Nießbrauchdepot einrichten: Vermögensnachfolge optimieren in 6 Schritten
A&W RedaktionWer Erspartes an die nächste Generation weitergeben möchte, will oft nicht nur Steuern sparen. Dafür kann es Sinn machen, Wertpapiere bereits zu Lebzeiten an Kinder zu übertragen, sich aber die Nutzung der Erträge vorzubehalten. Das kann helfen, Finanzkompetenz aufzubauen und Freibeträge noch besser zu nutzen. Wie funktioniert ein Nießbrauchdepot?
Wer möchte schon auf mühsam aufgebautes Vermögen noch mal Steuern zahlen, wenn es ans Thema Vererben geht? Es gelten zwar hohe Freibeträge, zum Beispiel für eigene Kinder von 400.000 €. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge liegt jedoch inzwischen jede 50. Erbschaft über einer Million Euro. Das Thema Optimierung von Schenkungen und Erbschaften betrifft damit gar nicht wenige. „Hierbei ist das Nießbrauchdepot eine interessante Variante“, sagt Ottmar Wolf, Vorstand bei der FAM Frankfurt Asset Management AG. „Es ist dadurch möglich, den persönlichen Freibetrag für Schenkungen quasi zu hebeln. Das heißt, es kann eine größere Summe verschenkt werden ohne dass eine Steuerlast entsteht.“
Wenn zum Beispiel ein 40-jähriger Vater so Vermögen an seine Tochter weitergibt, kann er unter gewissen Voraussetzungen (siehe Grafik) fast drei Millionen Euro bis zu seinem 83. Geburtstag steuerfrei übertragen. Und das, obwohl die Freibeträge, die aktuell noch alle zehn Jahre erneut genutzt werden können, in Summe eigentlich nur bei zwei Millionen Euro liegen. Nießbrauch bei Immobilien kennen noch die meisten. Wie funktioniert das allerdings bei einem Wertpapierdepot? Was gilt es da zu beachten?
1. Nachfolgewünsche und Finanzsituation klären
„Immer nur das schenken, was man mit Sicherheit selbst nicht mehr braucht“, rät FAM-Finanzfachmann Ottmar Wolf. Hier gilt es, langfristig tragfähige Entscheidungen zu treffen, im Idealfall gemeinsam mit allen Betroffenen. Dabei sollte die eigene finanzielle Sicherheit im Alter nicht gefährdet sein. Es ist ganz entscheidend, alles im Blick zu haben – von eventuell bestehenden Rentenansprüchen über einen möglichst lückenlosen Versicherungsschutz bis zu Immobilieneigentum und Ersparnissen.
2. Rat von Fachleuten zum Nießbrauchdepot einholen
Schon bei der Finanzanalyse ist es ratsam, Experten wie einen unabhängigen Vermögensverwalter hinzuziehen. So lässt sich der Spielraum für eine langfristige Vermögensnachfolgeplanung verlässlich bestimmen. Werden hier Summen erreicht, die bei Schenkungen zu Steuerzahlungen führen könnten, sollte unbedingt ein versierter Steuerberater mit ins Boot geholt werden. Er kann berechnen, ob ein Nießbrauchdepot ein gutes Instrument ist, um in diesem individuellen Fall Vermögen steuergünstig zu übertragen. Gut zu wissen: Bei den meisten Schenkungen außerhalb der engeren Familie liegt der Freibetrag gerade einmal bei 20.000 €. Nießbrauch ist also nicht unbedingt nur ein Thema für Millionäre.
3. Nießbrauchfähiges Depot finden und einrichten
Die Idee des Nießbrauchdepots ist an sich simpel: Der Schenkende überträgt Wertpapiere, behält sich jedoch die Nutzung von etwa Dividenden oder Zinsen zu Lebzeiten vor. Allerdings gibt es nur wenige Anbieter, bei denen Aktien und Co. in dieser Form übertragen werden können. „Nicht jede Bank bietet die Möglichkeit, dass Wertpapiere einem neuen Inhaber geschenkt werden, aber die Erträge weiter dem Schenker zugerechnet werden“, sagt René Niemann, Leiter der Vermögensnachfolge bei der V-Bank. Es kann somit notwendig sein, erst ein neues Depot bei einem Spezialanbieter einzurichten, wie diesem Münchner Institut, das sich ganz auf Vermögensverwalterkunden fokussiert.
4. Schenkungsvertrag wasserdicht aufsetzen
Im Prinzip würde es rechtlich ausreichen, Wertpapiere in ein solches Depot einfach zu übertragen, was aber durchaus zu Problemen führen kann. „Ein professionell formulierter Schenkungsvertrag ist absolut empfehlenswert“, rät Rechtsanwalt Dr. Jasper von Hoerner von der LKC Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Niederlassung Gmund am Tegernsee. Der Vertrag sollte klare Regelungen für die zukünftige Verwaltung des Depots und Optionen für gewisse Notfälle enthalten (s. Servicekasten). Was passiert zum Beispiel, wenn der Beschenkte vorzeitig verstirbt oder der Schenker verarmt? Solche Notfallsituationen mitzudenken und Rückfallklauseln zu formulieren, die aber nicht die Anerkennung durch das Finanzamt gefährden, ist nichts für Laien. „An einem versierten Rechtsanwalt, der hier beim Aufsetzen hilft, sollte auf keinen Fall gespart werden“, rät auch Experte René Niemann. Der Gang zu einem Notar ist dagegen bei einem Nießbrauchdepot – anders als beim Immobilienpendant – nicht zwingend nötig.
