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Finanzen

Wie schnell wird sich die Preisspirale in Zukunft drehen?

Vetter: Die Verbraucher spüren Preiserhöhungen besonders für Energie, Transporte und Verkehr, aber auch in vielen anderen Bereichen. Die Bewertung der Inflationsrate ist aber komplexer, denn die wird immer im Vorjahresvergleich dargestellt. Durch die Coronapandemie rutschte zum Beispiel der Ölpreis 2020 in den Keller und liegt langfristig betrachtet jedoch nur etwas über dem Niveau aus dem Jahr 2019. Statistisch führt das zu einer sehr hohen Preissteigerung, zu der noch Dinge wie eine steigende CO₂-Besteuerung und Lieferkettenschwierigkeiten hinzukommen. Die Inflationsrate wird quasi automatisch sinken, wenn der statistische Sondereffekt wegfällt.

Verschwindet also die Geldentwertung bald wieder von der Tagesordnung?

Vetter: Das Thema Inflation wird uns wohl leider länger beschäftigen, denn es gibt noch andere Hintergründe. Handelskonflikte wie zwischen den USA und China oder die Lieferkettenschwierigkeiten bei kritischen Produkten wie Medikamenten, führen dazu, dass die Globalisierung ein Stück weit zurückgedreht werden wird. Wir haben in den Industriestaaten über Jahrzehnte Arbeitsplätze in Billiglohnländer exportiert. Aber der Lohnvorteil, der für uns etwa Waren aus China so günstig gemacht hat, der schrumpft und lässt bei uns die Preise steigen. Das wird kaum zurückzudrehen sein. Was jetzt auch kein Grund zur Panik ist, aber wir können uns schon darauf einstellen, dass wir in den nächsten Jahren eine Inflationsrate im Bereich von drei bis fünf Prozent sehen werden.

Also einfach den Inflationsklassiker Gold kaufen, um Vermögen zu schützen?

Vetter: Das Edelmetall ist nicht in jedem Fall ein gutes Investment, denn es wirft erst mal nichts ab. Trotzdem kann Gold ein stabilisierendes Element sein, da es gerade in Krisenzeiten oft gefragt ist und einem Anlagemix mit fünf bis zehn Prozent beigemischt werden kann. Denn obwohl der Preis über ein paar Jahre betrachtet zum Teil heftig schwankt, ist es langfristig ein über Jahrtausende funktionierendes Zahlungsmittel. Für eine Unze Gold seit Generationen einen Maßanzug.

Immobilien haftet auch der Ruf an, immun gegen die Geldentwertung zu sein. Stimmt das noch?

Vetter: Das kommt auf den Einzelfall an. In einigen Teilen des Immobilienmarktes sehen wir eine Überhitzung, die sich unter anderem aus den günstigen Kreditzinsen ergibt. Hier steht eine Wende an und es muss genau analysiert werden, ob ein bestimmtes Objekt als Investment noch Sinn ergibt. Bei Gewerbeimmobilien braucht es zum Beispiel nach der Pandemiebelastung Unternehmen, die sich ein steigendes Mietniveau leisten können. Es könnte in vielen Fällen schwierig werden, hier auskömmliche reale Renditen zu erwirtschaften. Bei einem selbst genutzten Einfamilienhaus steht dagegen oft nicht der Inflationsschutz oder die Rendite im Vordergrund, sondern der persönliche Luxus der eigenen vier Wände.

Helfen Aktien, Vermögen wertstabil anzulegen?

Vetter: Tatsächlich ist die Aktie ein Sachwert, denn Käufer erwerben einen Anteil an einem Unternehmen. Der hat einen ganz realen Gegenwert, etwa die Firmengebäude oder die Maschinen, aber auch ideelle Dinge, wie etwa Patente oder die Erfahrung mit einem ertragreichen Geschäftsmodell. Insofern sind sie ein guter Inflationsschutz, allerdings kann ein steigendes Preisniveau dazu führen, dass die Gewinnmargen in umkämpften Märkten schrumpfen. In einem inflationären Umfeld sind deswegen Geschäftsmodelle besonders interessant, die eine Preissetzungsmacht mit sich bringen, die zum Beispiel globale Marktführer oder starke Marken haben. Ein Hinweis darauf kann eine stabile Dividendenrendite sein, also eine regelmäßige Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionäre.

