Bürokratie bedroht die Nachhaltigkeit
A&W RedaktionImmer mehr Kunden möchten ihr Erspartes mit gutem Gewissen investieren. Doch ein wirklich nachhaltiges Portfolio zusammenzustellen, ist keine einfache Aufgabe. Darum will die EU nun Nachhaltigkeit definieren. Es droht ein Bürokratiemonster, das die Idee ad absurdum führen kann.
Das wohl verbreitetste Konzept ist der Best-in-Class-Ansatz. Hier werden jene Konzerne ausgewählt, die die besten Nachhaltigkeitsleistungen ihrer Branche erbringen. Im Prinzip ein guter Ansatz, da Unternehmen angespornt werden, möglichst nachhaltig zu agieren. Der große Nachteil: Auch Rüstungs- oder Tabakkonzerne, die ressourcenschonender und sozialverträglicher handeln als ihre Wettbewerber, erhalten ein Sustainability-Prädikat. Daher haben sich einige große Fondshäuser Regeln auferlegt, die solche Unternehmen ausschließen.
Andere Ansätze zielen auf das Geschäftsmodell eines Unternehmens ab. Hier werden nur jene Firmen als ethisch korrekt eingestuft, die einen Großteil ihres Umsatzes in nachhaltigen Geschäftsfeldern erwirtschaften. Das reicht von Fahrradproduzenten über Betreiber von Wasserkraftwerken bis hin zu Herstellern homöopathischer Mittel. Doch auch bei diesem Ausschlusskriterium liegt der Teufel im Detail. Denn nur weil ein Unternehmen Fahrräder verkauft, muss es nicht unbedingt nachhaltig agieren. Es kann unnötig viel Energie in der Produktion verschwenden oder eine schlechte Mitarbeiterführung haben. Die Beispiele zeigen: Ein wirklich nachhaltiges Portfolio zusammenzustellen ist letztlich eine Frage der Definition. Aus deutscher Sicht werden zum Beispiel Investitionen in Atomkraftwerke meist nicht als nachhaltig empfunden. In Frankreich hingegen schon, da Kernkraftwerke kaum CO2 produzieren.
Nachhaltigkeitsthemen sollen stärker berücksichtigt werden
Inzwischen hat sich die Politik des Themas angenommen. Die Europäische Union (EU) will dafür sorgen, dass Nachhaltigkeitsthemen in der Asset Allocation stärker berücksichtigt werden. Die Idee dahinter: Damit die EU ihre Klima- und Energieziele bis 2030 erreichen kann, müssten 180 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich investiert werden. Aus Sicht der EU kommt der Finanzwirtschaft dabei eine Schlüsselrolle zu, da eine bewusste Steuerung von Geldströmen die nachhaltige Entwicklung der Gesamtwirtschaft beeinflussen könne.
Immer mehr Kunden möchten ihr Erspartes mit gutem Gewissen investieren. Doch ein wirklich nachhaltiges Portfolio zusammenzustellen ist, keine einfache Aufgabe. EU-Kommission und Europäisches Parlament arbeiten deshalb an verschiedenen Gesetzgebungsinitiativen. Eine davon ist der „Action Plan: Financing Sustainable Growth“, der unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt. So sollen unter anderem Standards für Green Bonds entwickelt und Unternehmenslenker verpflichtet werden, konkrete Nachhaltigkeitsstrategien zu formulieren. Mitte des Jahres will eine Expertengruppe erste Vorschläge präsentieren. Während die Bundesregierung grundsätzliche ihre Unterstützung für das Vorhaben der EU signalisiert hat, sehen viele Vertreter der Finanzbranche die Pläne kritisch. Sie befürchten, dass die Aufsichtsbehörden unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit immer mehr Einfluss gewinnen möchten. Aus unserer Sicht ist die Skepsis berechtigt, da zu befürchten ist, dass ein neues Bürokratiemonster entsteht, welches den Spielraum einer verantwortungsvollen Kapitalanlage immer weiter einengt und ad absurdum führt.
Autor: Michael Reuss, geschäftsführender Gesellschafter bei der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH in München