Braucht wirklich jeder Praxisinhaber einen Ehevertrag?
Judith MeisterGanz in Weiß, aber ohne Kittel: Der Wonnemonat Mai ist traditionell die Zeit, in der besonders viele Paare heiraten. Ärzte und Ärztinnen, die ihrem Partner ebenfalls das Ja-Wort geben wollen, sollten allerdings vor dem Weg zum Altar noch ein paar Rechenaufgaben erledigen – und im Idealfall ein detailliertes Vermögensverzeichnis erstellen.
Derzeit ziehen wieder tausende Paare aus, um den (vermeintlich) schönsten Tag ihres Lebens zu feiern. Sicherlich wird es für sie auch der folgenreichste, auch und gerade in finanzieller Hinsicht. Denn auch wenn wir das Drumherum möglichst romantisch gestalten: Die Heirat ist in erster Linie ein Vertrag und eine wirtschaftliche Vereinbarung zwischen den Eheleuten.
Gesetzliche Regelung sieht Zugewinnausgleich vor
Wer keine abweichenden Regelungen trifft, unterwirft sich mit der Eheschließung automatisch den gesetzlichen Regelungen. Und dieser Standard schreibt nicht nur vor, dass sich Ehepartner im Güterstand der Ehe auch finanziell gegenseitig unterstützen müssen. Lebt man während der Ehe in einer Zugewinngemeinschaft, greift bei einer Scheidung automatisch auch der Zugewinnausgleich. Grob vereinfacht führt er dazu, dass derjenige Partner, der während der Ehe das größere Finanzpolster aufbauen konnte, dem anderen Partner nach der Scheidung die Hälfte seines Überschusses abgeben muss.
Zudem müssen die Partner bei einer Scheidung damit leben, dass ihre Rentenansprüche aufgeteilt werden (Versorgungsausgleich). Vielfach bestehen im Trennungsjahr und nach der Scheidung außerdem Unterhaltspflichten für einen der Ehegatten.
Gütertrennung per Vertrag regeln
Juristen raten daher allen Heiratswilligen, die finanziellen Folgen der Hochzeit vorab zu besprechen und die gesetzlichen Regelungen, wenn nötig, durch eigene Vereinbarungen, sprich einen Ehevertrag, zu ersetzen. Insbesondere, wenn einer der Ehepartner schon vor der Hochzeit Vermögen erarbeitet hat, ist eine Gütertrennung sicherlich sinnvoll.
Ehevertrag für Unternehmer und Selbstständige ein Muss!
Traditionell denken Paare, die einen unterschiedlichen wirtschaftlichen Hintergrund haben, eher an Eheverträge als paritätisch Vermögende. Zwar fällt vor der Ehe bestehendes und auch später ererbtes Vermögen bei Scheidung nicht in den gesetzlichen Zugewinnausgleich. Ausgleichspflichtig sind aber die Wertsteigerungen, die solches Vermögen während der Ehe erfährt. “Besitzt ein Ehegatte größeres Vermögen oder erwartet er eine größere Erbschaft, kann sich deshalb eine Modifikation des gesetzlichen Güterstandes empfehlen“, so Dr. Steffen Breßler von der Notarkammer Koblenz. Die muss nicht zwingend den Totalausschluss von Wertsteigerungen aus dem Zugewinnausgleich bedeuten. Die Lösungen sind vielgestaltig.
Praxis bei Zugewinngemeinschaft in Gefahr
Aber nicht nur im Fall unterschiedlicher Vermögenshintergründe der zukünftigen Ehegatten ist der Gang zum Notar zu empfehlen. Nach den Regeln des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft muss der Ehepartner, der während der Ehe den höheren Vermögenszuwachs erzielt hat, im Fall der Scheidung die Hälfte dieses Zugewinns auskehren. Davon können gerade Niedergelassene, die während der Ehe eine Praxis auf- oder ausgebaut haben, betroffen sein. Da das Kapital im Unternehmen gebunden ist, müssen Darlehen zur Finanzierung der Ausgleichsforderung aufgenommen oder – schlimmstenfalls – die Praxis verkauft werden.
