Wer klug verschenkt, vermeidet Streit und spart Erbschaftssteuer
A&W RedaktionEs macht nicht nur aus steuerlichen Gründen Sinn, zu Lebzeiten damit anzufangen, Vermögen zu übertragen. Dabei muss weder völlig die Kontrolle aus der Hand gegeben, noch auf alle Früchte verzichtet werden, erklärt Jürgen Prestel, Seniorberater und Finanzplaner beim Vermögensverwalter Hansen & Heinrich AG am Standort Kempten.
Wie kann am besten Streit in Erbengemeinschaften verhindert werden?
Prestel: Ganz klar, indem das Gespräch zu Lebzeiten mit den potenziellen Erben gesucht wird. Das ist für viele ein eher unangenehmes Thema, das oft zu lange vermieden wird. Ein guter Anlass kann eine externe Analyse der eigenen Vermögensstruktur sein, die auch das Thema Vermögensnachfolgeplanung aufgreift. Anhand der Ergebnisse kann dann das Gespräch in der Familie angegangen werden, um möglichst frühzeitig Regelungen zu treffen, die zum Beispiel auch helfen können, Erbschaftssteuern zu vermeiden.
Wie kann so etwas aussehen?
Prestel: Zum Beispiel indem ganz bewusst schon zu Lebzeiten bestimmte Vermögenswerte an die nächste oder übernächste Generation übertragen werden. Das kann bei größeren Vermögen, die über den Freibetragsgrenzen der Erbschaftssteuer liegen, zudem die steuerliche Belastung erheblich reduzieren. Denn nach dem heute geltenden Recht können zum Beispiel an jedes eigene Kind alle 10 Jahre bis zu 400.000 Euro und an Enkel je 200.000 Euro übertragen werden, ohne dass der Fiskus zugreift.
Wie lässt sich das gestalten, ohne sich arm zu schenken oder jungen Leuten zu viel Geld in die Hand zu geben?
Prestel: Grundsätzlich gilt zwar das Prinzip, geschenkt ist geschenkt. Aber es ist etwa über einen Schenkungsvertrag durchaus möglich, Auflagen oder Rückfallklauseln einzubauen. Eine interessante Option kann hier eine Nießbrauchkonstruktion sein, die viele aus dem Immobilienbereich kennen. Etwa wenn das Haus an die Kinder überschrieben wird, aber die Eltern sich ein lebenslanges Wohnrecht oder Mieteinnahmen vorbehalten. Die Idee dahinter, das Vermögen wird zwar komplett übertragen, aber die Nutzung der Erträge verbleibt beim Schenkenden. Was weniger Leute wissen, das funktioniert zum Beispiel auch bei einem Wertpapierdepot. Das gehört dann zwar bereits den Vermögensnachfolgern, aber Dividenden oder Zinserträge gehen weiter an den ursprünglichen Inhaber. Gut zu wissen: Der Beschenkte kann so ein Nießbrauchdepot auch nicht einfach auflösen und das Geld verprassen.
Welcher Expertenrat ist empfehlenswert, um solche Lösungen zu installieren?
Prestel: Je sauberer und klarer so etwas geregelt ist, desto besser. Ein guter Ansatzpunkt ist dabei eine Bestandsaufnahme der eigenen Gesamtvermögenssituation, um den Spielraum für Schenkungen zu ermitteln, dabei kann ein unabhängiger Vermögensverwalter helfen. Daneben ist die Unterstützung durch einen mit dem Thema vertrauten Steuerberater und die Formulierung eines rechtssicheren Schenkungsvertrags, der essenzielle Rückfallklauseln enthält, durch einen spezialisierten Rechtsanwalt unbedingt empfehlenswert.
Hat so ein Nießbrauch auch Steuervorteile?
Prestel: Das rentiert sich sogar gleich mehrfach, denn einerseits können damit die alle 10 Jahre auflebenden Freibeträge frühzeitig genutzt werden. Außerdem werden wichtige Anlageentscheidungen in der Regel gemeinsam getroffen.So kann die nächste Generation langsam an das Thema herangeführt werden. Zudem wirkt sich der Nießbrauchvorbehalt je nach statistischer Restlebenserwartung des Schenkenden wertmindernd auf das übertragene Vermögen aus. Kurz gesagt, können damit zum Teil deutlich über den Freibetragsgrenzen liegende Vermögen ohne anfallende Erbschaftssteuer übertragen werden.
Wann sollten Erblasser mit dem Verschenken beginnen?
Prestel: Ist die eigene finanzielle Sicherheit gewährleistet, gilt gerade bei größeren Vermögen: Je früher, desto besser. Wer schon in relativ jungen Jahren beginnt, die Freibetragsgrenzen optimal zu nutzen und Nießbrauchkonstruktionen einzusetzen, kann selbst große Beträge ohne Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer übertragen. Ein Beispiel: Ein 50-jähriger Mann kann fast eine Million Euro an jedes seiner Kinder übertragen, wenn er dafür ein Nießbrauchdepot nutzt, das einen angenommenen Ertrag von vier Prozent im Jahr einbringt. Würde er die knappe Million einfach ohne dieses Konstrukt verschenken, würden rund 90.000 Euro Steuern fällig.
Surftipp: Hier finden Sie den V-Check Nießbrauchrechner, mit dem verschiedene Fälle durchgespielt werden können: https://www.hansen-heinrich.de/unsere-vermoegensgestaltung/