Anleihen und Co.: Auch was für Ärztinnen und Ärzte?
Dr. jur. Alex JanzenWer Geld für eine größere Praxisrenovierung oder neue Medizingeräte benötigt, denkt zunächst an ein Bankdarlehen. Doch dafür müssen sich Ärzte den Vorgaben der Kreditgewährung einer Bank unterwerfen. Eine andere Möglichkeit sind dagegen Anleihen. Damit können Praxisinhaber neue, unkonventionelle Wege gehen, um eine notwendige Finanzspritze zu erhalten.
Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bleibt die Finanzierung über ihre Hausbank beziehungsweise über andere Kreditinstitute mittels Darlehensaufnahme nach wie vor prägend. Gleichwohl breiten sich andere Arten der Praxisfinanzierung auch unter Ärztinnen und Ärzten immer weiter aus. Diese Entwicklung wird durch die fortschreitende Regulierung der Kreditvergabe von Kreditinstituten, die wachsenden Eigenkapitalanforderungen bei Kreditnehmern und zuletzt auch durch die steigende Inflation, wachsende Kreditzinsen sowie zunehmende Anforderungen an Kreditbesicherung noch weiter verstärkt.
1. Regulierung der Kreditvergabe
Die Kapitalmarktkrise vom 2008 verstärkte die unter den Aufsichtsbehörden und manchen Marktteilnehmern verbreitete Ansicht, die regulatorischen Anforderungen an die Ausstattung der Kreditinstitute mit Eigenkapital müssten verschärft werden. Ein Resultat dieser Ansicht war das sogenannte Basel III, ein regulatorisches Rahmenwerk des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS). Dieser Ausschuss stellt für Zentralbanken und Regulierungsbehörden vieler Staaten (aktuell 27) eine Diskussionsplattform dar, um Empfehlungen und Richtlinien auf dem Gebiet der Bankenaufsicht herauszuarbeiten, die von den Aufsichtsbehörden der beteiligten Staaten beziehungsweise von der EU in Bankenaufsichtsrecht umgesetzt werden. Bereits Basel III führte zu erheblichen Verschärfungen im deutschen und EU-Recht in Bezug auf Kreditrisiken sowie höhere Anforderungen an Eigenkapital, Aktiva und den Verschuldungsgrad von Banken. Der nachfolgende Basel IV vom Dezember 2017 soll insbesondere auf den bezeichneten Gebieten die regulatorischen Vorgaben noch weiter verstärken.
Eine Folge der verschärften regulatorischen Anforderungen ist die Verpflichtung der Banken, die Kreditvergabe noch stärker als bisher von Bonität und Kreditrating der Kreditnehmer abhängig zu machen. Kommt die kreditgebende Bank aufgrund der offengelegten Daten des Kreditanfragenden zur Erkenntnis, dass dieser als Kreditnehmer wahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, den Kredit zurückzuzahlen, darf die betreffende Bank diesen Kredit nicht gewähren. Es liegt auf der Hand, dass es insbesondere bei größeren Praxisfinanzierungen und dem fehlenden Rating eines Kreditinteressenten für eine kreditgebende Bank nicht leicht ist, eine verlässliche Prognose zu bilden, ob in einem solchen Fall der Kreditausfall zu befürchten ist. Vergegenwärtigt man sich, dass die steigende Inflation und wachsende Refinanzierungskosten für kreditgebende Banken bei der Vergabe von Krediten zusätzlich berücksichtigt werden müssen, wird die Kreditvergabe durch Banken künftig noch umsichtiger als bisher und wohl auch restriktiver erfolgen.
2. Anleihen als ein Mittel der Praxisfinanzierung
Eine von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland bisher kaum genutzte Möglichkeiten der Praxisfinanzierung sind Anleihen und andere mit diesen verwandte Finanzierungsquellen.
Was sind Anleihen?
