Der teuerste Satz an der Börse: Dieses Mal wird alles anders
A&W RedaktionDie Wirtschaft schrumpft um fünf Prozent, die Indizes erzielen neue Höchststände. Gewinne sind nicht mehr so wichtig. Beweise? Delivery Hero, Curevac, Ballard Power oder Tesla. Doch wenn sich die Fantasie ausgetobt hat, werden sich die Aktienkurse wieder an den Gewinnen orientieren, meint unser Gastautor Rolf Ehlhardt*.
Jahr 2000: IT-Revolution, Internet, es entsteht eine neue Welt. Das KGV ist Schnee von gestern. Nestlé, BASF, Allianz, Roche, Gold – langweilig! New Economy war angesagt. Dann kam die Realität zurück. Der DAX verbuchte 2002 einen Minus-Rekord von 44 Prozent. Kein DAX-Titel schloss das Jahr mit Gewinn ab. Es folgten drei Verlustjahre hintereinander. Kaum einer der gehypten Favoriten wie EM.TV, Gigabell, Teamwork oder Intertainment hat überlebt. Was blieb waren Nestlé, BASF, Allianz, Roche und Gold.
Hoffnungsträger oder überbewertete Aktien?
Heute heißen die Themen Impfstoff, Homeoffice, Wasserstoff und E-Auto. Die Favoriten sind Plug Power, Nel oder Ballard Power. Diese Unternehmen haben bis heute keinen Gewinn ausgewiesen und werden wohl auch bis 2022 keinen erwirtschaften. Geradezu grotesk ist die Aktie von QuantumScape. Die Firma will in Zukunft Lithiumbatterien herstellen. Die Neuemission stieg an der Börse von 10 auf bis zu 130 Dollar. Die Firma stellt noch keine Batterien her, macht keine Gewinne, ist aber teurer als General Motors.
Man kann sich jetzt darüber streiten, ob wir nur eine Übertreibung sehen oder ob schon eine Blase entstanden ist. Die Bewertungen etlicher Aktien, die Tatsache, dass junge Anleger an die Märkte drängen und die niederen Zinsen sprechen dafür.
Aktienblasen halten sich manchmal lang
Blasen können jahrelang andauern. Ich bin überzeugt, dass nicht alle Favoriten überleben werden. Bei den Überlebenden werden sich die Kurse irgendwann dem KGV anpassen. Wir wünschen uns keinen Crash. Doch die Erfahrung lehrt uns, den Anteil der Themenaktien prozentual zum Gesamtvermögen zu begrenzen. Sollte sich zudem ein solcher Wert verdoppelt haben, sollten Anleger die Hälfte verkaufen und den Rest mit einem Stopp belegen. Dann geht es für diese Aktie nur noch um die Höhe des Gewinns.
Ein Wort noch zu Tesla. Für die Gewinnschätzung 2022 ist die Aktie mit einem komfortablen KGV von 143 ausgestattet. Damit bewertet die Börse jedes 2020 produzierte Auto mit 1,3 Millionen Dollar. Bei traditionellen Herstellern liegt dieser Wert bei etwa 10.000 Dollar. Überspitzt gesagt: Wenn wir unserer demnächst auf die Welt kommenden Enkelin eine Tesla-Aktie zur Geburt schenken, das E-Auto sich in Zukunft durchsetzt und Tesla das weltweit führende E-Auto-Unternehmen wird, rechtfertigt die Bilanz im Jahre 2038 den Kurs von 2021.
Mehr Verlust als Gewinn
Auch der DAX-Wert Delivery-Hero dürfte 2022 noch immer keine Gewinne machen. Bösartig könnte man jetzt behaupten, das ist eine gute Voraussetzung, dass sich der Aktienkurs noch einmal verdoppeln könnte. Schon in Zeiten des Neuen Marktes war meine Meinung, dass es nicht sein kann, dass ein Unternehmen zehn Millionen Umsatz generiert, damit zwanzig Millionen Verlust erwirtschaftet und an der Börse mit einer Milliarde Euro bewertet wird. Wenn ich mich heute ähnlich äußere, werde ich oft belächelt. Denn dieses Mal ist alles ganz anders. Für Kostolany war das der teuerste Satz an der Börse.
*Der Autor: Rolf Ehlhardt ist Vermögensverwalter bei der I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH in Mannheim.