Warum die Zahl der berufstätigen Ärzte in Deutschland nicht ausreicht
Marzena SickingDie Zahl der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland steigt zwar, aber nicht so stark wie der Bedarf an ärztlichen Leistungen. Die Bundesärztekammer schlägt Alarm.
Wie aus aktuellen Daten der Bundesärztekammer hervorgeht, waren im Jahr 2021 bei den Landesärztekammern insgesamt 416.120 berufstätige Ärztinnen und Ärzte gemeldet. Damit stieg die Zahl – genau wie 2020 – gegenüber dem Vorjahr um 1,7 % bzw. um rund 7.000 Personen. Das bedeutet allerdings auch, dass sich der Zuwachs verlangsamt: 2019 lag er noch bei 2,5 %.
Zuwachs bei Medizinstudierenden reicht nicht aus
„Wir verzeichnen zwar ein leichtes Wachstum bei der Zahl der Ärztinnen und Ärzte, leider reicht dieser Zuwachs aber bei Weitem nicht aus, um den Behandlungsbedarf einer Gesellschaft des langen Lebens auf Dauer zu decken“, sagte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) zu den Ergebnissen. Trotz der leicht gestiegenen Ausbildungsplatzkapazitäten an Deutschlands medizinischen Fakultäten dürfe bezweifelt werden, ob das deutsche Bildungssystem eine ausreichende Zahl an Ärztinnen und Ärzten hervorbringt.
Tatsächlich mangelt es nicht nur an Studienplätzen. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung hin zu mehr Teilzeitarbeit und weniger Überstunden schlägt sich auch in der Ärzteschaft nieder. Dadurch werden insgesamt mehr Ärzte benötigt, um die freien Stellen in der medizinischen Versorgung zu besetzen und die Zahl der zur Verfügung stehenden Arztstunden konstant zu halten.
Auch die Ärzteschaft wird immer älter
Dazu kommen noch die steigenden Behandlungszahlen: Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft wuchs die Zahl der Behandlungsfälle in den Krankenhäusern zwischen 1991 und 2019 von 14,6 auf 19,4 Millionen. Hinzu kommen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung etwa eine Milliarde Arztkontakte jährlich in den Praxen. Und der Behandlungsbedarf wird weiter zunehmen. Allein bei den Diabeteserkrankungen prognostiziert das Deutsche Diabetes-Zentrum einen Anstieg um bis zu 77 Prozent bis zum Jahr 2040.
Die Gesellschaft wird älter, und mit ihr auch die Ärztinnen und Ärzte. Jeder Fünfte steht unmittelbar vor dem Ruhestand. Über 13 Prozent der Ärztinnen und Ärzte gehören der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen an; weitere 8,5 Prozent haben das 65. Lebensjahr bereits überschritten. Damit verschärft sich die ohnehin angespannte Personalsituation in Kliniken und Praxen in den nächsten Jahren noch weiter. So geht der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte davon aus, dass etwa ein Viertel der Kinder- und Jugendärzte zwischen 2020 und 2025 aus dem Berufsleben ausscheidet.
BÄK-Präsident Reinhardt: „In der Pandemie dürfte jedem klar geworden sein, dass eine gute Personalausstattung in der medizinischen Versorgung kein Luxus ist, sondern schnell zu einer existenziellen Frage werden kann.“ Die Politik müsse daraus endlich Konsequenzen ziehen und wirksame Maßnahmen gegen den Ärztemangel ergreifen. „Dazu gehören neben mehr Studienplätzen in der Humanmedizin auch attraktive berufliche Rahmenbedingungen, um junge Ärztinnen und Ärzte in der kurativen Medizin zu halten“, fordert der BÄK-Präsident. Gerade in vielen ländlichen Regionen sei der Ärztemangel schon heute Realität.
Zuwanderung verlangsamt sich deutlich
Die Zuwanderung von ausländischen Ärztinnen und Ärzten – vor der Pandemie ein entlastender Faktor für die medizinische Versorgung – verlangsamte sich weiter. Im Jahr 2021 stieg die Zahl der Ärztinnen und Ärzte mit ausländischer Staatsangehörigkeit nur um rund 1.100 auf rund 57.200. Dies entspricht einem Plus von lediglich 1,9 Prozent – nach Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent in den Vorjahren. Gleichzeitig stieg die Zahl der ins Ausland abgewanderten Ärztinnen und Ärzten nach einem Einbruch im Jahr 2020 wieder an und erreichte mit rund 1.900 Abwanderungen das Niveau der Vorjahre.
Zudem nahmen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich mehr Ärztinnen und Ärzte Elternzeit (+7,7 Prozent) in Anspruch. Insgesamt sind rund 132.000 Ärztinnen und Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit; davon rund 93.000 im Ruhestand.
Quelle: Bundesärztekammer