Unter Anleihen werden Wertpapiere verstanden, die von einer Anzahl beziehungsweise Vielzahl von Anlegern auf der Grundlage der standardisierten Anleihebedingungen gezeichnet, das heißt erworben werden. Bildhaft kann man sich eine Anleihe als ein in viele Teile gestückeltes Darlehen vorstellen, bei welchem das Darlehen nicht von zwei Vertragspartnern, dem Darlehensgeber und Darlehensnehmer, nach individuellen vertraglichen Bestimmungen vereinbart wird, sondern von vielen Anlegern, den Anleihegläubigern, an den Emittenten der Anleihe gewährt. Regelmäßig handelt es sich bei Anleihen um Finanzierungen in Höhe von mehreren Millionen Euro, die auf dem Kapitalmarkt sowohl vom Staat als auch von Unternehmen der Privatwirtschaft emittiert werden.
Rechtsbeziehungen bei einer Anleiheemission
Die Rechtsbeziehungen bei der Emission einer Anleihe können je nach Ausgestaltung der konkreten Anleihe nicht nur den Emittenten und die Anleihegläubiger, sondern auch andere Beteiligte beziehungsweise Teilnehmer umfassen. Im Regelfall veräußert beziehungsweise platziert ein Emittent die Anleihe auf dem Kapitalmarkt nicht selbst, sondern beauftragt damit eine Bank oder ein Bankenkonsortium. Wird eine Investmentbank oder ein Bankenkonsortium eingeschaltet, schließen diese mit dem Emittenten einen Übernahmevertrag, nach dem sie die emittierte Anleihe entweder selbst übernehmen und diese dann im eigenen Namen an die Anleihegläubiger verkaufen (sog. Fest-übernahme) oder sich lediglich verpflichten, die Anleihe gegen die Zahlung einer Kommission auf dem Kapitalmarkt nach Möglichkeit abzusetzen. Im letztgenannten Fall bleibt das Risiko, die Anleihe auf dem Kapitalmarkt nicht (komplett) absetzen zu können, bei dem Emittenten. Bei der Festübernahme übernimmt das Bankenkonsortium gegen eine Beteiligung am Absatzerlös beziehungsweise gegen gesonderte Gebühren das Absatzrisiko.
Die Rechte und Pflichten zwischen dem Emittenten und der Investmentbank beziehungsweise dem Bankenkonsortium regelt ein Übernahmevertrag. Je nach Funktion der betreffenden Banken kann der Übernahmevertrag zahlreiche Bestandteile enthalten, von der Verpflichtung zur Festübernahme der Anleiheemission über Bestimmungen zu Gewährleistungen beziehungsweise zu Zusicherungen des Emittenten, Haftungsregelungen, einzuholende Gutachten, vorzulegende Unterlagen und Nachweise bis hin zu technischer Dokumentation für die Anleihe.
Innerhalb des Bankenkonsortiums schließen die beteiligten Banken einen sogenannten Konsortialvertrag ab, in dem insbesondere Verantwortlichkeiten, Ersatzansprüche, Zusicherungen und Vertretungsregelungen der betreffenden Banken untereinander geregelt sind.
Bedeutung einer Investmentbank bei einer Anleiheemission
Die Einschaltung einer Bank beziehungsweise eines Bankenkonsortiums bei der Emission einer Anleihe hat eine Reihe von Vorteilen. Anleiheemissionen werden regelmäßig von Investmentbanken begleitet, die über das Kapitalmarkt-Knowhow, große Erfahrung und nicht zuletzt über eine Vernetzung mit Investoren verfügen, die an der Übernahme neuer Anleihen interessiert sein können. Nicht minder wichtig ist die Verpflichtung der betreffenden Bank, den künftigen Emittenten über die beabsichtigte Anleiheemission umfassend zu beraten. Wie weit eine solche Beratungspflicht reicht, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls: Während bei einem großen Klinikkonzern, der bereits mehrfach Anleihen emittiert hat und deshalb über entsprechendes Kapitalmarktwissen und Erfahrung verfügt, sich die Beratungspflicht in Grenzen hält, muss ein MVZ, das zum ersten Mal eine Anleihe emittieren will, deutlich umfassender beraten werden. Eine Investmentbank wird den künftigen Anleiheinteressenten in der Regel auch über den „richtigen“ Emissionspreis für die beabsichtigte Anleihe beraten und, je nach vertraglicher Vereinbarung mit dem Emittenten, für die technische Aufstellung der Emission sorgen, den Emittenten bei der Aufstellung des Wertpapierprospekts bei öffentlich anzubietenden Anleihen beraten beziehungsweise unterstützen und bei der Kurspflege für die platzierte Anleihe mitwirken.
