Transport über die Blut-Hirn-Schranke auf zellulärer Ebene
Dr. Melanie SöchtigDie Blut-Hirn-Schranke wehrt schädliche Stoffe und Krankheitserreger vom Gehirn ab. Doch auch viele Medikamente können diese Barriere nicht passieren. Einem Forscherteam ist es jetzt gelungen, den Transport über die Blut-Hirn-Schranke auf zellulärer Ebene zu beobachten.
Heute weiß man, dass die Blut-Hirn-Schranke nicht nur ein starrer Filter für bestimmte Moleküle ist, sondern dass der Transport in Abhängigkeit vom biologischen Zustand des Körpers auf sehr dynamische Weise reguliert wird: Er ist eng mit neuronaler Aktivität, Stress, Schlaf, Ernährungsumstellung und mit dem Immunsystem gekoppelt.
So überrascht es kaum, dass Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung stehen. So wird beispielsweise ein kausaler Zusammenhang mit Alzheimer und Epilepsie vermutet.
Stofftransport wird dynamisch reguliert
Trotz vieler neuer Erkenntnisse zur Funktion der Blut-Hirn-Schranke in den letzten Jahren, sind weiterhin viele Details der komplexen Interaktionen ungeklärt. Ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen könnte unter anderem für die Behandlung von neurologischen Erkrankungen bedeutsam sein.
Denn: Viele Moleküle, die potenziell im Zentralnervensystem wirken könnten, gelangen nach oraler oder intravenöser Verabreichung nicht an ihren Wirkort, da sie die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren können. Darüber hinaus können pathophysiologische Veränderungen den Medikamententransport ins Gehirn stark beeinflussen.
Forschende vom Universitätsklinikum Bonn (UKB) und der Universität Bonn haben jetzt in einer Studie mithilfe einer neuartigen Methode die Funktion der Blut-Hirn-Schranke untersucht. Hierfür perfundierten sie mit Mikropipetten lokal Kapillaren in frischen Hirnschnitten von Menschen und Mäusen. Im Multiphotonenmikroskop konnten sie dabei den Stofftransport über die Blut-Hirn-Schranke auf zellulärer Ebene beobachten und undichte Stellen in der Barriere sichtbar machen.
Auf der Suche nach Lecks
Prof. Dirk Dietrich, Leiter der Sektion experimentelle Neurochirurgie an der Klinik für Neurochirurgie am UKB, vergleicht die neue Analysetechnik mit einem platten Fahrradreifen: „Wenn der Reifen Luft verliert, weiß man nicht, wo die undichte Stelle ist. Darum hält man den aufgepumpten Fahrradschlauch unter Wasser, um das Leck zu identifizieren. Dieses Prinzip liegt auch unserer Verfahrensweise zugrunde.“
Die Studienautorinnen und -autoren hoffen, dass das neue Verfahren die frühe Wirkstoffentwicklung vorantreiben könnte. „Mit der von uns entwickelten Methode haben wir ein gutes Handwerkzeug, um zu bewerten, ob Wirkstoffe im Gehirn ankommen“, so die Erstautorin Dr. Amira Hanafy, Postdoktorandin an der Klinik für Neurochirurgie des UKB.