Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Ärztinnen und Ärzte sind im ärztlichen Versorgungswerk pflichtversichert und haben die Möglichkeit, sich von der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) befreien zu lassen. Theoretisch ist es auch möglich, in beide Systeme einzuzahlen. Das ist aber nur selten sinnvoll, etwa bei einem sehr späten Einstieg in den Beruf, sagt Patrick Senn, Geschäftsführer von meinSternum, einer auf Mediziner spezialisierten Finanzberatung. In den meisten Fällen rät er, auf die DRV zu Gunsten des Versorgungswerkes zu verzichten. Denn die prognostizierten Renditen des Versorgungswerkes liegen deutlich über denen der gesetzlichen Rentenversicherung. Heißt das, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte müssen sich um ihre Altersvorsorge keine Gedanken machen? Mitnichten!

Demografischer Wandel bringt alle in Bedrängnis

„Seit Jahren reden wir über den demografischen Wandel, jetzt ist er da“, sagt Patrick Senn. „Im Jahr 2024 erreichen die ersten Babyboomer das reguläre Rentenalter, was bedeutet, dass 1,175 Millionen Menschen des Jahrgangs 1958 aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Gleichzeitig werden nur 672.000 junge Menschen aus dem Jahrgang 2006 volljährig. Diese Zahlen sind beeindruckend und beunruhigend zugleich.“ Der geburtenstärkste Jahrgang 1964 wird 2031 in Rente gehen. Dann stehen sehr viel mehr Rentenbeziehern wenige neue Beitragszahler gegenüber.

Zudem ergreifen immer mehr junge Frauen den Arztberuf und dominieren die jüngeren Jahrgänge. „In meiner Beratungspraxis sehe ich häufig, dass auch Ärztinnen während der Kindererziehungszeit eher zu Hause bleiben, wodurch in dieser Zeit keine Beiträge ins Versorgungswerk fließen“, erklärt Senn. „Das und die statistisch höhere Lebenserwartung von Frauen führen zu steigenden Beiträgen, um die Rentenprognosen stabil zu halten.“ Ein Vergleich der Rentenbescheide der letzten 10 bis 15 Jahre zeigt: Die monatlichen Beiträge steigen über die Jahre um mehrere hundert Euro, die Rentenansprüche dagegen nur marginal.

Häufiges Missverständnis bei der Rentenhöhe

Intuitiv könnte man meinen, dass ein hohes und steigendes Einkommen zu einer entsprechend steigenden Rente führt. Dass das nicht so ist, führt manchmal zu Schreckmomenten. „Ein Oberarzt mit einem Bruttoverdienst von etwa 11.000 Euro bat um Beratung. Entsetzt fragte er per E-Mail: ‚Meinen die das ernst?‘ Seine prognostizierte Rente betrug nur rund 3.600 Euro“, berichtet Senn. „Er ging davon aus, dass seine Rentenansprüche proportional zu seinem Gehalt steigen, was jedoch nicht zutrifft. Sobald man über der Beitragsbemessungsgrenze verdient, wachsen die Rentenansprüche nicht weiter.“ Diese Grenze liegt 2024 bei monatlich 7.550 Euro (im Osten 7.450 Euro). Davon 18,6 Prozent ergeben einen maximalen Beitrag von 1.404,30 Euro.

Diese Regelabgabe, also 1.404,30 Euro (1.385,70 Euro im Osten), zahlen freiberufliche Ärztinnen und Ärzte, was dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Bei Zahlung des Regelbeitrages ist kein Einkommensnachweis erforderlich. „Doch selbst mit diesen Beiträgen bleibt die prognostizierte Rente im Vergleich zum typischen Lebensstandard dieser Berufsgruppe überschaubar“, erklärt Senn. Zudem handelt es sich bei der Prognose um einen Bruttobetrag, der besteuert wird – ab 2058 vollständig, bei früherem Renteneintritt etwas weniger (2025: 83,5 %). Das geschieht nach dem individuellen Steuersatz. „Wer eine gut laufende Praxis und zusätzliches Vermögen hat, wird im Alter höhere Einkünfte und damit einen höheren Steuersatz haben, der auch auf die Versorgungswerksrente angewendet wird“, betont Senn.