Anleihebedingungen
Die Rechte und Pflichten des Emittenten bei einer emittierten Anleihe ergeben sich aus Anleihebedingungen, was deren Bedeutung für den Emittenten und für die Anleihegläubiger offenbart. Anleihebedingungen enthalten den Betrag der emittierten Anleihe, den Emissionspreis, die Verzinsung, die Laufzeit, die Stückelung der Anleihe, die vom Emittenten gestellten Sicherheiten, die Bestimmung der Fälligkeit für die Zinszahlung und für die Rückzahlung der Anleihe, die Rechtswahlbestimmung et cetera.
Die Verzinsung einer Anleihe kann für die ganze Laufzeit fest vereinbart werden. Während festverzinsliche Anleihen früher weitverbreitet waren, werden sie heute in Anbetracht der steigenden Inflation und der wachsenden Zinsen sowie der Kosten der Refinanzierung weniger emittiert. Daneben stehen Anleihen mit einem variablen Zinssatz, der je nach Anleihebedingungen in periodischen Abständen an die Entwicklung des Kapitalmarktes angepasst werden kann. Zwischen Anleihen mit fester und variabler Verzinsung stehen Hybridanleihen: bei diesen werden während der Laufzeit der Anleihe für einen bestimmten Zeitraum feste und für einen weiteren variable Zinsen gezahlt. Eine weitere Besonderheit stellen unverzinsliche Anleihen dar, sogenannte Nullkupon-Anleihen. Bei denen werden während der Laufzeit der Anleihe keine Zinsen gezahlt, sondern stattdessen für Ausgabe und Rückzahlung der Anleihe unterschiedliche Kurse festgelegt.
Die Laufzeiten einzelner Anleihen unterscheiden sich ganz erheblich voneinander. Festverzinsliche Anleihen können eine Laufzeit von einem Jahr bis zu zehn oder sogar 30 Jahren haben. Variabel verzinsliche Anleihen weisen regelmäßig Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren auf. Eine Sonderstellung in Bezug auf die Laufzeit haben Hybridanleihen: diese können eine unbegrenzte Laufzeit aufweisen und räumen stattdessen Anleihegläubigen Kündigungsrechte ein.
Bedeutung von Anleihen für die Praxisfinanzierung
Die Frage nach der (künftigen) Bedeutung von Anleihen in der Praxisfinanzierung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist nicht leicht zu beantworten. Eine einzelne Arztpraxis, wie groß und finanzstark sie auch sein mag, wird es angesichts der Komplexität und den Anforderungen des Kapitalmarktes sowie der hohen Kosten kaum schaffen, eine Anleihe auf dem Kapitalmarkt zu platzieren. Anders kann es hingegen aussehen, wenn mehrere beziehungsweise viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, zum Beispiel verbunden als eine Gesellschaft mit dem Zweck der Anleiheemission, gemeinsam und mit der Unterstützung einer Investmentbank eine Anleihe emittieren würden, um ihre Investitionen zu finanzieren.
Es ist noch weitgehend ungeklärt, ob eine solche gemeinsame Anleiheemission insbesondere nach dem ärztlichen Berufsrecht zulässig wäre. Hier wäre zu bedenken, dass eine Investmentbank nur dann bereit wäre, die Anleihe auf dem Kapitalmarkt zu platzieren, wenn sie sich von der Solvenz sowie der Kapitalmarktfähigkeit und -bereitschaft einzelner Emissionsteilnehmer überzeugen kann. Eine solche Überzeugung wird eine Investmentbank nur durch eine umfassende Due diligence (Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsprüfung) bei den Emittenten gewinnen können. Eine Due diligence erfordert einen tiefen Einblick in die Interna der Emittenten, sodass zweifelhaft ist, ob die Daten der Patienten von einer solchen Due diligence sicher separiert werden könnten. Ferner wäre zu berücksichtigen, dass eine Investmentbank beziehungsweise ein Bankenkonsortium auf Emittenten einer Anleihe erheblichen Einfluss gewinnen kann, was eine Diskussion über die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit anstoßen kann.
