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Finanzen

Sie trainieren Finanzberater. Spielt dabei der Unterschied zwischen Frauen und Männern eine Rolle?

Psychologin Monika Müller von FCM Finanz Coaching aus Wiesbaden

Foto: V-Bank

Monika Müller: Ja, aber anders als Sie vielleicht denken. Denn ich muss hier mit einem Vorurteil aufräumen: Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht keinen signifikanten Geschlechterunterschied der Risikobereitschaft bei Finanzfragen. Die landläufige Einschätzung, wonach Männer risikofreudig und Frauen deutlich risikoscheuer sind, lässt sich in Studien nicht belegen.  Das heißt aber nicht, dass es keine individuellen Unterschiede gibt. Ein guter Finanzberater sollte sich meiner Meinung nach an der Persönlichkeit des Kunden orientieren und nicht an seinem Geschlecht.

Kann es sogar ein Nachteil für die Berater sein, einen Genderunterschied zu machen?

Müller: In Beratungsgesprächen von Paaren passiert es nicht selten, dass überwiegend die Männer mit Zahlen, Daten und Fakten angesprochen werden und sich Frauen nicht auf Augenhöhe behandelt fühlen. Gerade bei Geschäftsmodellen wie etwa unabhängigen Vermögensverwaltern, die auf generationsübergreifende Kundenbeziehungen ausgelegt sind, sollte eines nicht unterschätzt werden: Statistisch überlebt die Frau den Mann und wird meist den Löwenanteil des Vermögens noch Jahre kontrollieren, bevor die Kindergeneration bestimmen darf. Tatsächlich gibt es Studien, die zeigen, dass Frauen in Beratungen im Schnitt teurere Finanzprodukte empfohlen werden als Männern. Da die Kosten aber langfristig eine ganz wesentliche Rolle bei der Performance spielen, gibt es ein nicht unwesentliches Risiko, dass die Anlegerinnen unzufrieden werden und ihren Berater wechseln.

Aber gibt es denn gar keine Unterschiede in Finanzfragen zwischen Männern und Frauen?

Müller: Die herrschenden Vorurteile haben natürlich einen Einfluss. Auch die Lebenssituation von Männern und Frauen unterscheidet sich de facto noch immer in unserer Gesellschaft, das führt zu anderen Möglichkeiten und Bedürfnissen bei der Geldanlage. Je mehr sich das aber angleicht, desto mehr verschwinden die Unterschiede. Wirklich breit angelegte Studien haben ergeben, dass die persönliche Risikobereitschaft von Männern und Frauen normalverteilt und damit ähnlicher ist, als wir allgemein denken.  Beide tendieren leicht dazu, Gefahren fürs Vermögen eher zu vermeiden. Letztlich rücken auch für die meisten Männer eher Sicherheitsaspekte in den Vordergrund, wenn sie eine Familie gründen. Das ist keine Frage des Geschlechts, sondern eine der veränderten Vermögenssituation.

Aber es heißt doch immer, Frauen wären langfristig erfolgreicher bei der Geldanlage?

Müller: Leider muss ich auch mit diesem Mythos aufräumen. Die Untersuchungen, auf denen dieser Glaube beruht, sind oft schon einige Jahre alt und bilden nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit ab. Tatsächlich waren die Frauen, die schon vor einigen Jahren in Sachwerte wie Aktien und Immobilien investiert haben, erfolgreich. Aber das war letzten Endes eine kleine Gruppe. Daraus abzuleiten, Frauen wären generell die besseren Geldanleger, ist zu weit gegriffen. Aktuelle internationale Studien zeigen immer wieder: beide profitieren von guter Beratung.

Gibt es denn am Aktienmarkt einen Fehler, den Männer eher machen als Frauen?

Müller: Auch wenn sich die Geschlechter in der Risikobereitschaft nicht wirklich unterscheiden, gibt es manchmal eine andere Risikowahrnehmung. Männer haben die Tendenz, die Schwankungsgefahr von Einzelaktien zu unterschätzen, weil sie sich quasi in ein Unternehmen verlieben. Frauen sind da vergleichsweise nüchterner. Also ganz im Gegensatz zum sonst geltenden Vorurteil, sind nicht die Damen die emotionalen Anleger, sondern eher die Herren. Bei beiden Geschlechtern spielen übrigens Gefühle beim Thema Immobilien eine ganz entscheidende Rolle. Hier wird die Risikowahrnehmung oft von Sehnsüchten, Bedürfnissen und dem eigenen Background überlagert.

Autor: Florian Junker