Prostatakrebs: PSA-Test löst digital-rektale Untersuchung ab
Marcus SefrinIn der neuen Prostatakrebs-Leitlinie wird der PSA-Test als neuer Standard bei der Früherkennung ausgerufen. Basis für diesen Schritt ist unter anderem die PROBASE-Studie, die ein risikoadaptiertes Screening mit einer Basis-PSA-Bestimmung im Alter von 45 oder 50 Jahren untersucht.
Empfehlung 4.1 der neuen S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom ist eine kleine Revolution: „Zur Früherkennung von Prostatakarzinomen soll keine digital-rektale Untersuchung erfolgen“, fassen die Leitlinienautoren die ausgewertete Evidenz zusammen.
Neue S3-Leitlinie: Digital-rektale Untersuchung nicht mehr empfohlen
Die über den Enddarm durchgeführte Tastuntersuchung – in weiten Teilen der Bevölkerung Sinnbild für die Prostatakrebs-Früherkennung und für das Fachgebiet der Urologie insgesamt – kommt damit ganz offiziell aufs Abstellgleis.
Endgültig angekommen ist die neue Empfehlung allerdings noch nicht, denn im Rahmen der gesetzlichen Krebsfrüherkennung übernehmen Krankenkassen für Männer ab 45 Jahren bisher nur die jährliche digital-rektale Untersuchung (DRU), und zwar schon seit 1971. „Wir hoffen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss auf Basis dieser Empfehlungen die Regelungen zur gesetzlichen Früherkennung prüft und entsprechend anpasst“, erklärt Prof. Marc-Oliver Grimm, Jena, Sprecher der Leitliniengruppe.
PSA-Test als neuer Standard: So funktioniert das moderne Screening
Nach Empfehlung der überarbeiteten S3-Leitlinie soll Männern ab 45 Jahren nach ärztlicher Beratung ein Screening angeboten werden, das auf dem Wert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) basiert.
Ist der bestimmte Wert mit unter 1,5 ng/ml sehr niedrig, soll die Kontroll-Untersuchung erst nach fünf Jahren erfolgen, ansonsten alle zwei Jahre. Ab einem bestätigten PSA-Wert über 3 ng/ml soll eine urologische Konsultation erfolgen, um das Risiko zu bewerten. Hier kann neben Faktoren wie Alter, Lebenserwartung oder familiärer Belastung auch die Tastuntersuchung wieder ins Spiel kommen, da die in der Leitlinie genannten Risikokalkulatoren wie der Rotterdam Prostate Cancer Risk Calculator (RPCRC) und der Prostate Cancer Prevention Trial Risk Calculator (PCPTRC) diese zur individuellen Risikoabschätzung beinhalten.
Bestätigt sich ein hohes Risiko für Prostatakrebs, empfiehlt die Leitlinie eine Diagnostik per Magnetresonanztomografie (MRT) der Prostata zur weiteren Risikostratifizierung. Das MRT dient auch zur Planung einer gegebenenfalls nötigen Biopsie, diese sieht die Leitlinie generell bei einem Score von 4 und 5 im Prostate Imaging-Reporting and Data System (PI-RADS) vor, bei einem Score von 3 und niedrigem individuellem Risiko sowie bei einem Score von 1 oder 2 dagegen nicht. Dieser Verzicht auf eine Biopsie bei PI-RADS 1- und 2-Befunden, die auf eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit eines Prostatakarzinoms hinweisen, ist ebenfalls eine Neuerung der Leitlinie.
PROBASE-Studie beweist: PSA-Screening überlegen bei Prostatakrebs-Früherkennung
Die Empfehlung für ein PSA- statt DRU-basiertes Screening fußt wesentlich auf den Ergebnissen der vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) koordinierten PROBASE-Studie (“Risk-adapted prostate cancer early detection study based on a 'baseline' PSA value in young men – a prospective multicenter randomized trial“). Sie soll primär klären, ob ein risikoadaptiertes Screening mit einer Basis-PSA-Bestimmung im Alter von 45 oder 50 Jahren begonnen werden sollte.
In den vier Studienzentren Düsseldorf, Heidelberg, Hannover und München wurden für die Studie von 2014 bis 2019 insgesamt 46.642 Männer im Alter von 45 Jahren rekrutiert. 2023 wurde eine Analyse veröffentlicht, nach der die Tastuntersuchung frühe Stadien des Prostatakrebs häufig nicht zuverlässig erkennt, während der PSA-Test in Verbindung mit neuen Diagnoseverfahren deutlich bessere Ergebnisse liefert.
Studienergebnisse: PSA-Test effektiver als Tastuntersuchung
6.537 Teilnehmer, die im Alter von 45 Jahren eine digital-rektale Untersuchung als einmaliges Screening erhalten hatten wurden eingeschlossen, in der prospektiven Analyse fanden sich unter den 57 Männern mit auffälliger Tastuntersuchung drei Prostatakarzinome. Das entsprach einer Detektionsrate von 0,05 Prozent, verglichen mit 0,21 Prozent beim PSA-Screening. Die richtig-positive Detektionsrate der Tastuntersuchung relativ zu PSA lag bei 0,22 und die falsch-positive Detektionsrate der Tastuntersuchung bei 2,2. Nur etwa 14 Prozent der mit dem PSA-Test detektierten Tumoren wurden auch mit einer DRU getastet.
Behandlung bei Niedrigrisiko-Tumoren: Aktive Überwachung statt sofortige Therapie
Weitere Änderungen der umfassenden Überarbeitung der S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom betreffen die Behandlung lokal begrenzter Niedrigrisiko-Tumoren, die häufig keiner Behandlung bedürfen: Hier wird ausschließlich die aktive Überwachung empfohlen, nicht mehr die primäre lokale Therapie durch Operation oder Bestrahlung. Auch für günstige-intermediäre Tumoren hat diese Strategie an Bedeutung gewonnen. „Therapien des Prostatakarzinoms sind oft mit Nebenwirkungen und Einschränkungen der Lebensqualität verbunden“, erläutert Grimm. „Mit der aktiven Überwachung vermeiden wir Überbehandlungen und behalten gleichzeitig den Patienten im Blick, um handeln zu können, sobald es nötig ist.“ Für das metastasierte Setting wurde die Leitlinie um neue Therapieoptionen zusätzlich zur Androgendeprivationstherapie (ADT) ergänzt. Außerdem enthält die Leitlinie aktualisierte Diagnostik-Empfehlungen für die Indikation und Durchführung bildgestützter Biopsien, die Diagnostik bei familiärer/genetischer Belastung inklusive Empfehlung zur humangenetischen Beratung und die Stadieneinteilung auf Basis moderner Bildgebung wie MRT und PSMA-PET/CT.
Praxisauswirkungen: Höhere Akzeptanz durch PSA-basiertes Screening erwartet
„Die rektale Tastuntersuchung ist bei Männern äußerst unbeliebt und wird daher selten wahrgenommen. Ein Prostatakrebs-Screening auf der Basis eines PSA-Tests könnte daher möglicherweise sogar die Teilnahmebereitschaft der Männer steigern“, schildert PROBASE-Studienleiter Prof. Peter Albers, Düsseldorf, mögliche Praxis-Auswirkungen der neuen Leitlinie.
Quelle:S3-Leitlinie Prostatakrebs, Version 8.0, Juli 2025; AWMF-Registernummer: 043-022OL