5. Schenkung vollziehen und dem Finanzamt melden
Ist der Vertrag unterschrieben, muss das Finanzamt informiert werden. Denn grundsätzlich sind Schenkungen von beiden Seiten innerhalb von drei Monaten nach Vollzug zu melden. Damit der Nießbrauchvorbehalt korrekt angerechnet werden kann, wird in der Regel der Schenkungsvertrag mit nachvollziehbarer Ertragsprognose eingereicht. Welchen Wertminderungseffekt der Nießbrauch hat, hängt maßgeblich von der verbleibenden statistischen Lebenserwartung des Schenkenden ab. Je nach Alter sind zudem Mindestlaufzeiten gesetzlich festgelegt. Der Schenkende muss nach der Übertragung noch ein paar Jahre den Nießbrauch nutzen, damit dieser voll wirksam wird. Nießbrauchmodelle sind deswegen eher für die langfristige Planung als für Last-Minute Entscheidungen geeignet.
6. Regelmäßig die Struktur des Vermögens prüfen
Die Struktur des Vermögens sollte von Zeit zu Zeit angepasst werden, um sowohl den Vermögenswert für den Beschenkten als auch den Nießbrauch des Schenkenden zu sichern. Dies kann eine optimale Gelegenheit sein, die nachfolgende Generation an das Thema langfristige strategische Kapitalanlage heranzuführen. Das ist vielen Schenkenden bei Nießbrauchdepots oft mindestens so wichtig wie der Steuerspareffekt.
Schenkungsvertrag |
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Was ein Schenkungsvertrag enthalten sollte, erklärt Rechtsanwalt Dr. Jasper von Hoerner von der LKC Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Niederlassung Gmund am Tegernsee:Im Prinzip kann ein Nießbrauchdepot auch ohne schriftlichen Vertrag eingerichtet werden, durch die faktische Übertragung des Depots bei der Bank. Aber es macht Sinn, die Schenkung schriftlich, detailliert und für alle verbindlich zu regeln. „So ein Vertrag sollte zum Beispiel enthalten, für welche Erträge genau der Nießbrauch vorbehalten wird“, rät Rechtsanwalt von Hoerner. Der Beschenkte wird zwar mit Vollzug der Schenkung voller Eigentümer der übertragenen Wertpapiere. Der Schenkende kann aber über den Nießbrauchvorbehalt weiter Einfluss auf die Depotverwaltung nehmen. „Salopp gesagt kann er damit auch verhindern, dass einfach alles in riskante Optionsgeschäfte gesteckt oder liquidiert und in schnelle Autos investiert wird“, erklärt von Hoerner. Allerdings sollte dem neuen Eigentümer ein Mitspracherecht etwa bei der Auswahl eines passenden Vermögensverwalters oder der Ausübung von Stimmrechten an Aktien eingeräumt werden. Zusätzlich hat es sich aus Sicht des Schenkenden bewährt, Widerrufsrechte zu verankern und dies auch über die bereits im BGB bestehenden Widerrufsmöglichkeiten hinaus. Wenn zum Beispiel eine Privatinsolvenz des Beschenkten droht oder dieser vor dem Schenkenden verstirbt, kann über einen Widerruf das Vermögen in der „Ursprungs-Familie“ gehalten werden. Hier können auch noch andere Schreckens-Szenarien abgesichert werden, etwa bei einer offensichtlichen Spielsucht oder der schädlichen Mitgliedschaft des Beschenkten in einer gierigen Sekte. „Das hat aber Grenzen, wenn es in die Richtung eines freien Widerrufsrechts geht“, warnt der Fachmann. „Der Schenkende kann seine Schenkung nicht einfach zurücknehmen, weil er es sich nun anders überlegt hat.“ Ein solch weites Widerrufsrecht könnte insbesondere in Kombination mit dem vorbehaltenen Nießbrauch dazu führen, dass die Schenkung insgesamt nicht anerkannt wird. Solche Verträge für Nießbrauchdepots sind kein Standardprodukt, sondern etwas für Experten: „Es ist sehr empfehlenswert, sich hier versierten Rat zu holen, um spätere Probleme beim Finanzamt oder zwischen Schenkendem und Beschenktem von Anfang an zu vermeiden“, rät Dr. Jasper von Hoerner. |
Checkliste Nießbrauchdepot |
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Wer Freibeträge und Nießbrauch früh nutzt, kann Millionen steuerfrei übertragen
Selbst bei einem moderat angesetzten Ertrag von 2,5 Prozent jährlich kann beispielsweise ein Vater an seine Tochter per Nießbrauchdepot fast drei Millionen Euro übergeben. Und zwar ohne dass Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer fällig werden. Voraussetzung: Er fängt damit schon mit 40 Jahren an und feiert nach seinem 80. noch mindestens drei Geburtstage.
