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Steuerrecht
Inhaltsverzeichnis

In Deutschland garantiert die Verfassung (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) den Bürgern, dass jede staatliche Entscheidung angefochten werden kann. Gerade und vor allem im Steuerrecht sollte diese Rechtsschutzgarantie der deutschen Verfassung nicht unterschätzt werden: Die deutschen Finanzämter können nicht nach Belieben Steuern festsetzen, sondern müssen die engen Vorgaben der Steuergesetze genau umsetzen. Häufig genug unterlaufen der deutschen Finanzverwaltung dabei Fehler: Man schätzt, dass zwischen 30 und 50 % aller in Deutschland erlassenen Steuerbescheide fehlerhaft sind.

Es kann also nicht schaden, wenn der Steuerzahler auch weiß, wie ein fehlerhafter Steuerbescheid angefochten und berichtigt werden kann. Das gesetzliche Instrumentarium für eine solche Anfechtung bieten förmliche Rechtsbehelfe, die dem betroffenen Bürger garantieren, dass ein fehlerhafter Steuerbescheid überprüft wird.

Unterschied zwischen förmlichen und nicht förmlichen Rechtsbehelfen

Die förmlichen Rechtsbehelfe unterscheiden sich von nicht förmlichen dadurch, dass sie nur von einem Betroffenen in einer bestimmten Form sowie in einer bestimmten Frist erhoben werden müssen. Die Finanzverwaltung muss über den erhobenen förmlichen Rechtsbehelf eine konkrete Entscheidung treffen, die den strengen gesetzlichen Erfordernissen entspricht.

Nichtförmliche Rechtsbehelfe können Sie formfrei und fristlos erheben, jedoch haben Sie im Gegenzug keinen Rechtsanspruch auf eine inhaltliche Überprüfung und auf eine Korrektur der angefochtenen Entscheidung.

Einspruch als förmlicher Rechtsbehelf: Beispiel

Fangen wir zur besseren Illustration der Funktionsweise von förmlichen Rechtsbehelfen mit einem konkreten Beispiel an. Nehmen wir an, sie als eine niedergelassene Ärztin bzw. ein niedergelassener Arzt erhalten von ihrem Wohnsitzfinanzamt ein Schreiben, das als „Einkommensteuerbescheid“ für das Jahr 2023 betitelt wird. In dem betreffenden Bescheid sehen Sie, dass das Finanzamt für Sie eine Einkommensteuer festgesetzt hat, die viel zu hoch ist. In der Begründung des Bescheids steht, dass ein Teil der Betriebsausgaben Ihrer Arztpraxis nicht anerkannt worden ist. Ferner lesen Sie weiter, dass das Finanzamt einige Ihrer Ausgaben für Versicherungen nicht in der zutreffenden Höhe anerkannt hat.

Gleich auf der ersten Seite des Steuerbescheids fordert das Finanzamt Sie auf, die festgesetzte noch ausstehende Einkommensteuer einen Monat nach dem Zugang des betreffenden Steuerbescheids an Sie zu zahlen. Sie sind mit der Einkommensteuerversetzung nicht einverstanden und wollen dagegen angehen. Wie machen Sie das? Sie haben hier die Wahl zwischen den förmlichen und nicht förmlichen Rechtsbehelfen. Selbstverständlich können Sie bei dem Finanzamt anrufen und sich über den fehlerhaften Steuerbescheid beschweren oder sie bzw. ein Steuerfachmann in Ihrem Auftrag können den fehlerhaften Steuerbescheid mit einem schriftlichen Einspruch an das Finanzamt anfechten. Man kann nur dringend raten, sich für die zweite Variante zu entscheiden und gegen den fehlerhaften Steuerbescheid einen förmlichen Rechtsbehelf (hier: einen Einspruch) zu erheben.

Welche Formalien muss man bei der Einspruchserhebung beachten?

Für eine sachgerechte Anfechtung eines Steuerbescheides brauchen Sie nicht zwingend der Hilfe eines Steuerfachmanns, sofern Sie einige grundlegende Formalia beachten und dem Finanzamt nachvollziehbar darlegen, warum aus Ihrer Sicht der angefochtene Steuerbescheid fehlerhaft ist. Der gesetzlich vorgesehene Rechtsbehelf, um einen fehlerhaften Steuerbescheid anzufechten, ist der Einspruch. Dieser wird in §§ 347 ff. der Abgabenordnung (AO) geregelt.

Das Gesetz stellt keine strengen Anforderungen an die Form eines Einspruchs und an die Einspruchsbegründung: Sie müssen lediglich den Einspruch schriftlich bzw. zur Niederschrift des zuständigen Finanzamts oder neuerdings auch in zugelassener elektronischer Form erheben.

