, um schwankende Einkaufspreise auszugleichen. Das gibt es bei Energie-Einkaufsgemeinschaften nicht. Ganz kostenlos sind deren Dienstleistungen freilich nicht. Ihre Vergütung erfolge rein erfolgsabhängig, versprechen alle.

Hier gibt es Unterschiede: So gibt Ampere vom erzielten Vorzugspreis 75 Prozent an seine Mitglieder weiter und behält 25 Prozent der Ersparnis ein. Gemeint ist die Differenz zwischen dem, was Kunden bei örtlichen Grundversorgern üblicherweise hätten zahlen müssen und den tatsächlich angefallenen Energiekosten der Abrechnungsperiode. Bei E-Optimum zahlen Mitglieder eine Service-Gebühr, die sich nach ihrem Energiebedarf richtet. Bei einem Stromverbrauch bis 50.000 kWh im Jahr liegt sie bei bis zu 2,5 Cent/kWh. Bei der Erstvermittlung eines Energieliefervertrags an einen ausgewählten Kooperationsversorger streicht Wattline je Lieferstelle ein Honorar ein, das einmalig 37,5 Prozent der aufgedeckten Einsparung entspricht. Alle weiteren Deals sind danach immer gratis.

HINTERGRUNDWISSEN
Der Strommarkt in Deutschland
In Deutschland handeln Energiekonzerne, Stromanbieter und Großkunden an der Energiebörse EEX. Dort gibt es den Terminmarkt und den Spotmarkt. Am Terminmarkt werden langfristige Verträge abgeschlossen. Dabei werden Preis und Abnahme für Jahre vereinbart. Am Spotmarkt geht es um die Beschaffung für den aktuellen oder kommenden Tag. Die Strompreise am Spotmarkt liegen meist unter denen am Terminmarkt. Das liegt daran, dass aufgrund des kurzfristigen Handels geringere Risikozuschläge anfallen und der Anteil aus erneuerbaren Energien steigt, die nur bedingt speicherbar sind. Je nach Wetter werden letztere besonders günstig angeboten, wenn die Produktionsmenge die Nachfrage übersteigt. Nur knapp ein Viertel des Stroms werden an der Energiebörse gehandelt, die restlichen 75 Prozent kaufen die Stromanbieter direkt von den Energieerzeugern im außerbörslichen OTC-Handel.