Mit Reha zurück ins Leben nach Herzinfarkt
Dr. Melanie Söchtig und Marcus SefrinEine kardiologische Rehabilitation hilft Patienten nach einem akuten Herzereignis wieder im Alltag anzukommen. Trotzdem wird sie offenbar nur zögerlich in Anspruch genommen.
Viele Menschen, die einen Herzinfarkt überlebt haben, sind nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erst einmal ratlos und verunsichert. Sie stellen sich Fragen wie: Kann ich weiter in meinem Beruf arbeiten? Und falls ja, wie gelingt mir der Wiedereinstieg? Hinzu kommen oft die Angst vor einem erneuten Herzinfarkt sowie Zweifel, ob sie bei Alltagstätigkeiten oder sportlichen Aktivitäten ihr Herz zu stark belasten.
„Deshalb ist es für Patienten mit Herzinfarkt, aber ebenso mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz), koronarer Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen extrem wichtig, direkt im Anschluss an die Behandlung in der Akutklinik eine kardiologische Rehabilitation durchzuführen“, erklärt Prof. Bernhard Schwaab, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung in einer Pressemitteilung. „Denn Ziel einer kardiologischen Rehabilitationsbehandlung ist es, die Patientinnen und Patienten optimal medizinisch weiter zu versorgen und gesundheitlich auf vielfältige Weise so zu fördern, dass sie möglichst stabil und mit einem guten Selbstwertgefühl in den Alltag mit Familie, Gesellschaft und Beruf zurückfinden“, ergänzt Schwaab, Chefarzt der Curschmann Klinik, Rehabilitationskrankenhaus für Kardiologie und Angiologie, Timmendorfer Strand.
Reha halbiert Risiko für erneuten Infarkt
Studien belegen, dass die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation nicht nur die Therapietreue und die Einhaltung eines gesunden Lebensstils fördern, sondern auch die Lebensqualität verbessern kann. Auch aufgrund der potenziell erhöhten Lebenserwartung und reduzierten Hospitalisierungsrate erachten Experten die Nachsorge in einer kardiologischen Rehabilitationseinrichtung für Patienten mit schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen als unverzichtbar. „Wer nach einem Herzinfarkt zur kardiologischen Reha geht, erleidet nur etwa halb so häufig einen erneuten Herzinfarkt. Auch das Risiko, an den Folgen des Infarktes zu sterben, sinkt erheblich“, so Schwaab.
Doch nur etwa die Hälfte der Anspruchsberechtigten nimmt das allen Patienten nach einem akuten kardialen Ereignis mit Krankenhausaufenthalt zustehende Angebot einer kardiologischen Reha wahr. Und davon noch einmal deutlich weniger Frauen als Männer, berichtet die Deutsche Herzstiftung. Bei den Patienten nach Herzoperation sei dieser Anteil höher, bei den Patienten mit Herzinsuffizienz jedoch deutlich niedriger. Die gemeinnützige Organisation will hier Abhilfe schaffen und bietet einen kostenfreien Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“. Der umfassende Leitfaden informiert Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Interessierte über alle Aspekte der Rehabilitation bei verschiedensten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Themen sind zum Beispiel die Antragstellung vor Beginn der Reha, Unterschiede zwischen ambulanter oder stationärer Reha und die Nachsorge in ambulanten Herzgruppen. Aber auch zentrale inhaltliche Fragen werden beantwortet, zum Beispiel wieviel und welcher Sport gut tut und wie die Seele nach dem einschneidenden Ereignis wieder ins Gleichgewicht kommen kann. Die Broschüre kann bei der Deutschen Herzstiftung kostenfrei bestellt werden; ein Download ist allerdings nur für Mitglieder möglich.
Breit aufgestellte Unterstützung
Ziel einer kardiologischen Rehabilitationsbehandlung ist es, Patienten nach dem stationären Aufenthalt optimal medizinisch weiter zu versorgen und gesundheitlich auf vielfältige Weise so zu fördern, dass sie möglichst stabil und mit einem guten Selbstwertgefühl in den Alltag mit Familie, Gesellschaft und Beruf zurückfinden. Denn das ist alles andere als trivial: Für Menschen, die einen Herzinfarkt überlebt haben, ändert sich das Leben oft schlagartig. Häufig werden sie aus dem Berufsleben gerissen und wissen nicht, ob sie je wieder in ihrem Beruf arbeiten können, sie sind verunsichert, was sie ihrem Herzen noch zumuten können, haben Angst vor einem erneuten Herzinfarkt.
