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Gynäkologie
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Immer mehr Frauen entbinden in Deutschland per Kaiserschnitt. Laut Statistischem Bundesamt waren es 1991 15,3 Prozent, bis 2021 verdoppelte sich die Anzahl auf 30,9 Prozent.

Wenn bei einer werdenden Mutter sowohl die vaginale als auch die Kaiserschnittentbindung in Betracht kommt, müssen Gynäkologinnen und Gynäkologen sie über die Vorteile und Risiken beider Geburtsvarianten aufklären. Und zwar so, dass sie genügend Zeit hat, eine informierte Entscheidung zu treffen.

 

Sonderfall: zweite Aufklärung über die Schnittentbindung

Es kann aber sein, dass eine nochmalige Aufklärung über die Schnittentbindung nötig wird. Das ist der Fall, wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der Risikoeinschätzung der verschiedenen Entbindungsmethoden führen.

So entschied der Bundesgerichtshof (28.08.2018, Az. VI ZR 509/17): Eine erneute Aufklärung ist notwendig, wenn sich während des Geburtsvorgangs die Gefahr abzeichnet, es könne eine Situation eintreten, bei der ein Kaiserschnitt medizinisch indiziert ist. Zudem muss dann die Einwilligung für die Sectio zu einem Zeitpunkt eingeholt werden, in dem sich die Mutter noch in einem Zustand befindet, in dem diese Problematik mit ihr besprochen werden kann.

Problemfall: absolute Sectioindikation

Problemtisch kann es auch werden, wenn eine absolute Sectioindikation vorliegt. Laut der S3-Leitlinie „Sectio caesarea“ zählen dazu eine Querlage, eine (drohende) Uterusruptur, eine Placenta praevia oder eine vorzeitige Plazentalösung. Sie ist zwingend notwendig, um das Leben von Mutter und/oder Kind zu retten.

Möchte eine Patientin in einer solchen Konstellation dennoch eine vaginale Geburt, wird es kniffelig. Denn rechtlich gesehen würde damit ein Behandlungsfehler vorliegen. Das bedeutet: Ist ein Kaiserschnitt zwingend geboten, dürfen Gynäkologinnen und Gynäkologen nicht über alternative Geburtsmodi aufklären. Tun sie es doch und entscheidet sich die Frau danach trotz der absoluten Sectioindikation für eine vaginale Geburt, stehen ihr bzw. dem Kind Schadenersatz und Schmerzensgeld zu, falls Komplikationen auftreten.

Über die Risiken einer Sectio müssen Ärztinnen und Ärzte aber auch bei einer absoluten Indikation aufklären. Zudem müssen sie deutlich vermitteln, dass ein Festhalten an der Vaginalgeburt eine Unterschreitung des geburtshilflichen Standards und damit einen Behandlungsfehler darstellen würde. Dennoch bleibt es auch hier bei dem Grundsatz, dass die Entscheidung über das Geburtskonzept allein die Sache der Schwangeren ist.

Kaiserschnitt oder natürliche Geburt? Wünsche der Schwangeren beachten

Schwierig wird es für alle Beteiligten also immer, wenn die Gebärende trotz einer absoluten Sectioindikation auf eine vaginale Geburt besteht. Dann ist es Ärzten verboten, gegen ihren Willen einen Kaiserschnitt vorzunehmen. Vielmehr müssen sie die standardunterschreitende Behandlung durchführen. Angesichts der immensen Risiken, die damit verbunden sind, sollten sie in einer solchen Situation darauf bestehen, dass die Schwangere ihren Wunsch vor Zeugen äußert und ein entsprechendes Dokument unterschreibt – selbst, wenn dies während einer komplizierten Geburt herzlos und technokratisch erscheint.

Pflicht zur Alternativaufklärung

Sind eine vaginale und eine Geburt per Kaiserschnitt bei einer Schwangeren gleichermaßen indiziert, müssen der Frau (mit ausreichend Vorlauf) auch beide Varianten als echte Alternativen aufgezeigt werden. Dabei ist die Frau auf alle damit verbundenen Vor- und Nachteile hinzuweisen. Diese Pflicht zur sogenannten Alternativaufklärung ergibt sich aus § 630e BGB.