Hierzu sollten Sie als erstes die Rechtsbehelfsbelehrung lesen, die jedem Steuerbescheid beigefügt werden muss. Aus der Rechtsbehelfsbelehrung erfahren Sie, welches Finanzamt für die Anfechtung des betreffenden Steuerbescheides zuständig ist. An dieses Finanzamt sollten Sie Ihren Einspruch gegen den fehlerhaften Steuerbescheid richten. Sie müssen Ihr Schreiben auch nicht als „Einspruch“ bezeichnen, es reicht aus, dass das Finanzamt eindeutig erkennen kann, dass Sie mit dem Inhalt des Steuerbescheides nicht einverstanden sind und eine abweichende Steuerfestsetzung oder die gänzliche Aufhebung des Steuerbescheides fordern.

Einspruchsfrist beachten: Sie haben maximal einen Monat!

Ihren Einspruch müssen Sie einen Monat nach dem Zugang des anzufechtenden Steuerbescheides an Sie oder an Ihren Bevollmächtigten erheben. Nicht entscheidend ist dabei, welches Datum der Steuerbescheid trägt, es kommt nur darauf an, wann Sie oder Ihr Bevollmächtigter den Steuerbescheid erhalten haben. Ab diesem Zeitpunkt an haben Sie genau einen Monat Zeit, den betreffenden Steuerbescheid mittels Einspruchs anzufechten.

Die Monatsfrist wird nur gewahrt, wenn der Einspruch innerhalb eines Monats dem zuständigen Finanzamt zugeht. Es reicht nicht aus, wenn der Einspruch innerhalb eines Monats abgesendet und dem Finanzamt erst nach Ablauf der Monatsfrist zugeht. Bestehen Zweifel hinsichtlich des Zugangs des Einspruchs bei dem Finanzamt, müssen Sie den rechtzeitigen Zugang bei dem Finanzamt nachweisen. Das können Sie, indem sie Ihren Einspruch als Einschreiben mit Rückschein oder mittels spezieller elektronischer Software, wie De-Mail, übermitteln. Das gleiche gilt übrigens für das Finanzamt: dieses muss nachweisen, dass ein Steuerbescheid Sie tatsächlich erreicht hat. Bestehen da Zweifel, gehen diese zulasten des Finanzamts, sofern ein Zugang eines Bescheides ihnen gegenüber nicht nachgewiesen werden kann.

Einspruchsbegründung verfassen

Zwar muss ein Einspruch nach dem Gesetz nicht zwingend begründet werden. In der Praxis kommt einer gelungenen Einspruchsbegründung allerdings die zentrale Bedeutung zu. Schließlich kann das Finanzamt bzw. der zuständige Sachbearbeiter einen Fehler in Ihrem Steuerbescheid häufig nicht ohne weitergehende Ausführungen und bzw. oder Nachweise Ihrerseits erkennen: schließlich sind Sie derjenige, der die eigene Situation am besten kennt. Schreiben Sie deshalb in Ihrer Einspruchsbegründung ohne Umschweife, warum Sie den Steuerbescheid für fehlerhaft halten und untermauern Ihre Einspruchsbegründung mittels geeigneter Unterlagen. Ist der Einspruch bei dem zuständigen Finanzamt form- und fristgerecht eingegangen, muss das Finanzamt über Ihren Einspruch entscheiden.

Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung nebst Aussetzungszinsen

Die Erhebung eines Einspruchs bedeutet nicht automatisch, dass Sie die ausstehende Steuerschuld bis zur Entscheidung des Finanzamts über Ihren Einspruch nicht begleichen müssen. Ein Einspruch hindert nämlich die Vollziehung, d. h. die Durchsetzung eines Steuerbescheides nicht. Das mag überraschend klingen, ist aber der gesetzlichen Systematik geschuldet. Sofern Sie erreichen möchten, dass nicht nur der Steuerbescheid von Finanzamt überprüft wird, sondern auch die Zahlung der ausstehenden Steuer bis zur Entscheidung des Finanzamts über den Einspruch aufgeschoben wird, müssen Sie zusätzlich zum Einspruch einen gesonderten Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides stellen. Wichtig zu wissen ist dabei, dass ein solcher Antrag nur zusammen mit dem Einspruch bzw. nur im Einspruchsverfahren gestellt werden kann. Diesen Antragt können Sie formulieren, indem Sie zusätzlich zur Erhebung des Einspruchs beantragen, die sofortige Vollziehung des konkreten Steuerbescheides bis zur abschließenden Entscheidung über Ihren Einspruch auszusetzen.

