Ärztliche Versorgungswerke: Bröckelt der Lack?
A&W RedaktionAuch ärztliche Versorgungswerke sind nicht vor anhaltenden Niedrigzinsen gefeit. Immer mehr Mediziner sind deshalb verunsichert und bangen um ihre Rente. Wie Ärzte sich jetzt noch absichern können und ob ihre Angst vor Altersarmut berechtigt ist, haben wir im folgenden Beitrag beleuchet.
Verwirrt hält Gynäkologe Christian Kulmbach aus Würzburg den Brief in der Hand. Acht Jahre lang hatte der Mediziner in einer hessischen Kleinstadt praktiziert und Beiträge an das dortige Versorgungswerk entrichtet. Jetzt teilt die Einrichtung mit, dass die Rentenanwartschaft des 47-jährigen Praxisinhabers „durch neue Berechnungsmodalitäten“ von monatlich 380 Euro auf 250 Euro gesunken ist. Knapp 30 Prozent Verlust.
„Hätte Kulmbach bis zum Ende seiner Berufstätigkeit an dieses Versorgungswerk gezahlt, wäre das Defizit weniger stark aufgefallen“, meint Markus Sobau, Geschäftsführer von MediSecur in Mannheim. Seit 20 Jahren beraten der Finanzplaner und sein 20-köpfiges Expertenteam Mediziner in Finanzfragen. Zwar hat ein Großteil der 89 deutschen Versorgungswerke den Rechnungszins von bisher üblichen vier Prozent auf bis zu zwei Prozent gesenkt, trotzdem würden nur in seltensten Fällen bestehende Rentenansprüche gekürzt. „Stattdessen steigen die Anwartschaften einfach weniger schnell“, erklärt der Finanzwirt. Diese Vorgehensweise verwässere den Wertverlust. Das Resultat aber bleibe gleich: weniger Rente.
Kapitalumfeld bleibt unsicher
„Trotz Niedrigzinsphase erwirtschaften die meisten Versorgungswerke Erträge oberhalb ihres Rechnungszinses“, beruhigt Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständiger Versorgungseinrichtungen (ABV). Denn anders als etwa bei Lebensversicherungen ist das Finanzmodell der Werke elastisch. Laut Anlageverordnung muss nur ein Viertel der Kapitalanlagen in festverzinslichen Wertpapieren stecken. Daher erhöhen momentan viele Einrichtungen Immobilien- und Aktienquoten. Das federe – so verschiedene Pressestellen – die Einbußen ab. An langfristige Prognosen traut sich allerdings keine der Organisationen. Zu unsicher sei das Kapitalumfeld. Fakt ist, dass die durchschnittliche Arzt-Rente von 2004 bis heute um weniger als zwei Prozent angehoben wurde.
Steuerlast nimmt zu
Was erschwerend hinzukommt und laut Finanzberater Sobau den wenigsten Ärzten vor Augen steht: Künftige Rentner müssen ihr Altersruhegeld höher versteuern. Ausschlaggebend ist die geltende Besteuerungssituation im Jahr des Renteneintritts. Wer 2025 den Ruhestand antritt, versteuert bereits 85 Prozent der monatlichen Auszahlungen – ein Leben lang. Besonders hart trifft die Regelung Rentner ab dem Jahr 2040. „Deren Monatsbeträge sind voll steuerpflichtig“, bestätigt Björn Demuth, Fachanwalt für Steuerrecht aus Stuttgart. So landen von beispielsweise 4.000 Euro Rente ab 2030 nur noch circa 2.500 Euro netto auf dem Konto.
Private Krankenversicherung schlägt zu Buche
Ein ebenso unterschätzter Kostenpunkt ist die meist private Krankenversicherung. Diese berechnet Beiträge nicht nach Einkommen wie ihre gesetzlichen Kollegen, sondern nach dem individuellen Risiko, krank oder pflegebedürftig zu werden. Daher steigen die Kosten im Alter auf monatlich 600 bis 800 Euro. „PKV-Beiträge gehen von der Nettorente ab“, erklärt Jörg Weber, Finanzfachwirt und PKV-Experte aus Nürnberg. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bezuschussen Versorgungswerke Beitragszahlungen nicht.
Freiwillige Zuzahlungen sinnvoll?
Um ihre Anwartschaften zu erhöhen, reagieren viele Mediziner mit freiwilligen Zuzahlungen. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, sagt ABV-Mann Strunk, „mehr Leistungen und eine verminderte Steuerlast während der aktiven Zeit.“ Anlageberater Sobau hingegen rät eher zur Skepsis. „Alle Finanzmittel, auch Zuzahlungen, sind im Versorgungswerk bis zur Rente und darüber hinaus gebunden“, gibt er zu bedenken. Egal in welcher Notlage, während des Erwerbslebens kommen Ärzte nicht an die Ersparnisse heran. Und auch nach Renteneintritt ist keine Einmalauszahlung möglich. „Anstatt freie Gelder per Zusatzzahlung zu binden, sollten Ärzte damit eine individuelle und verfügbare private Altersvorsorge aufbauen“, empfiehlt der Fachmann. Diese sollte sowohl steuerliche als auch persönliche Aspekte berücksichtigen. Sinnvolle Möglichkeiten mit mehr Ertrag und Sicherheit sind Immobilien und abgesicherte Wertpapierdepots, bei dem investierte Mittel kurz- bis mittelfristig verfügbar bleiben.
Festzuhalten bleibt: Das Versorgungswerk ist vielleicht nicht mehr der unfehlbare Heilsbringer, der es einst war, bleibt aber trotzdem ein vergleichsweise stabiler Baustein für die Ruhestandsplanung. Solange es nicht der Einzige ist. In Zeiten niedriger Zinsen und unsicheren Kapitalmärkten sollten Mediziner sich nicht ausschließlich auf die Institution verlassen. Zwar werden Arzt-Renten in absehbarer Zeit nicht sinken, aber im Gegensatz zu steuerlichen und versicherungsbasierten Aufwendungen eben auch nicht nennenswert steigen. Wer sich absichern will, kombiniert die berufsständigen Leistungen mit einem zweiten privaten Renten-Standbein. Die Angst vor Altersarmut ist zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls unbegründet.