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Geldanlagen

In mancherlei Hinsicht ähneln die Entscheidungen, in den Aufbau einer Praxis oder in eine Vermögensanlage zu investieren, doch ganz erheblich. Beide hängen maßgeblich von der Erwartungshaltung an den Erfolg und damit besonders vom Risiko ab.

Wobei Finanzanlagen noch sensibler auf externe Einflüsse reagieren als eine Praxis, deren Wohl und Wehe der Arzt oder die Ärztin noch selbst beeinflussen kann. Es besteht bei einer sehr konservativen Anlagestrategie heutzutage sogar die Gefahr, dass sie das Vermögen der Anleger Jahr für Jahr schrumpfen lässt. Wollen Anleger ihr Vermögen real (also nach Abzug von Kosten, Inflation und Steuern) erhalten oder gar vermehren, müssen sie bei Geldanlagen höhere Risiken eingehen.

Die richtige Risikoeinstufung ist also der erste und wichtigste Schritt vor der Allokation des Anlageportfolios. Dabei muss dem Anleger eines klar sein: Es gibt keine risikolosen Geldanlagen!

Emotionen schaden dem Anlageerfolg

Menschen handeln oft aus Emotionen heraus. Das verhängnisvolle Spannungsfeld zwischen den beiden Polen Angst und Gier lässt die Risikobereitschaft je nach Erfolg oder Misserfolg der Anlage oder auch mit der Massenpsychologie steigen oder sinken (Behavioral-Finance).

Viele Anleger haben teilweise jahrelang gute Erfolge erzielen können, sind dann zu hohe Risiken eingegangen – und haben am Ende alles wieder verloren. Andere springen auf den Zug des jeweiligen Anlagetrends auf, um am Ende enttäuscht zu sein über die Ergebnisse. Wieder andere verwerfen emotional eine langfristige Strategie aufgrund von Ereignissen von kurzfristiger Wirkung. Beispiel: Die großen Energiekonzerne schreiben schwache Zahlen, also verkauft der Anleger diese Aktien, um sich teuer in nachhaltige Werte einzukaufen. Privatanleger, die die erforderliche Disziplin, Ausdauer und das Know-how  für den langfristigen Erfolg besitzen, sind die seltene Ausnahme. Es kann sehr teuer werden, die eigene Risikobereitschaft nur über selbst gemachte Erfahrungen herauszufinden. Denn: Welcher Anleger besitzt schon die Kompetenz, die Risikohöhe einer Anlage richtig einzuschätzen?

Die persönliche Risikobereitschaft erkennen

«100 minus Lebensalter» lautet eine alte Anleger-Regel für die Bestimmung der Aktienquote in einem Portfolio. Diese pauschale Regel impliziert allerdings, die «richtige» Aktienquote sei so für alle Menschen einfach zu bestimmen. Dem ist nicht so, denn die Risikobereitschaft wie auch die Nervenstärke sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Wenn Anleger ihr Vermögen systematisch anlegen wollen, müssen sie klare Ziele und Strategien verfolgen. Wichtig ist zu wissen, dass es bei Vermögensanlagen immer Zielkonflikte gibt. Anleger wünschen sich eine Anlage

  • mit hohem jährlichen Wertzuwachs (Rendite),
  • ohne Kursschwankungen (Risiko),
  • mit hoher Fungibilität, die jederzeit zum fairen Wert verkauft werden kann (Liquidität).

Leider gibt es keine Vermögensanlage, die all diese drei Kriterien voll erfüllt. Das Prinzip, mit einem Minimum an Risiko den höchstmöglichen Ertrag zu erzielen wird nie funktionieren. Um das optimale Verhältnis zwischen Risiko und Erwartung zu finden, ist zuallererst ein genaues Risikoprofil zu erstellen.

Jeder Anleger verfolgt ein anderes persönliches Ziel mit seiner Geldanlage. Beispielsweise vom langfristigen Aufbau der Altersvorsorge, über mittelfristiges Sparen für eine größere Anschaffung, bis hin zur kurzfristigen Bildung einer liquiden Reserve für unvorhergesehene Ausgaben. Basierend auf solchen Zielen ergeben sich unterschiedliche Zeithorizonte sowie daraus resultierende Risikoquoten.

Sind die Restlaufzeiten bis zur Zielerreichung kurz, betragen sie also weniger als drei Jahre, so sollten Anleger von vornerein auf risikoarme Anlagen wie Tagesgeldkonten setzen und nicht auf die Erzielung von hohen Renditen an den Kapitalmärkten spekulieren. Bei mittelfristigen Anlagehorizonten von drei, fünf oder sieben Jahren müssen Anleger entscheiden, welchen maximalem Verlust Sie bereit sind zu akzeptieren, denn sonst können  zu hohe Lücken am Ende entstehen und das Geld für das benötigte Ziel fehlt. Für alle langfristig orientierten Anleger, die länger als zehn Jahre investieren möchten, sind Geduld und die Bereitschaft, Marktschwankungen zu akzeptieren, gefragt.

Nach diesem groben Filter folgt die ganz individuelle Risikoprofilierung, in drei Schritten:

Schritt Risikotyp: Wer bin ich?

Diese Grobeinschätzung soll helfen, sein persönliches Anlageverhalten herauszufinden. Ist man eher sicherheitsorientiert und verfolgt eine langfristige Strategie? Bin ich risikoorientiert und kann ich auch mal höhere Verluste ertragen? Natürlich sind bei beiden Typen die Portfolios grundverschieden zusammenzusetzen.

