Hausärztliche, fachärztliche und leistungsbezogene Honorartöpfe in der vertragsärztlichen Versorgung
Dr. jur. Alex JanzenDie Trennung in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung und Vergütung gehört zu zentralen Regelungsbereichen im Leistungs- und Vergütungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V). Rechtsanwalt Dr. Alex Janzen fasst zusammen, was Ärzte darüber wissen sollten.
I. Gesetzliche Trennung der vertragsärztlichen Vergütung
Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die vereinbarten Gesamtvergütungen getrennt für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung. Während ursprünglich die Bewertungsausschüsse die Leistungserbringer auf diese beiden großen Leistungsbereiche aufgeteilt haben, ist jetzt explizit gesetzlich festgelegt, welche Leistungserbringer an der hausärztlichen und welche an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen haben.
1. Hausärztliche und fachärztliche Versorgung und Vergütung
An der hausärztlichen Versorgung nehmen gemäß 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V nur folgende Leistungserbringer teil, die demzufolge nach § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V auch nur den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütung beanspruchen können:
„1. Allgemeinärzte,
2. Kinder- und Jugendärzte,
3. Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4. Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5. Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben, (Hausärzte)“.
Der Katalog der Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Gesamtvergütung teilnehmen, ist abschließend. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V erbringen die übrigen Fachärzte fachärztliche Versorgung und nehmen deshalb nur an der fachärztlichen Gesamtvergütung teil. Eine Vermischung der hausärztlichen und fachärztlichen Vergütung ist nach dem Bundessozialgericht generell unzulässig, sofern das Gesetz hiervon nicht ausdrücklich Ausnahmen zulässt.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 6 SGB V können Allgemeinärzte und Ärzte ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, nach Genehmigung des Zulassungsausschusses sich für fachärztliche Versorgung und Vergütung entscheiden.
2. Trennung der hausärztlichen und fachärztlichen Gesamtvergütungen
Die strikte Trennung zwischen der hausärztlichen und fachärztlichen Vergütung wird durch § 87b Abs. 1 Satz 1 HS 2 SGB V gewährleistet: danach „sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern“.
Der Gesetzgeber verzichtete allerdings darauf, die vorgegebene Trennung zwischen dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen als eine Muss-Vorschrift auszugestalten. Stattdessen gab er diese Trennung als eine Soll-Bestimmung vor. Hieraus ergibt sich, dass die beiden Bereiche der vertragsärztlichen Leistungen im Regelfall die Gesamtvergütungen des jeweils anderen Bereichs zwar nicht mindern dürfen, in Ausnahmefällen eine solche Minderung jedoch nach § 87b Abs. 1 Satz 1 HS 2 SGB V zulässig sein kann.
3. Sonderfall Vergütung von Kinder- und Jugendärzten mit Schwerpunktbezeichnung
Nach § 73 Abs. 1 Satz 5 SGB V „können Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen“. Nach der Gesetzesbegründung meint das Gesetz hier eine kumulative Teilnahme von Kinder- und Jugendärzten mit Schwerpunktbezeichnung sowohl an der hausärztlichen als auch an der fachärztlichen Versorgung. Eine Genehmigung der kumulativen Teilnahme an beiden Versorgungsbereichen durch den Zulassungsausschuss oder durch Kassenärztliche Vereinigung ist hierfür nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich.
Das BSG hat die kumulative Teilnahme von Kinder- und Jugendärzten mit Schwerpunktbezeichnung an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung sowie die damit korrespondierende Teilnahme an der hausärztlichen und der fachärztlichen Gesamtvergütung bestätigt (siehe etwa das BSG-Urteil vom 10.12.2014, B 6 KA 49/13 R, juris). Unabdingbar für die kumulative Teilnahme an der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung und Gesamtvergütung ist das Führen einer gültigen Schwerpunktbezeichnung durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin. Als solche Schwerpunktbezeichnungen kommen in Betracht:
- Kinder-Hämatologie und -Onkologie,
- Kinder-Kardiologie,
- Neonatologie,
- Neuropädiatrie.