Bewilligt das Finanzamt Ihren Antrag auf die Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines Steuerbescheides, müssen Sie für den Aussetzungszeitraum die sogenannten Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat auf die ausstehende Steuerschuld zahlen, soweit Ihr Einspruch und gegebenenfalls Ihre Klage keinen Erfolg hatte.

Sog. Antrag auf schlichte Änderung eines Steuerbescheides

Hingegen ist ein Anruf bei dem Finanzamt mit der Bitte, die Steuerfestsetzung zu ändern – das Gesetz spricht hier von einem Antrag auf eine schlichte Änderung eines Steuerbescheids – in aller Regel die schlechtere Alternative zum Einspruch, da er einen Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides nicht vorsieht. Sie müssen deshalb die festgesetzte und fällige Steuer entrichten, wenn sie lediglich einen Antrag auf eine schlichte Änderung des Steuerbescheids gestellt und keinen Einspruch erhoben haben.

Klageverfahren vor einem Finanzgericht

Kommt das Finanzamt bei der Überprüfung des angefochtenen Steuerbescheides zur Ansicht, der betreffende Steuerbescheid sei fehlerfrei und die festgesetzte Steuer rechtmäßig, wird es an Sie oder an Ihren Bevollmächtigten eine Einspruchsentscheidung senden, in der er Ihren Einspruch zurückweisen wird. Gegen die Einspruchsentscheidung haben Sie die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach dem Zugang eine Klage zum zuständigen Finanzgericht zu erheben. Auch in einem Finanzgerichtsverfahren müssen Sie nach dem Gesetz nicht zwingend durch einen Steuerfachmann - das sind nicht nur Steuerberater, sondern auch Rechtsanwälte, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfer u. a. - vertreten sein. Allerdings sollte die Komplexität eines finanzgerichtlichen Verfahrens keineswegs unterschätzt werden. In aller Regel wird ein steuerlicher Laie mit verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Finanzgerichtsverfahrens überfordert sein, so dass spätestens bei der Klageerhebung die Einschaltung eines erfahrenen und qualifizierten Steuerfachmanns dringend anzuraten ist.

Die Dauer eines durchschnittlichen finanzgerichtlichen Verfahrens beträgt ca. 1,5 bis 3 Jahre. Komplexe steuerliche Fälle können erheblich mehr Zeit beanspruchen. Das Klageverfahren von einem Finanzgericht endet regelmäßig mit einem Urteil oder einem Gerichtsbescheid, sofern das Gericht die Entscheidung ohne eine mündliche Verhandlung gefällt hat.

Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof

Hat man vor einem Finanzgericht keinen Erfolg, kommt man in die nächste Instanz – das ist der Bundesfinanzhof (BFH) in München – nur, wenn das Finanzgericht die Revision zugelassen hat, oder wenn der BFH die Revision auf eine Nichtzulassungsbeschwerde einer Partei zulässt. Das Finanzgericht darf die Revision nach dem Gesetz nur zulassen, wenn das Verfahren grundsätzliche Bedeutung hat, eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordern, oder schließlich, wenn ein relevantes Verfahrensmangel vorliegt. All dies kommt in der Praxis nur selten vor, so dass die Zulassung eine Revision durch das Finanzgericht oder durch den BFH aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Ausnahme darstellt. Spätestens vor dem BFH dürfen Sie das Revisionsverfahren nicht selbst führen, sondern müssen sich nach dem Gesetz durch einen qualifizierten Bevollmächtigten vertreten lassen.

Weitere Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Entscheidung des BFH über die Klage im Revisionsverfahren schließt den Instanzenzug in der Finanzgerichtsbarkeit ab. Das muss nicht zwingend auch eine abschließende Entscheidung in der Sache bedeuten. Kommen Sie oder Ihre Bevollmächtigten zur Einsicht, Ihre Grundrechte oder sonstige verfassungsrechtlich gesicherten Rechte seien durch die Entscheidung der Finanzbehörden oder der Gerichte verletzt, können Sie dies bei dem Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde geltend machen. Gibt das Bundesverfassungsgericht Ihnen recht, kann es die Entscheidung des BFH und bzw. oder des Finanzgerichts aufheben.

Selbst nach einer abweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben Sie in bestimmten Fällen Möglichkeiten, sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden, wenn deutsche Gerichte oder Behörden Ihre Rechte nach dem europäischen Recht oder nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt haben. Da weite Teile des deutschen Steuerrechts harmonisiert, d. h. an das europäische Recht angepasst worden sind, lohnt es sich immer häufiger darüber nachzudenken, ob in geeigneten Fällen eine Entscheidung des EuGH eingeholt werden soll. Das gleiche gilt für eine Entscheidung des EGMR.