Sind festverzinsliche Papiere momentan überhaupt eine sinnvolle Option für Anleger?

Vetter: Rein vom realen Zinsertrag betrachtet sind sichere Staatsanleihen derzeit kein optimales Investment und bei Unternehmenspapieren gilt es, wie bei Aktien, auf das Geschäftsmodell zu achten. In Portfolios, die darauf ausgelegt sind, Schwankungen möglichst zu vermeiden, setzen wir als Vermögensverwalter zum Beispiel inflationsgesicherte Anleihen ein. Sie gleichen die Geldentwertung automatisch aus. Damit sind keine hohen Renditen zu erzielen, aber sie versprechen zumindest eine weitgehende Kompensation des Kaufkraftverlusts.

Manche sagen bereits das Ende der klassischen Bezahlsysteme voraus und setzen auf Kryptowährungen als Alternative. Eine gute Idee?

Vetter: Die Grundidee, dass hier etwas Neues entsteht, was jenseits der staatlich kontrollierten Währungen eine Alternative bietet, klingt gut. Aber Vorsicht, wer denkt, hier eine Goldalternative vor sich zu haben, könnte weit daneben liegen. Während das Edelmetall seit tausenden von Jahren als wertstabile Tauschwährung dient, sind Bitcoin und Co. noch sehr neu. Die weitere Entwicklung ist schwer vorhersehbar. Genau genommen haben Kryptowährungen keinen inneren Wert und der Preis bestimmt sich allein durch Angebot und Nachfrage. Wer hier investiert, muss starke Schwankungen bis zum Totalverlust einkalkulieren.

Bankeinlagen, wie Sparbücher oder Tagesgeldkonten, bringen praktisch keine Zinsen mehr, also am besten Finger weg?

Vetter: Als langfristige Geldanlage sind Bankeinlagen derzeit nicht geeignet. Aber bevor jemand über ein Investment nachdenkt, sollte er eine Reserve für sechs bis zwölf Monate aufbauen. Gerade die Coronapandemie hat wieder gezeigt, wie wichtig es sein kann, ein Polster zu haben, wenn zum Beispiel plötzlich Einnahmen wegbrechen. Hier ist Sicherheit und Verfügbarkeit wichtiger als Rendite und Inflationsausgleich. So eine eiserne Reserve sollte jeder auf dem Konto haben.

So gut schützen verschiedene Anlageklassen vor Inflation

Anlageklasse Bewertung in Punkten
1=kaum Inflationsschutz/
5=gute Chance auf Wertstabilität
Kurzbegründung
Quelle: BV & P Vermögen AG aus Kempten
Gold ••• Lange Tradition als Inflationsschutz, aber keine laufenden Erträge und kann sensibel auf Zinserhöhungen reagieren.
Immobilien •••• Insbesondere Top-Objekte in gefragten Lagen bieten gute Aussichten. Bei einem Zinsanstieg könnte das Preisniveau mancherorts aber auch sinken.
Aktiendepot •••• Unternehmensanteile sind Sachwerte, die vor allem bei Geschäftsmodellen mit Preissetzungsmacht gute Ergebnisse bringen.
Unternehmensanleihen Fehlende reale Ertragsperspektive, allerdings gibt es Ausnahmen.
Staatsanleihen Je sicherer, desto geringer der Zins, um steigende Preise auszugleichen. Inflationsgesicherte Papiere können aber Portfolios stabilisieren.
Bankeinlagen
(Sparbuch, Tagesgeld, etc.)
Unter dem Strich kaum Ausgleich der Geldentwertung, aber als schnell verfügbarer Notgroschenparkplatz sinnvoll.
Kryptowährungen Stark spekulatives Investment, das nur wenig mit Inflationsschutz zu tun hat.

Grafik Abgebremste Inflation

Grafik: V-Check, Quelle: Deutsche Bundesbank (Dez. 2021), Basis HVPI
Link: Perspektiven der deutschen Wirtschaft für die Jahre 2022 bis 2024 (bundesbank.de) S.35