Den liebgewonnenen Lebensstandard halten

„Gutverdienende entwickeln im Laufe der Zeit einen gewissen Lebensstandard“, so ist Patrick Senns Erfahrung. „Um diesen im Alter halten zu können, braucht es ein höheres Mindesteinkommen. Schließlich hat man im Ruhestand auch viel mehr Zeit, das verdiente Geld auszugeben. Ein abbezahltes Eigenheim schaffe zwar finanzielle Entlastung durch die eingesparte Miete, bringe aber keine bahnbrechende Liquidität. Gerade bei Immobilien mit gehobenem Standard fallen oft erhebliche Nebenkosten an und es stehen immer wieder Investitionen an. Zudem müssen Erträge aus Miete und Verpachtung jenseits des Grundfreibetrags (11.604 Euro pro Jahr ab 2024) versteuert werden. Nicht zu vergessen die Inflation, die an der Kaufkraft nagt oder bisweilen auch sprunghaft größere Teile davon verschlingen kann.

Ausgewogener Anlagenmix

Während in der Deutschen Rentenversicherung (DRV) das Umlageverfahren gilt, werden die Beiträge in den ärztlichen Versorgungswerken auch am Kapitalmarkt angelegt. Die daraus erzielten Erträge werden dann ebenfalls für die Rentenzahlungen verwendet. Diese Kombination aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren wird als „offenes Deckungsplanverfahren“ bezeichnet. Beide Systeme sind auf einen stetigen Zustrom neuer Mitglieder angewiesen. Mit anderen Worten: Vor dem demografischen und gesellschaftlichen Wandel bleiben auch die Versorgungswerke nicht gefeit. Herausfordernd, vor allem während einer anhaltenden Niedrigzinsphase.

Diese Umstände führten teilweise dazu, dass in jüngerer Zeit etwas riskantere Investments als sonst getätigt wurden, um die Rendite zu steigern, wie die WirtschaftsWoche recherchiert hat. Die Aufregung des Magazins bezüglich dieser Strategie teilt Finanzberater Patrick Senn aber nicht: „Grundsätzlich verfolgen die Versorgungswerke eine eher konservative Anlagestrategie.“ Einzelne exotische Projekte wie ein Einkaufszentrum in Taiwan oder eine Investition in eine Garnelenzucht sollten als sehr kleiner Teil des ausgewogenen Anlagenmixes nicht überbewertet werden. „Es werden ja Milliarden verwaltet.“ Exemplarisch sei hier die Bayerische Versorgungskammer genannt, die als größtes berufsständisches Versorgungswerk in Deutschland für zwölf Versorgungseinrichtungen insgesamt Kapitalanlagen in Höhe von rund 111,9 Milliarden Euro verwaltet (Stand Januar 2024). Wer genau wissen möchte, wie sein Versorgungswerk investiert, kann den Geschäftsbericht via der Website einsehen. So listet beispielsweise Nordrhein in einer recht detaillierten Aufstellung festverzinsliche Wertpapiere und Immobilieninvestments als wichtigste Säulen.

Diversifizierte Altersvorsorge bleibt ratsam

Die Versorgungswerke gelten als Luxusklasse der Rente. Dennoch wird diese allein vielen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nicht ausreichen, um den gewünschten Lebensstandard im Alter zu halten, argumentiert Patrick Senn. Eine Ergänzung durch weitere Vorsorgebausteine sei deshalb sinnvoll. Eine Passepartout-Schablone gibt es dabei nicht. Bei der Wahl der geeigneten Optionen spielen die individuellen Bedürfnisse und Ziele eine wichtige Rolle. Mögliche Optionen sind die Rürup- oder Basisrente, ETF, Immobilien und andere Kapitalanlagen.

Rente aus dem Versorgungswerk: Die wichtigsten Fragen und Antworten für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Versorgungswerke sind nicht ganz einheitlich gestaltet. Ihre Satzungen unterscheiden sich in Details. Deshalb können pauschale Antworten nur eine grobe Orientierung geben. Wer genau wissen möchte, welche Abschläge beispielsweise ein vorgezogener Renteneintritt mit sich bringt, sollte die Satzung seines Versorgungswerks genau studieren. ARZT & WIRTSCHAFT hat für Sie trotzdem wichtige Fragen rund um die Ärzteversorgung zusammengestellt.

Wie hoch sind die Abschläge bei vorgezogener Altersrente?

