Run auf börsennotierte Healthcare-Unternehmen
A&W RedaktionIm April 2017 haben zwei Private-Equity-(PE-)Fonds 5,3 Milliarden Euro für die deutsche Stada Arzneimittel AG geboten. Dies ist kein Einzelfall. Weltweit ist ein Trend zu beobachten: die Übernahme börsennotierter Healthcare-Unternehmen durch PE-Fonds.
2016 ist das Volumen neuer Beteiligungen von PE-Fonds im Gesundheitssektor um knapp 60 Prozent auf 36,4 Milliarden US-Dollar angestiegen (siehe Abb.). Bei drei der vier größten Übernahmen erwarben Beteiligungsgesellschaften an der Börse gehandelte Aktien. In einer aktuellen Analyse zeigt die internationale Managementberatung Bain & Company, was die Investitionen im Gesundheitswesen so attraktiv macht: die relativ niedrige Bewertung öffentlich gehandelter Anteile gegenüber den auf Auktionen für Unternehmen im Privatbesitz erzielten Multiples. Während Käufer bei Übernahmen börsennotierter Firmen im Durchschnitt ein gewichtetes EBITDA-Multiple von gut 10 zahlten, lag das Multiple von Pharmaunternehmen derselben Größe in PE-Besitz im Schnitt bei 12.
Sicherheit in turbulenten Zeiten
Interessant ist die Entwicklung auch deshalb, weil das verstärkte PE-Engagement in der Gesundheitsbranche im Gegensatz zu der ansonsten vorherrschenden Investitionszurückhaltung steht. 2016 sank das Volumen neuer Beteiligungen über alle Branchen hinweg um 23 Prozent. Dagegen belief sich der Anteil des Gesundheitssektors am gesamten PE-Investitionsvolumen weltweit auf über 14 Prozent und erreichte damit ein Allzeithoch. Dr. Franz-Robert Klingan, Partner bei Bain & Company und Co-Autor der Studie, erklärt: “Vielen Investoren vermittelt der Gesundheitssektor Sicherheit in turbulenten Zeiten. Denn früher oder später ist nahezu jeder auf Produkte und Services der Gesundheitsbranche angewiesen, unabhängig von Konjunktur und politischen Veränderungen. Deshalb ist auf lange Sicht kaum ein Sektor so attraktiv wie Healthcare.”
Regionale Unterschiede bei Investitionen
Die regionalen Unterschiede waren 2016 erheblich. Während sich das Buy-out-Geschäft in Nordamerika im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdreifachte, brach es in Europa ein. Dort sank der Wert der Transaktionen nach dem guten Jahr 2015 um 42 Prozent auf 4,6 Milliarden US-Dollar. Auf der Suche nach risikoarmen, hinreichend großen Investitionsmöglichkeiten im Gesundheitssektor wandten sich europäische PE-Fonds 2016 verstärkt nach Nordamerika. Sie verantworteten vier der zehn größten PE-Deals zwischen New York und San Francisco.
Ungeachtet dessen bleibt Europa nach Überzeugung von Klingan ein interessantes Ziel für Investoren: “Die länderübergreifende Konsolidierung der europäischen Gesundheitsbranche steht erst am Anfang und wird aufgrund der Sprach- und Systemunterschiede auch noch dauern.” Und er fügt hinzu: “Der anhaltende Kostendruck zwingt die überwiegend staatlichen Gesundheitssysteme zum Einsatz innovativer Lösungen, um die Effizienz zu steigern. Dadurch eröffnen sich auch Chancen für Portfoliounternehmen mit entsprechenden Angeboten.” Besonders beliebt war 2016 das von Erstattungsregularien und Preisdruck nicht direkt betroffene Segment der Healthcare-IT-Anbieter. Hier vervierfachte sich das Transaktionsvolumen auf 15,5 Milliarden US-Dollar.
M&A-Volumen hat sich nahezu halbiert
Unter den Großkonzernen herrschte 2016 ein harter Wettbewerb um neue Beteiligungen. Zwar erreichte das weltweite M&A-Volumen im Gesundheitssektor lediglich 299 Milliarden US-Dollar und halbierte sich damit im Vergleich zum Vorjahr. Doch dieser Rückgang ist zu einem guten Teil auf das Ausbleiben von Mega-Deals in zweistelliger Milliardenhöhe zurückzuführen. Stattdessen konkurrierten die Investoren um Unternehmen, deren Preise sich zwischen 500 Millionen und 5 Milliarden US-Dollar bewegten. “Gerade in Europa dürfte die Zahl der P2P-Transaktionen weiter steigen, weil sich auch hier für durchschnittlich performende Unternehmen eine Annäherung der Bewertungen zeigt”, so Bain-Partner Klingan. Das Beispiel Stada könnte damit Schule machen.
Im laufenden Jahr wird eine hohe Volatilität die Wirtschaft prägen, so die Einschätzung der Analysten. Für die Gesundheitsbranche ist das nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. “Je stärker die wirtschaftlichen Schwankungen, desto attraktiver der Gesundheitssektor als sicherer Hafen”, betont Klingan.