Der vorsichtige Anleger

Das Ziel dieses konservativen Anlegertyps ist, eine marktgerechte Verzinsung zu erreichen, die aber über der von festverzinslichen Wertpapieren liegt. Dieser Anlegertyp wird einen risikoorientierten Aktienanteil von maximal 40 Prozent haben. Seine maximale Verlustgrenze in einem Jahr könnte beispielsweise bei etwa vier bis acht Prozent und seine langfristig erwartende durchschnittliche Rendite bei maximal fünf Prozent im Jahr liegen.

Der mutige Anleger

Bleiben wir bei dem Anleger mit einer langfristigen Strategie. Anleger, die sich eher gewinnorientiert sehen und dafür ein bestimmtes Risiko bereit sind, einzugehen, können Ihren Kapitalzuwachs überwiegend aus Aktienmarkt-, Rentenmarkt- und Währungsmarktchancen erzielen. Sie gehen dabei Verlustrisiken ein, die aus möglichen Kurs-, Zins- und Währungsschwankungen sowie höheren Bonitätsrisiken erzielt werden. Ihr Ziel dabei ist die Erwirtschaftung einer langfristig höheren Rendite durch kursgewinnorientierte Anlagen. Der Aktienanteil bei diesem Risikotyp liegt dabei zwischen 50 und 70 Prozent. Die daraus resultierende Verlustgrenze liegt innerhalb eines Jahres zwischen neun bis 17 Prozent. Anleger, die bereit sind, diese Risiken langfristig einzugehen, erwarten eine Rendite um die sieben Prozent im Jahr.

Der risikofreudige Anleger

Sind Anleger bereit, für eine überdurchschnittlich hohe Ertragserwartung zwischenzeitlich hohe Risiken einzugehen, so können sie den Vermögenszuwachs vorrangig aus Marktchancen erzielen. Dieser Anlegertyp akzeptiert also während der Anlagezeit auch mal hohe Verluste von bis zu 25 Prozent und mehr innerhalb eines Jahres, die sich aus möglichen Kurs-, Zins- und Währungsschwankungen sowie höheren Bonitätsrisiken ergeben. Um im Gegenzug dazu hohe Kurzgewinne erreichen zu können, muss dieser Anlegertyp bereit sein, 80 Prozent und mehr seines Kapitals in den Aktien- sowie Rohstoffmärkten zu investieren. Ist ein Anleger bereit, über die Jahre diese Turbulenzen in Kauf zu nehmen, liegt die erwartete Rendite langfristig bei deutlich über acht Prozent im Jahr.

Schritt Risikofähigkeit: Wie viel darf ich riskieren?

Nach der groben Einschätzung des Anlegertyps folgt die Ermittlung der tatsächlichen Risikofähigkeit des Anlegers. Dabei gilt es, die Höhe der Risiken zu ermessen und mit den persönlichen Vorgaben des Anlegers abzugleichen.

Grundsätzlich ist ein Anleger umso risikofähiger, je

  • jünger er ist,
  • länger er das Geld nicht benötigt (der Anlagehorizont),
  • weniger er auf das Vermögen angewiesen ist,
  • größer die Ersparnisse und die erwartete Sparquote sind,
  • je besser er bereits gegen verschiedene Risiken abgesichert ist,
  • geringer die finanziellen Verpflichtungen/Fixkosten sind.

Die Risikofähigkeit ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite, der ebenfalls zu bestimmende Faktor des Risikoprofils ist die Risikobereitschaft.

Schritt: Risikobereitschaft und Risikofähigkeit in Übereinstimmung bringen

Die eigene Risikobereitschaft einzuschätzen, ist aufgrund der hohen Emotionalität der vielleicht schwierigste Aspekt bei der Suche nach einem passenden Anlagekonzept. Im Gegensatz zur klar zu analysierenden Risikofähigkeit hängt die Risikobereitschaft stark von der Persönlichkeit und Erfahrungen in der Geldanlage ab.  Aber: Übermut tut selten gut. An dieser Stelle ist der Finanzberater gefragt, seinem Kunden mögliche Konsequenzen aus einer riskanteren Anlage schonungslos aufzuzeigen oder vor einer Abkehr der erfolgreichen Langfriststrategie wegen kurzfristiger Verluste zu warnen. Sein Job ist es zu ermitteln, welche Anlagen welches Chancen-Risiko-Verhältnis aufweisen und entsprechend zu welcher Risikobereitschaft und –fähigkeit passen.

Die Risikobereitschaft und die Risikofähigkeit einer ehrlichen Selbstanamnese zuzuführen, kommen bei der Kapitalanlage also erhebliche Bedeutungen zu. Wer hier falsch ansetzt, wird seine finanziellen Ziele nur schwer erreichen, Enttäuschungen erleben und die Strategie in der Regel nicht durchhalten. Eine Risikoprofilierung sollte also nicht nur mit ein paar Fragen und Häkchen erledigt sein – sie verdient ganz besonders viel Aufmerksamkeit.

Der Autor: Davor Horvat ist Vorstand der Honorarfinanz AG, Karlsruhe. Die Honorarfinanz AG ist eines der wenigen Honoraranlageberatungsinstitute in Deutschland, für die es eine spezielle Zulassung nach Kreditwesengesetz braucht.