Die Regelaltersgrenze wird von den Versorgungswerken in ihren Satzungen festgelegt und orientiert sich fast immer an der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Für die Geburtsjahrgänge ab 1964 bedeutet dies einen abschlagsfreien Renteneintritt mit 67 Jahren. Ein Vorziehen um bis zu fünf Jahre ist meist möglich, führt aber zu Abschlägen, in Hamburg etwa 0,35 Prozent pro Monat, die dauerhaft gelten. Außerdem fällt dann die Altersrente wegen fehlender Beitragsjahre schmaler aus. Zum Vergleich: In der DRV wird die Rente für jeden Monat, der zum Erreichen der Regelaltersgrenze fehlt, um 0,3 Prozent gekürzt – auch dies gilt dann für die Gesamtdauer des Rentenbezugs.

Der Rentenbeginn kann auch hinausgeschoben werden, je nach Satzung um bis zu drei Jahre. Dafür gibt es in Hamburg einen pauschalen Zuschlag von 0,3 Prozent pro Monat, der dauerhaft gilt. Außerdem erhöht sich die Rente durch zusätzliche Beiträge aus ärztlicher Tätigkeit.

Gibt es Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Renten?

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es in der DRV bei vorgezogenen Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Je nach ärztlichem Versorgungswerk ist unbegrenzter Hinzuverdienst bei einer Teilrente möglich, wenn das Altersruhegeld ohne Berufsaufgabe vorgezogen wird. Bei einer vorgezogenen Vollrente bleiben die Hinzuverdienstmöglichkeiten eingeschränkt. Die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt unterscheidet hier zwischen Altersruhegeld mit und ohne Berufsaufgabe: Ohne Berufsaufgabe beträgt der Abschlag 0,45 Prozent pro Monat, mit Berufsaufgabe sind es reduzierte 0,32 Prozent bis 0,34 Prozent. Ab Erreichen der Altersgrenze kann auch bei den Versorgungswerken unabhängig von der gewählten Ruhegeldart unbegrenzt hinzuverdient werden, die Beitragspflicht entfällt.

Macht es Sinn, freiwillig mit Einmalzahlungen aufzustocken?

Einmalzahlungen können lukrativ sein und sind auch aus steuerlichen Gründen interessant. So schildert das Portal der Berliner Ärzteversorgung ein Beispiel aus der Praxis: Eine 50-jährige, ledige, selbstständige Ärztin, die seit 23 Jahren Mitglied im Versorgungswerk ist und regelmäßig den derzeitigen Höchstbeitrag von 1.357,80 Euro monatlich zahlte, würde bei Weiterzahlung bis zur Regelaltersgrenze eine monatliche Bruttorente von 4.840 Euro erhalten. Durch eine zusätzliche Einmalzahlung im Jahr 2023 von 10.000 Euro erhöht sich ihre Altersrente auf 4.922 Euro – das sind 82 Euro mehr im Monat.

Ein Bonus winkt sofort: Im Steuerjahr 2024 können Vorsorgeaufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 27.566 Euro für Alleinstehende zu 100 Prozent steuerlich geltend gemacht werden. Für zusammenveranlagte Ehepaare und Lebenspartnerschaften sind es 55.132 Euro. Das gilt für alle Altersvorsorgeaufwendungen der Basisversorgung, also neben Beiträgen bei den Versorgungswerken auch für Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder für eine Rürup-Rente. Letztere diversifiziert den Anlagemix, eine Optimierung der Hinterbliebenenabsicherung ist möglich, kostet aber Gebühren. Übrigens: Bei der DRV müssen Versicherte mindestens 50 Jahre alt sein, um Sonderzahlungen zu tätigen. Bei den ärztlichen Versorgungswerken ist dies je nach Satzung auch früher möglich. Allerdings sollte bedacht werden, dass diese große Summe dann nicht mehr als flexible Liquidität oder zum Vererben zur Verfügung steht.

Gibt es Zuschüsse zu den Krankenversicherungsbeiträgen?

Nein, im Gegensatz zur Deutschen Rentenversicherung (DRV) gewähren die ärztlichen Versorgungswerke keinen Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen – unabhängig davon, ob man privat oder gesetzlich versichert ist. Bei einer Rente von 4.000 Euro und einem Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 14,6 Prozent wären 584 Euro an Krankenversicherungsbeiträgen zu zahlen. Wer in der DRV versichert ist, bekommt derzeit die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags von der DRV erstattet.