4. Sonderfall befristete kumulative Versorgung und Vergütung
Gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V kann der Zulassungsausschuss für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung befristet eine kumulative Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zulassen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist.
Die befristete und zulassungspflichtige kumulative Teilnahme der Kinder- und Jugendärzte an der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V ist strikt von der kumulativen Versorgung von Kinder- und Jugendärzten mit Schwerpunktbezeichnung nach § 73 Abs. 1 Satz 5 SGB V zu trennen: während die befristete und erlaubnispflichtige Zulassung Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin betrifft, die keine Schwerpunktbezeichnung führen, ist die unbefristete und nicht zulassungspflichtige Teilnahme an der kumulativen Versorgung nur für Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunktbezeichnung möglich.
Stellt der Landesausschuss nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V fest, dass in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks eine Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit bevorsteht, ist der Landesausschuss nach § 73 Abs. 1a Satz 4 SGB V verpflichtet, innerhalb von 6 Monaten nach Feststellung der Unterversorgung einen Beschluss zu fassen, ob für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine befristete Zulassung zur kumulativen Versorgung nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V getroffen wird.
II. Weitere besondere Honorartöpfe für Ärzte
1. Leistungsbezogene Honorartöpfe
Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht verpflichtet, die Gesamtvergütung ausschließlich auf die hausärztliche und fachärztliche Versorgung zu verteilen. Zulässig ist auch die Bildung gesonderter leistungsbezogener Honorartöpfe, da Art und Umfang vertragsärztlicher Leistungen als eine Ausprägung der Vergütung nach Leistungsfähigkeit der Bildung solcher Honorartöpfe nicht entgegenstehen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen bilden häufig leistungsbezogene Honorartöpfe für folgende vertragsärztliche Leistungen:
- Kostenpauschalen nach Kap. 40 EBM,
- Förderung akuter Behandlungsfälle,
- Leistungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus,
- eigenerbrachte Laborleistungen nach Abschn. 32.2, 32.3 EBM,
- Leistungen nach Kap. 19 EBM,
- Leistungen für sonstige Hilfen nach Abschn. 1.7.5 bis 1.7.7 EBM,
- Langzeit-EKG-Auswertungen als Auftragsleistung,
- Haus- und Heimbesuche,
- konservative Augenheilkunde,
- Hilfeleistungen von Praxismitarbeitern nach Abschn. 38.2 EBM,
- eigenerbrachte Laborleistungen nach Abschn. 32.2 und 32.3 EBM,
- strahlentherapeutische Leistungen,
- Laborgrundpauschalen etc.
2. Vergütungen für Notfall und Notdienst
Gemäß § 87b Abs. 1 Satz 3 SGB V werden Leistungen im Notfall und im Notdienst aus einem gesonderten Honorarvolumen vergütet, das noch vor der Trennung der Gesamtvergütung in die Versorgungsbereiche gebildet wird. Ein Notfall wird nur angenommen, wenn objektiv eine dringende Behandlungsbedürftigkeit vorliegt und ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Leistungserbringer nicht erreichbar ist bzw. nicht in Anspruch genommen werden kann. Wann eine dringende Bedürftigkeit vorliegt, kann verlässlich nur in einem konkreten Einzelfall bestimmt werden. Es besteht jedoch eine Übereinstimmung dahingehend, dass eine dringende Behandlungsbedürftigkeit jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn eine sofortige Behandlung wegen Gefahr für Leib und Leben erforderlich ist oder Schmerzen gelindert werden müssen, die ohne eine sofortige Behandlung zu lange dauern würden.
Wird eine Notfallbehandlung durch einen an der vertragsärztlichen Versorgung nicht teilnehmenden Arzt vorgenommen, steht diesem ein Vergütungsanspruch gegen die zuständige Kassenärztliche Vereinigung bzw. bei ambulanten Krankenhausleistungen nach § 120 SGB V gegen die Krankenkasse zu. § 87b Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt explizit, dass für Leistungen im Notfall und im Notdienst im Honorarverteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars aufgenommen werden dürfen.