IGeL-Monitor: SpiFa wehrt sich gegen „mediale Generalverurteilung“ von IGeL-Leistungen
A&W RedaktionMehr als eine Milliarde Euro geben die Deutschen jedes Jahr für IGeL-Leistungen aus. Die Angebote kommen aber nicht überall gut an: Der IGeL-Monitor bewertet fast alle negativ. Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands kritisiert nun die „sich regelmäßig wiederholenden Negativ-Kampagnen der gesetzlichen Krankenkassen“.
Umfragen zufolge bekommt in Deutschland schon jeder zweite Versicherte beim Praxisbesuch Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Der dazugehörige Umsatz hat die Milliardengrenze bereits geknackt. Der IGeL-Monitor der gesetzlichen Krankenkassen nimmt die Selbstzahlerleistungen allerdings immer wieder kritisch unter die Lupe.
Werden Patienten in Bezug auf IGeL unter Druck gesetzt?
In der neuesten Veröffentlichung stehen Deutschlands Augenärzte in der Kritik: Ihnen wird zum Teil aggressives Praxismarketing vorgeworfen. Zudem würden sie sich “häufig nicht an die anerkannten Regeln” für den Verkauf von IGeL halten. “Selbst vulnerable Patientengruppen wie ältere Menschen, Patienten mit wenig Geld und Versicherte in ländlichen Regionen mit wenig Praxisangebot fühlen sich unter Druck gesetzt“, so Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. „Daher appellieren wir an die Ärzteschaft, sich an die anerkannten Regeln zu halten und zu einem seriösen Umgang mit IGeL zurückzukehren.“
Das Angebot und die Durchführung einer Kassenleistung darf nicht vom Kauf einer Selbstzahlerleistung abhängig gemacht werden. Es ist auch nicht zulässig, Druck auf Patientinnen und Patienten auszuüben. Sie sind über Nutzen und Schaden aufzuklären und eine schriftliche Vereinbarung über Leistung und Kosten ist Pflicht. „Die Zuschriften an den IGeL-Monitor belegen, dass die Regeln in der Praxis nicht immer befolgt werden und dass sich viele Versicherte dadurch verunsichert fühlen. Es ist nicht in Ordnung, wenn nicht sorgfältig über Schaden und Nutzen aufgeklärt wird“, sagt Dr. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist und Projektleiter des IGeL-Monitors.
Fachärzte wehren sich gegen Verurteilung
Vorwürfe, die die Ärzteschaft so sicher nicht auf sich sitzen lassen will. Dazu erklärt der Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschland (SpiFa), Lars F. Lindemann: „Nach dem Motto „Und jährlich grüßt das Murmeltier“ machen die gesetzlichen Krankenkassen mit dem veröffentlichten Monitor pauschal ärztliche Leistungen verächtlich und verunsichern damit die Patienten. Mit der immer wiederkehrenden Kritik der Krankenkassen werden so nicht nur Verlangensleistungen, sondern auch medizinisch notwendige Leistungen diskreditiert, die schon längst in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen hätten aufgenommen werden müssen.“
Für die Fachärzte in Deutschland sei eine verantwortungsvolle Aufklärung in jedem individuellen Fall am Wohl des Patienten orientiert selbstverständlich. „Mit dem Monitor geht es auch nicht um den Schutz des Patienten, sondern in erster Linie um das Unterdrücken der Erkenntnis in der Öffentlichkeit, dass WANZ (wirtschaftlich ausreichend notwendig und zweckmäßig) eben nicht alles ist.”
Wenn sich aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient eine auf das Wohl des Patienten ausgerichtete Übereinstimmung beider Seiten ergebe, dass eine Leistung außerhalb des abgeschlossenen Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen für den Patienten hilfreich ist, dann sei eine Entscheidung für eine solche Leistung in erster Linie Ausdruck der individuellen Freiheit des mündigen Patienten.
“Wir sollten dem mündigen Patienten zutrauen, selbst zu entscheiden, ob er eine von seinem Arzt als medizinisch sinnvoll empfohlene Leistung in Anspruch nehmen und zusätzlich bezahlen möchte. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist ein hohes Gut und sollte nicht mit solch generalisierenden Aussagen beschädigt werden.“ so Lindemann weiter.
Das bewertet der IGeL-Monitor
Der IGeL-Monitor stellt auf seinem Informationsportal 51 Bewertungen und 4 Beschreibungen zur Verfügung. Das Wissenschaftlerteam bewertet 4 IGeL als „negativ“ – das heißt der Schaden ist angeblich deutlich größer als der Nutzen. Das gilt zum Beispiel für den Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. 22 IGeL werden als „tendenziell negativ“ eingestuft. Auch hier soll der zu erwartende Schaden damit größer als der Nutzen sein. Das IGeL-Monitor-Team bewertet aktuell nur 2 IGeL mit „tendenziell positiv“, weil der zu erwartende Nutzen größer als das Schadenspotenzial ist – das trifft zum Beispiel auf die Akupunktur zur Migräneprophylaxe zu. Keine einzige IGeL wurde bislang mit „positiv“ bewertet.