Interview: „Nießbrauch mit Weitsicht nutzen und nicht zu lange warten“
René Niemann, Leiter der Vermögensnachfolge bei der Münchner V-Bank, erklärt, worauf es beim Einsatz von Nießbrauchdepots ankommt. Und für wen so etwa interessant sein kann.
Für wen eignet sich ein Nießbrauchdepot?
Niemann: Wer über einen langfristig geplanten Übergang von Vermögen nachdenkt, der sollte die Möglichkeit eines Nießbrauchvorbehaltes an Wertpapieren kennen. Bei Immobilien haben das noch Viele als Option im Kopf, bei Aktien und Co. erwägen das nur wenige. Dabei ist es eine Konstruktion, die viele Vorteile bietet, sowohl steuerlich als auch strategisch.
Was ist der erste Schritt, um ein Nießbrauchdepot einzurichten?
Niemann: Es ist wichtig, zunächst die eigene Vermögensnachfolge im Gesamtkontext zu betrachten und hier Klarheit zu gewinnen. Dazu gehört es, eine tragfähige Altersvorsorgelösung aufzubauen, die einen angenehmen Lebensabend mit hoher finanzieller Sicherheit gewährleistet. Sind diese Dinge geklärt, kann festgelegt werden, wer, wann und wie bedacht oder eben auch bewusst nicht berücksichtigt werden soll. Hier können dann verschiedene Nießbrauchmodelle neben anderen Optionen ein sehr vorteilhaftes Instrument sein, solche Vorstellungen mit strategischer Weitsicht umzusetzen.
Was ist der größte Fehler auf dem Weg zum Nießbrauchdepot?
Niemann: Sich keine kompetente Hilfe zu suchen. Damit ein Nießbrauchdepot seine optimale Wirkung entfaltet, sollten erfahrene Fachleute zu Rate gezogen werden. Zum Beispiel ein Vermögensverwalter, der die finanzielle Gesamtsituation im Ganzen bewerten und eine anerkannte Prognose zum Jahreswert geben kann. Dazu gehört auch die Hilfe eines Steuerberaters, der so etwas nicht zum ersten Mal macht. Nur mit der richtigen Beratung kann ein Nießbrauchdepot optimal zu einer effektiven und tragfähigen Lösung beitragen, das gilt auch für das Thema Schenkungsvertrag.
Ist denn ein schriftlicher Schenkungsvertrag unbedingt nötig?
Niemann: Meiner Meinung nach ist er sogar essenziell. Denn ein sauber formulierter Schenkungsvertrag hilft nicht nur bei der Meldung an das Finanzamt. Er gewährleistet, dass die Ziele und die Sicherheit des Schenkenden gewahrt bleiben. Hier lässt sich zum Beispiel regeln, dass die Verwaltung des Vermögens gemeinschaftlich erfolgt. So etwas rechtssicher zu formulieren, ist eine Aufgabe für einen Rechtsanwalt, dessen Rat Schenkende unbedingt einholen sollten.
Ab welchem Vermögen macht ein Nießbrauchdepot überhaupt Sinn?
Niemann: Es ist zwar grundsätzlich eher ein Modell für größere Summen, die über den Schenkungsfreibeträgen liegen. Pauschal lässt sich das trotzdem nicht beantworten. Denn es gibt Konstellationen, bei denen kein hoher persönlicher Freibetrag vorliegt oder der steuerfreie Schenkungsspielraum bereits ausgereizt wurde. Auch hier können Nießbrauchmodelle eine vorteilhafte Option sein.
In welchem Lebensalter sollte ein Übertrag erwogen werden?
Niemann: Nießbrauchdepots sind kein sinnvolles Instrument, um Vermögen erst am Sterbebett zu übertragen. Denn der Nießbrauch verbraucht sich vollumfänglich erst nach einer altersabhängigen Mindestdauer. Im Prinzip gilt, je eher, desto besser. Denn die Höhe des Kapitalwertes des Nießbrauchs, der dem Finanzamt angezeigt wird, ist abhängig von der statistischen Lebenserwartung des Schenkenden.
Sind Nießbrauchdepots nur ein Steuersparmodell?
Niemann: Nein, denn durch den Vorbehalt eines Nießbrauchs können die Vermögensnachfolger behutsam an das Thema Finanzplanung herangeführt werden. In der Regel erfolgt die Verwaltung gemeinschaftlich mit Hilfe von oft langjährig vertrauten Experten. Auf diese Weise kann sich die Finanzkompetenz langsam entwickeln. Meist steht dabei langfristige Vermögensstabilität und Ertragssicherheit im Vordergrund. Das alles erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Kapital auch nach dem Ableben des Schenkenden diesem Beispiel folgend angelegt wird und nicht in kurzfristigen Konsum oder in riskante Geschäfte fließt.
Autor: Florian Junker