Studiendaten zeigen nicht nur eine erhöhte Lebenserwartung von Patienten nach kardiologischer Reha, sondern auch weniger weitere Krankenhausaufenthalte aufgrund der Herzerkrankung. Weiterhin fanden Studien, dass die Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme die Therapietreue hinsichtlich Medikamenteneinnahme und körperlicher Bewegung, Nikotinverzicht, gesunder Ernährung und Lebensstil fördert sowie die Lebensqualität deutlich verbessert.
Es ist zielführend, dass die kardiologische Reha bereits in der Akutklinik beantragt wird und sich direkt an den Aufenthalt im Krankenhaus anschließt. Denn gerade in den ersten Wochen nach dem Akutereignis sind die Patienten für lebensstiländernde Maßnahmen besonders empfänglich. In dieser Zeit ist auch der Bedarf an Unterstützung zur Krankheitsverarbeitung und zur Bewältigung der Angst besonders hoch.
Eine kardiologische Reha basiert auf mehreren Säulen, die sich je nach Bedarf des Patienten unterscheiden können. Zu Beginn einer Reha werden gemeinsam mit dem behandelnden Arzt die persönlichen Reha-Ziele festgelegt. Zum Beispiel können berufliche und psychische Probleme, Stressbewältigung oder eine Raucherentwöhnung mitaufgenommen werden. Die Basis der kardiologischen sind Bewegungstherapie und körperliches Training. Die psychosoziale Unterstützung spielt ebenfalls eine große Rolle. Nach Experteneinschätzung benötigen 20 bis 30 Prozent der Herzinfarkt-Betroffenen psychologische Hilfe, um zum Beispiel Ängste vor einem erneuten Infarkt zu verarbeiten. Und Angst und Depressionen aufgrund einer Herzerkrankung stehen oft einer gesundheitlichen Verbesserung im Weg. Darüber hinaus soll die kardiologische Reha einen gesunden Lebensstil mit Nikotinstopp, Entspannung, Ernährung und gesundem Körpergewicht vermitteln und die medikamentöse Therapie optimieren.
Klarer Rechtsanspruch
Die kardiologische Rehabilitationsbehandlung ist eine Anschluss-Rehabilitation (AR) nach § 40 Absatz 6 Satz 1 SGB, auch Anschluss-Heilbehandlung (AHB) genannt. Krankheiten des Herzens und des Kreislaufsystems sind in Indikationsgruppe 1 im sogenannten AHB-Katalog mit Voraussetzung für die Rehabilitation und indikationstypischen Einschränkungen der Reha-Fähigkeit aufgelistet. Das dahinterstehende spezifische Verwaltungsverfahren soll sicherstellen, dass die Bearbeitungswege so kurz gehalten werden, dass ein Beginn der Rehabilitation spätestens 14 Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus möglich ist.
Seit Anfang 2022 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien regelt, wann AHB ohne vorherige Überprüfung der Krankenkasse geleistet werden kann. Dies wurde in §16 der Reha-Richtlinie geregelt, auch hier sind Myokardinfarkte und auch koronar-Arterielle Bypass-Operationen, auch in Kombination mit einem Herzklappenersatz sowie Herzinsuffizienzen ab NYHA II als Indikationen enthalten.
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) wurde 2021 in § 301 Abs. 3 SGB V ein Verfahren zur Übermittlung eines Antrages auf Anschlussrehabilitation durch das Krankenhaus auf elektronischem Wege beschlossen.
Eine AHB kann nur durch das Krankenhaus eingeleitet werden. Auch direkt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kann dies noch über den Sozialdienst des Krankenhauses erfolgen. Wenn die 14-tägige Frist abgelaufen ist, kann ein Patient selbst einen Antrag auf eine medizinische Rehabilitation stellen.
Weiterführende Informationen finden sich in einem neuen Ratgeber der Deutschen Herzstiftung.