Wie die Covid-19-Pandemie das ärztliche Handeln beeinflusst
Marzena SickingDie seit fast zwei Jahren anhaltende Covid‐19-Pandemie bedeutet für Ärzte und Ärztinnen eine bisher einzigartige Belastungssituation, die mit großen physischen und psychischen Herausforderungen verbunden ist. Eine aktuelle Studie untersucht in diesem Zusammenhang, wie die Covid-19-Pandemie das ärztliche Handeln beeinflusst.
Wie erleben Ärzte und Ärztinnen ihr eigenes Handeln in der Pandemie? Wie gehen sie mit den besonderen Herausforderungen um? 1476 ärztliche Mitglieder der Ärztekammer Westfalen‐Lippe äußerten sich vom 16.11. bis 31.12.2021 im Rahmen einer Online-Befragung* dazu.
Sie beantworteten Fragen zu ihrer Lebenssituation, zu den von ihnen behandelten Patienten sowie zu den Belastungen, denen sie selbst ausgesetzt waren. Die Teilnehmer sind etwa zur Hälfte Krankenhaus- und zur Hälfte niedergelassene Ärzte und Ärztinnen. Die meisten von ihnen haben bereits mehr als zehn Jahre Berufserfahrung. Erste Ergebnisse dieser Studie zeigen gravierende Auswirkungen der Pandemie auf die befragten Mediziner und deren Tätigkeit.
Patientenwürde wurde nicht gewahrt
Die Mehrheit der Befragten (84 Prozent) hatte selbst Covid-19-Patienten behandelt. Nach ihrer Aussage ging dies mit großen Einschränkungen im Arbeitsalltag einher. Rund drei Viertel fühlten sich in ihrer Arbeit beeinträchtigt und berichteten, die akute Behandlung von Nicht-Covid-19-Patienten sei eingeschränkt, wobei 52 Prozent „etwas eingeschränkt“ angaben, 29 Prozent „stark eingeschränkt“.
Nach Einschätzung der befragten Ärzte konnte in etwa einem Drittel der Fälle die Patientenwürde nicht gewahrt werden. 43 Prozent fühlten sich durch externe Vorgaben in ihrem ärztlichen Handeln behindert.
Schlafstörungen und Erschöpfung bei Ärzten
Die besonderen Belastungen während der Pandemie hatten schwerwiegende Konsequenzen: Rund 60 Prozent der Befragten fühlten sich hilflos. Mehr als die Hälfte der Befragten litt an Schlafstörungen und über drei Viertel berichteten über Erschöpfungssymptome und sogenannte „Mitgefühlsmüdigkeit“ (compassion fatigue) in der ärztlichen Arbeit.
Klinische Anzeichen einer Depression zeigten sich bei 12 Prozent der Befragten und Anzeichen einer Angststörung bei weiteren 12 Prozent. Nach dieser ersten Datenauswertung sind die Beeinträchtigungen bei den Krankenhausärzten ausgeprägter als bei den Niedergelassenen.
Hilflosigkeit bei Ärzten
Dazu Studienleiter Prof. Andreaas Ladwig: „(…) Wie wir sehen, gehen die extremen Belastungen auch an erfahrenen Mediziner:innen nicht spurlos vorüber, sondern führen zu schwer beherrschbarem psychosozialem Stress. Verbreitete Hilflosigkeit bei Ärzten und Ärztinnen, einer Berufsgruppe, die es eigentlich gewohnt ist, Situationen zu beherrschen und zu meistern, ist alarmierend.“
Die wissenschaftliche Publikation der Studie ist zurzeit in Vorbereitung. Die detaillierte Datenauswertung soll unter anderem auch zeigen, wie sich die Auswirkungen der Pandemie bei Klinikärzten und Niedergelassenen unterscheiden.
*Der Kardiologe Prof. Andreas Goette, St. Vincenz‐Krankenhaus Paderborn, und der Psychosomatiker Prof. Karl-Heinz Ladwig, Technische Universität München, haben die Befragung in Kooperation mit dem Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) und der Ärztekammer Westfalen-Lippe durchgeführt.
Quelle: IDW Online