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Finanzen

Gold gilt gemeinhin als DAS Kriseninvestment – gilt das immer?

Bossdorf: Historisch war das Edelmetall Gold gerade in unsicheren Zeiten oft sehr gefragt. Das ließ sich zum Beispiel auch wieder in den letzten Wochen im Zuge des Bankenbebens in den USA und der Schweiz beobachten. Wenn die Stimmung sehr schlecht ist, gilt Gold noch immer als Fluchtwährung und sicherer Hafen. Allerdings hat das letzte Jahr gezeigt, als Ukrainekrise, Energieknappheit und Zinswende zusammentrafen, dass das nicht immer funktionieren muss. Für uns ist Gold eine langfristige strategische Absicherung und kein kurzfristiges Spekulationsobjekt. Als Beimischung dient es als Erdung für Depots.

Foto: VBank

Warum ist es keine gute Idee, das komplette Vermögen als Goldschatz im Garten zu vergraben?

Bossdorf: Davon abgesehen, dass ein solcher Schatz relativ einfach gestohlen werden könnte, wirft Gold keine Zinsen oder Dividenden ab und ist als alleinige Anlageform eher nicht geeignet. Wer sein Edelmetall sicher in einem Bankschließfach oder Safe verwahrt, muss zudem die dafür anfallenden Kosten und Versicherungsgebühren einkalkulieren. Außerdem kann der Goldpreis erheblich schwanken: So ordentlich die Entwicklung zum Beispiel in den letzten fünf Jahren war, so überschaubar war die Performance über einen langen Zeitraum davor. Da Gold in Dollar gehandelt wird, hat die Währungsentwicklung für europäische Anleger einen erheblichen Einfluss auf die Rendite, was positiv, aber auch negativ wirken kann. Im Rahmen eines breiten Anlagemix ist Gold eine glänzende Idee als ausgleichende Beimischung, aber wird nicht in jeder Phase die beste Performance liefern.

Wie nutzen Sie als Vermögensverwalterin Gold?

Bossdorf: In unseren Kundenportfolios ist praktisch immer ein Goldanteil von fünf bis zehn Prozent, je nach Marktlage zur langfristigen Stabilisierung enthalten. Wir nutzen dafür meist Xetra-Gold, also mit physischem Gold hinterlegte Wertpapiere.

Sollten auch normale Anleger einen gewissen Prozentsatz Gold im Vermögensmix haben?

Bossdorf: Das kommt natürlich auf die Gesamtverteilung und die Höhe des Vermögens an, aber ein kleiner Goldanteil kann auch bei überschaubarem Erspartem sinnvoll sein. Natürlich wären bei 100.000 Euro Gesamtrücklagen ein Goldanteil in Höhe von 10.000 Euro schon eher viel, aber das ist letztlich auch eine Frage des Anlegertyps und der persönlichen Risikoneigung.

Was hätten Sie lieber im Depot: Gold oder Bitcoins?

Bossdorf: Ganz klar Gold, da es ein physischer Wert mit einer jahrtausendelangen Tradition ist. Kryptowährungen sind noch etwas ganz Neues und niemand kann sagen, ob sie in 20 Jahren noch irgendeinen Wert haben. Das macht Bitcoins und Co. zu etwas ganz anderem als Goldmünzen in einem Bankschließfach.

Gefühlt ist gerade überall Krisenstimmung – ist das wirklich außergewöhnlich?

Bossdorf: Tatsächlich ist die Häufung von Problemfeldern schon eine spezielle Situation, aber grundsätzlich sind Krisen überhaupt nichts Ungewöhnliches. Denken Sie doch nur an die letzten Jahrzehnte, vom Anschlag am 11. September 2001 über die Finanzkrise bis zum Coronaschock. Eine langfristige Anlagestrategie muss solche schwierigen Lagen einkalkulieren. Dazu gehört es auch, hier nicht nur Risiken zu managen, sondern auch die Chancen zu sehen, die sich in diesen turbulenten Zeiten am Markt bieten.

Goldpreis seit 2008 in Euro und Dollar bis heute

Grafkik: Goldpreis seit 2008 in Euro und Dollar bis heute

Chart: Trading View

Glänzendes Investment?
Auf den ersten Blick hat sich ein Goldkauf für heimische Anleger so richtig rentiert: Wer vor 15 Jahren in das Edelmetall einstieg, konnte seinen Einsatz verdoppeln. Was viele aber übersehen: Wer ein paar Jahre später – zum Beispiel erst im Oktober 2012 – kaufte, musste bis zum Jahr 2020 Geduld haben, um in die Gewinnzone zu kommen. Eine lange Zeit ohne jegliche Erträge wie Zinsen oder Dividenden. Zusätzlich hat der Wechselkurs zur amerikanischen Leitwährung für heimische Investoren einen erheblichen Einfluss auf die Rendite, da der Weltmarktpreis von Gold auf Dollarbasis gebildet wird. Ohne diesen Effekt fällt die langfristige Renditebetrachtung erheblich magerer aus.

Autor: Florian Junker