Die großen Gold-Irrtümer – und wovor das Edelmetall wirklich schützt
A&W RedaktionGold in Dollar war in diesem Jahr eine herbe Enttäuschung: Seit dem Hoch im März hat der Inflationsschutz in Dollar bis zu 25 Prozent verloren. Versagt das gelbe Metall ausgerechnet in Zeiten hoher Geldentwertung, gegen die sich viele Anleger genau damit wappnen wollen?
Die Inflationsrate in vielen Industrieländern bewegt sich in diesen Monaten zwischen acht und zehn Prozent. Doch das gelbe Edelmetall kennt seit dem Frühjahr offenbar nur den Weg nach unten. In der Handelswährung Dollar hat Gold seither bis zu einem Viertel an Wert verloren. Und in Euro gerechnet, ging es ebenfalls spürbar bergab. Damit rücken gleich zwei Behauptungen, die eingeschworene Gold-Freunde anführen, auf den Prüfstand: Das Edelmetall bewahrt Anleger zuverlässig vor Inflation. Und es beschützt das Vermögen bei geopolitischen Krisen.
Bei geopolitischen Krisen schützt Gold nicht immer
„Im Fall von Krisen kann Gold tatsächlich nicht immer halten, was eingeschworene Edelmetall-Fans sich davon versprechen“, sagt Vermögensverwalter Toni Vetter von der BV&P Vermögen AG in Kempten. So belegt der fallende Preis nach dem Angriff in der Ukraine das genaue Gegenteil. Auch 2008, als die Märkte wegen der Immobilien- und Finanzkrise ins Trudeln kamen, tauchte der Preis des Edelmetalls zeitweise um bis zu 30 Prozent ab. Und 2001, als die Welt auf die Trümmer des World Trade Center blickte und der jahrelange „Kampf gegen den Terror“ begann, rührte sich der Goldpreis kaum von der Stelle.
Auf lange Sicht bewahrt Gold sehr gut vor Geldentwertung
Doch was ist mit dem Schutz vor Inflation? Hier müssten Anleger sorgfältig unterscheiden, sagt Vermögensverwalter Mirko Kohlbrecher von der Spiekermann & CO AG in Osnabrück. „Als 1971 der Goldpreis freigegeben wurde, startete er mit 35 Dollar pro Feinunze. Anfang November dieses Jahres notiert das Edelmetall bei 1.700 Dollar. Das entspricht beinahe dem 50-Fachen bzw. einer jährlichen Rendite von acht Prozent und damit in etwa dem Wachstum der Geldmenge in den USA“, rechnet der bankenunabhängige Vermögensprofi vor. Die Erkenntnis daraus: Gold bewahrt auf lange Sicht die Kaufkraft, weil der Wert einer Feinunze parallel zur Geldmenge wächst – jedoch unter teils hohen Schwankungen. Dies gelte auch für Euro-Anleger, so Kohlbrecher.
Höhere Zinsen setzen das Edelmetall kurzfristig unter Druck
Warum hat Gold in Dollar dann in diesem Jahr trotz Inflation so kräftig Federn gelassen? Die maßgebliche Ursache für den Kursrückgang in Dollar sind die kräftigen Zinserhöhungen der US-Notenbank. Denn Zinserhöhungen wirken sich unmittelbar auf den Realzins – also Nominalzinsen minus Inflationsrate – aus, welcher die entscheidende Größe für die Goldpreis-Entwicklung ist. Da das Edelmetall keinerlei Erträge abwirft, schlägt eine Änderung des Realzinses eins zu eins auf den Goldpreis durch. Konkret: Geht der Realzins zurück, legt der Goldpreis zu. Steigt der Realzins – auch dann, wenn der Realzins negativ bleibt –, kommt Gold unter Druck. So war es in diesem Jahr: Vom Frühling bis jetzt stieg der Realzins in den USA von minus vier auf jetzt null Prozent nach oben, so die Federal Reserve Bank of Cleveland.
Rezession lässt Realzins sinken und stützt damit Gold
Unterm Strich bedeuten diese Zusammenhänge: Der langfristige Rückenwind für Gold durch das weltweite Wachstum der Geldmenge ist weiterhin vorhanden. Kurzfristig bläst Gold-Freunden durch den starken Zinsanstieg in den USA noch Gegenwind ins Gesicht. „Lässt der Gegenwind nach, weil etwa eine Rezession droht, könnte der Goldpreis recht schnell und deutlich steigen“, sagt Toni Vetter. Für den Vermögensverwalter ist daher „jetzt eine ideale Zeit, um den Goldanteil bei Bedarf dauerhaft aufzustocken“. Der Grund: Bei einem drohenden Schwächeanfall der Wirtschaft werden die Notenbanken die Zinsschraube nicht weiter anziehen, sondern eher wieder lockern. Es ist somit nicht die Rezession selbst, die den Goldpreis beflügelt – ein weiterer Irrtum über Gold –, sondern die Aussicht auf einen niedrigeren Realzins.
Goldanteil sollte zwischen 10 und 15 Prozent liegen
Wie hoch sollte nun der Anteil von Gold im Depot sein? Bei fünf Prozent kann das Edelmetall seine Wirkung kaum entfalten. Mit 25 Prozent wäre der Anteil wohl zu hoch. Mirko Kohlbrecher rät zu einem Anteil von bis zu 15 Prozent. „Dabei gilt: Je mehr Risiko ein Anleger tragen kann, desto eher sollte er sich in Richtung 15 Prozent orientieren“, sagt der Vermögensprofi. Ob man dabei auf physisches Metall oder besicherte Zertifikate (ETCs) ist bis zu einem gewissen Grad Geschmackssache: Wer nicht glaubt, dass es irgendwann zu einem System-Crash kommen könnte, kann komplett auf die im Erwerb deutlich günstigeren ETCs setzen. Andernfalls könnte eine Aufteilung auf physisches Gold und ETCs sinnvoll sein. Beim Kauf von physischem Gold sollte man aber zumindest auf Stückelungen von einer Feinunze oder einem 50-Gramm-Barren achten, so Kohlbrecher. Denn bei kleineren Einheiten wie zehn Gramm fällt das Agio auf den Kaufpreis mit fast sieben Prozent deutlich höher aus.
Autor: Jürgen Lutz