Wenn der Staat mehr investiert: So profitieren Sie als Anleger
A&W RedaktionDie Notenbanken stoßen so langsam ans Ende ihres Zins-Lateins. Immer mehr Ökonomen und Politiker fordern daher massive öffentliche Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Greift Vater Staat stärker ein, dürfte es an den Börsen turbulent werden. Hier erfahren Sie, welche Anlageklassen von höheren Staatsausgaben profitieren und welche darunter leiden werden. Wer die Folgen für die Finanzmärkte kennt, kann den Erfolg der eigenen Geldanlage besser steuern.
Vor acht Jahren haben die Notenbanken die Weltwirtschaft mit beherzten Zinssenkungen und massiven Geldspritzen vor dem Abgrund bewahrt. Doch in jüngster Zeit mehren sich Stimmen, die fordern, die extrem lockere Geldpolitik zu beenden. Grund: Das Ziel der Notenbanken, Konsum und Investitionen anzukurbeln, wurde durch Negativzinsen und Anleihekäufe nicht erreicht. Stattdessen wird immer klarer: Die Menschen müssen wegen niedriger Zinsen mehr Geld für größere Anschaffungen und ihre Altersvorsorge zurücklegen. Dasselbe Problem trifft Versicherer und Pensionskassen. Und die Banken, die mehr Kredite vergeben sollten, stöhnen unter den Strafzinsen, was sich negativ auf Kreditvergabe und Wachstum auswirkt.
Infrastruktur – politisch „ein echter Renner“
Vor diesem Hintergrund fordern Ökonomen wie der frühere Weltbank-Präsident Larry Summers zunehmend eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft. „Politiker, die Handlungsfähigkeit demonstrieren wollen, greifen solche Vorschläge gerne auf“, sagt Heiko Löschen von der Vermögensverwaltung Mademann & Kollegen in Hamburg. So hat Hillary Clinton versprochen, im Fall ihrer Wahl zur US-Präsidentin in den kommenden fünf Jahren 250 Milliarden Dollar in die Infrastruktur zu investieren. Und Donald Trump will, gewohnt großspurig, doppelt so viel in Straßen und Brücken pumpen wie seine Widersacherin. Auch Europa könnte bald stärker auf die Staats-Karte setzen, weil 2017 in den Kernländern Deutschland und Frankreich gewählt wird.
Sinnvoll und günstig zu finanzieren
An guten Argumenten für eine aggressivere Fiskalpolitik fehlt es nicht. „Die Infrastruktur in vielen Ländern ist relativ alt – entsprechende Staatsausgaben erscheinen daher notwendig und sinnvoll“, sagt Sven Scherner von Honoris Treuhand in Berlin. Zudem sind die Zinsen dank der Notenbanken sehr niedrig, wodurch die Kosten solcher Projekte ungewöhnlich gering ausfielen. Ein massiver Eingriff des Staates in die Wirtschaft dürfte jedoch Folgen haben, auf die die Finanzmärkte als erste reagieren. Konkret: „Spürbar höhere Staatsausgaben könnten die Inflationserwartungen und damit die Zinsen nach oben treiben“, so Scherner.
Profiteure der Staatsausgaben
Die Devise lautet dann: „Weg von den Gewinnern der Geldvermehrung; hin zu den Profiteuren der steigenden Staatsausgaben“, erklärt Löschen. Qualitätsaktien aus den Bereichen Basiskonsum und Gesundheit sowie Dividendenperlen, die als Anleiheersatz gehalten werden, dürften dann ebenso an Terrain verlieren wie langfristige Staatsanleihen, da alle diese Anlageklassen bei steigenden Zinsen unattraktiver werden. Auf der Gewinnerseite stehen voraussichtlich Zykliker wie Bergbau, Kapitalgüter und Bauunternehmen. In den USA könnten auch Banken und Finanzdienstleister profitieren, da ihr Ertragspotenzial mit höheren Zinsen wachse, so der Hamburger Vermögensverwalter. Last but not least sollten inflationsgeschützte Anleihen die Anleger vor Kaufkraftverlusten bewahren; der Goldpreis könnte ebenfalls steigen.
An den Börsen dürfte diese sogenannte Reflationierung der Wirtschaft kaum harmonisch verlaufen. Der Grund: Derzeit gehen die Märkte von dauerhaft niedrigen Inflationsraten aus (Interview). Fragt aber der Staat mehr Kapital für Investitionen nach und treibt so Inflation und Zinsen an, würden viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Bank of America Merrill Lynch erwartet daher zuerst einen Kursrückgang auf breiter Front, bevor sich die neuen Favoriten durchsetzen.
Name | Fondstyp | ISIN | Gebühren | Wertent. (3 J.) |
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SPDR Multi Asset Global Infra. (Aktien/Anleihen) | Indexfonds | E00BQWJFQ70 | 0,40 % | —* |
Easy NMX 30 Global Infrastructure (Aktien) | Indexfonds | LU0315440411 | 0,50 % | 19,10 % |
iShares Global Infrastructure (Aktien) | Indexfonds | IE00B1FZS467 | 0,65 % | 33,13 % |
Morgan Stanley Global Infrastructure (Aktien) | aktives Man. | LU0384381660 | 1,50 % | 8,87 % |
UBS Equity Fund Infrastructure (Aktien) | aktives Man. | LU0366711900 | 2,04 % | 31,78 % |
* aufgelegt am 14.4.2015 / 1 Jahr: 7,24 %/ Quellen: justetf.com, Das Investment/Recherche: jülu
„Die Märkte rechnen kaum mit höherer Inflation“
Interview mit Heiko Löschen von der Vermögensverwaltung Mademann & Kollegen, Hamburg
Herr Löschen, warum steigen die Zinsen, wenn der Staat seine Ausgaben für Straßen, Flughäfen oder Telekommunikationsnetze – kurz für die Infrastruktur – deutlich erhöht?
Heiko Löschen: Wenn der Staat mehr ausgibt, fragt er mehr Güter und Dienstleistungen nach. Das kurbelt tendenziell das Wachstum und damit die Inflation an. Nimmt er dafür neue Schulden auf, braucht er auch zusätzliches Kapital. Beides kann zu einem allgemeinen Zinsanstieg führen.
Für wie wahrscheinlich hält der Markt eine höhere Inflation?
Derzeit wird das als unwahrscheinlich eingeschätzt. Das zeigen die Inflationserwartungen für die Jahre 2021 bis 2026. Demnach soll die Teuerung in den USA dann bei zwei Prozent liegen, in der Euro-Zone sogar bei weniger als 1,5 Prozent.
Kann sich der Markt nicht irren?
Allerdings! 2009 etwa rechnete man in der Euro-Zone für die Zeit von 2014 bis 2019 mit einer Inflationsrate von jährlich 2,5 Prozent. Doch 2014 lag die Teuerung im Kernland Deutschland mit 0,8 Prozent deutlich unter diesem Wert, 2015 sogar bei nur 0,1 Prozent. Auch 2016 dürfte die Inflation kaum die Marke von 0,5 Prozent schaffen. (jülu)