Auf der anderen Seite stehen die Vorteile einer Anleiheemission für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte: weitgehende Unabhängigkeit von strengen Vorgaben für die Kreditgewährung im Rahmen der Bankdarlehen, gesicherte Investitionsfinanzierung über Jahre, geringere Zinsen im Vergleich zu einem Darlehen, keine Übermacht einer Bank als alleiniger Kreditgeber, eine Diversifizierung von Kreditrisiken, im Vergleich zu einem
Darlehen flexiblere Laufzeiten sowie eine größere Möglichkeit, auf die Gestaltung von Anleihebedingungen Einfluss zu nehmen. Letztlich stellen die Problematiken bei der Etablierung von ärztlichen Anleihen Kinderkrankheiten beziehungsweise Anfangsschwierigkeiten dar, die sich mit gutem Willen und fundiertem kapitalmarktrechtlichen Knowhow überwinden lassen.
3. Weitere Quellen der Praxisfinanzierung auf dem Kapitalmarkt
Neben Anleihen existiert auf dem Kapitalmarkt eine große Anzahl von Finanzinstrumenten beziehungsweise von Finanzierungsquellen, die für Praxisfinanzierungen auch interessant sein können. Hierzu gehören insbesondere Schuldscheindarlehen und Fondsbeteiligungen.
Schuldscheindarlehen
Schuldscheindarlehen haben viele Ähnlichkeiten zu Anleihen, sind jedoch in der rechtlichen Ausgestaltung regelmäßig einfacher und im Volumen deutlich kleiner als Anleihen. Auf dem Kapitalmarkt gibt es viele Unterarten von Schuldscheindarlehen, die sich in der Anzahl der Kreditgeber und Kreditnehmer sowie der Art der Platzierung auf dem Kapitalmarkt unterscheiden. Überwiegend wird ein Schuldscheindarlehen von einem Kreditinstitut konzipiert und anschließend in Teilbeträgen an verschiedene nachfolgende Kreditgeber durch Abtretung oder Vertragsübernahme weitergereicht. Der Vorteil von Schuldscheindarlehen liegt in der großen Flexibilität bei Ausgestaltung des Darlehensvertrages und im Vergleich zu einer Anleihe weniger strengen kapitalmarktrechtlichen Anforderungen. Für die Praxisfinanzierung von Ärztinnen und Ärzten können sich am ehesten die direkten Schuldscheindarlehen eignen, bei denen Kreditinstitute lediglich als Vermittler des Darlehens auftreten. Solche Schuldscheindarlehen stellen auf dem Kapitalmarkt allerdings Ausnahmen dar.
Fondsbeteiligungen
Unter Fondsbeteiligungen sind insbesondere offene und geschlossene Immobilienfonds, Immobilienaktiengesellschaften und sogenannte REIT (Real Estate Investment Trust) zu erwähnen. Bei Beteiligungen an offenen Immobilienfonds profitieren Anleger einerseits vom starken Wachstum der Fondsimmobilien und andererseits von der gesetzlichen Möglichkeit, Fondsanteile zurückzugeben (§ 98 Abs. 1 Kapitalanlagegesetzbuch, KAGB). Diese Möglichkeit fehlt bei geschlossenen Immobilienfonds. Immobilienaktiengesellschaften und REIT haben in Deutschland keine große Bedeutung erlangt. Anleger, die sich an allen diesen Anlageklassen beteiligen, müssen mit dem Risiko leben, dass steigende Inflation und die neue Zinspolitik der Europäischen Zentralbank einen weiteren Anstieg der Immobilien-preise bremsen können.