Durch eine Scheidung nahm deshalb schon manche Selbstständigkeit ein jähes Ende. Ein Ehevertrag kann vor diesem Risiko etwa durch die Vereinbarung, bestimmte Gegenstände des Betriebsvermögens aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen, oder eine Deckelung des Ausgleichsbetrags effektiv schützen.
Vereinbarung vom Notar beglaubigen lassen
Im Fall der Scheidung muss zur Ermittlung des Zugewinns der Verkehrswert des Vermögens beider Partner ermittelt werden. Nach den gesetzlichen Regeln gilt dabei Folgendes: Hat der Arzt die Praxis nach der Hochzeit eröffnet, kann sein Ex-Partner nach der Scheidung 50 Prozent des Praxiswertes verlangen.
Wer bereits als Praxisinhaber vor den Altar getreten ist, aber über die Jahre den Wert der Praxis gesteigert hat, zahlt ebenfalls. Diesmal die Hälfte des Wertzuwachses. Niedergelassene unterschätzen dabei leicht den Wert ihrer Praxis. Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs sind nämlich auch immaterielle Werte, wie etwa der „goodwill“, mit anzusetzen. Dies folgt aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az.: XII ZR 40/09). Die Entscheidung macht auch deutlich, wie schwierig die Bewertungsfragen im Einzelnen sind. Beispielsweise muss ermittelt werden, in welchem Grad der Ertrag auf den individuellen Einsatz des Inhabers des Unternehmens oder der Praxis zurückzuführen ist.
Hierüber kann man sich später teuer streiten, wenn man nicht notarielle Vorsorge getroffen bzw. einen Ehevertrag abgeschlossen hat. Die Summen, die sonst fällig werden, sind oft so hoch, dass sie sich nur auftreiben lassen, indem die Praxis veräußert wird – oder der Arzt einen Kredit aufnimmt. Vorsorge ist daher unbedingt angezeigt.
Ehevertrag nach der Heirat abschließen
Hat man den Abschluss eines Ehevertrages vor der Eheschließung versäumt, kann man dies durchaus noch später während der Ehe regeln. Trotzdem macht es Sinn, den Vertrag zwischen den Eheleuten möglichst früh abzuschließen. Auch wegen möglicher Kostenvorteile: Die Kosten für den Vertrag richten sich nach dem Vermögen der Ehegatten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Daher können gerade junge Paare besonders günstig vorsorgen.
Ehevertrag für den Erbfall
Empfehlenswert ist ein Ehevertrag auch dann, wenn die Vermögensverhältnisse der angehenden Brautleute sehr unterschiedlich sind, etwa, weil einer der Partner geerbt hat oder eine Erbschaft ansteht. In jedem Fall raten Juristen dazu, vor der Ehe ein umfassendes Verzeichnis der eigenen Vermögenswerte zu erstellen: Wer Antiquitäten oder Schmuck besitzt, sollte diese fotografieren und zusammen mit etwaigen Zertifikaten aufbewahren. Wer Aktiendepots und sonstiges Kapitalvermögen besitzt, tut gut daran, den jeweiligen Kontostand zum Tage der Eheschließung zu dokumentieren. Das ist zwar nicht romantisch, spart im Fall einer Scheidung aber die oft ermüdenden Querelen, mit welchem Startvermögen die beiden Parteien eigentlich in die Ehe gegangen sind.
Nicht zuletzt bildet die Geburt gemeinsamer Kinder stets einen Anlass, über individuelle Regelungen nachzudenken. Wenn einer der Partner dauerhaft für die Familie zurücksteckt, sollte er dafür eine angemessene Entschädigung in Geld erhalten – erst recht, wenn beide Partner eine akademische Ausbildung besitzen.
Da sich ein Ehevertrag nicht nur vor, sondern auch während der Ehe noch schließen lässt, haben Paare zudem die Möglichkeit, Schieflagen, die erst im Laufe der Jahre entstanden sind, nachträglich wieder auszugleichen.