Dennoch ist die zu erwartende Rente aus dem Versorgungswerk in der Regel deutlich höher als die der DRV, sodass sich die Entscheidung, dieser zugunsten des Versorgungswerks den Rücken zu kehren, in den allermeisten Fällen lohnt.

Ist ein Berufsunfähigkeitsschutz enthalten?

Ja, alle Versorgungswerke bieten einen Berufsunfähigkeitsschutz (BU) an, der eine Besserstellung gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung darstellt. Aber auch hier lohnt sich ein genauer Blick. Oft handelt es sich um einen Basisschutz, der nur greift, wenn der Arztberuf gar nicht mehr ausgeübt werden kann. Reicht der BU-Betrag auf der jährlichen Renteninformation? Wenn nicht, gibt es zwei Ansätze: Durch freiwillige Zuzahlungen können alle Leistungsansprüche, also neben der Altersrente auch die Berufsunfähigkeits- und die Hinterbliebenenversorgung, weiter optimiert werden. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, eine private BU-Versicherung abzuschließen, die auch zahlt, wenn Sie Ihren Beruf noch zu 50 Prozent ausüben können.

Wie hoch ist die Hinterbliebenenrente?

Die Absicherung der Hinterbliebenen im Todesfall ist bei den Versorgungswerken oft qualitativ besser als in der gesetzlichen Rentenversicherung. So werden Leistungen nicht gekürzt, wenn die Hinterbliebenen ein eigenes Einkommen haben. Wie hoch die Leistungen ausfallen, hängt jedoch nicht nur von der Dauer und Höhe der eingezahlten Beiträge ab, sondern auch vom jeweiligen Arbeitsort und dem dort zuständigen Versorgungswerk. Dementsprechend variieren auch die mit der Rente verbundenen Leistungen wie Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrenten.

Bei der Bayerischen Ärzteversorgung beispielsweise beträgt das Witwen- oder Witwergeld 60 Prozent des Ruhegeldes, das Halbwaisengeld 20 Prozent und das Vollwaisengeld 33,33 Prozent des Ruhegeldes. Prüfen Sie Ihre Satzung. Gibt es eine Absicherungslücke, kann eine zusätzliche Risikolebensversicherung sinnvoll sein.

Hat ein Ex-Partner im Falle einer Scheidung Ansprüche?

Ja, auch bei den Versorgungswerken kommt es zum Versorgungsausgleich, soweit die Anwartschaften in der Ehezeit erworben wurden. Dieser wird im Scheidungsverfahren automatisch durchgeführt, es sei denn, die Ehe dauerte weniger als drei Jahre und es wird kein Antrag gestellt. Alle während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften – sowohl aus der gesetzlichen als auch privaten Rentenversicherung – werden hälftig geteilt. Haben beide Ehegatten unterschiedliche Versorgungssysteme, wird für den anderen Ehegatten ein Konto bei dem jeweiligen Versorgungsträger eingerichtet. Ausnahme: Einige Ärzteversorgungswerke lassen den berufsfremden Partner nicht als Begünstigten zu, sodass in diesen Fällen die Anwartschaften auf die Deutsche Rentenversicherung übertragen werden.

Gibt es besondere Leistungen bei Schwerbehinderung?

Nein, die Versorgungswerke bieten außer der Absicherung gegen Berufsunfähigkeit keine Leistungen für schwerbehinderte Menschen an. Die vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen in der Deutschen Rentenversicherung ist eine Maßnahme der Behindertenpolitik und wird unter anderem aus Steuermitteln finanziert. Ab einem Grad der Behinderung von 50 Prozent ist dort eine um zwei Jahre vorgezogene, abschlagsfreie Altersrente möglich. Berufsständische Versorgungswerke erhalten keine Bundeszuschüsse, weshalb diese Regelung dort nicht angeboten wird.

Braucht es Anwartsjahre, um Rente zu erhalten?

Ja, ähnlich wie bei der DRV sind auch bei den ärztlichen Versorgungswerken Anwartszeiten erforderlich, um einen Rentenanspruch zu erwerben. Bei der DRV sind es fünf Jahre. Daran orientieren sich auch die meisten Versorgungswerke. Die genauen Voraussetzungen sollten direkt beim jeweiligen Versorgungswerk erfragt werden. Sollten etwa im Rahmen einer Studentenjob-Tätigkeit beinahe fünf Anwartsjahre bei der DRV erworben worden sein, kann es Sinn machen, dort so lange weiter einzuzahlen, bis diese Voraussetzung erfüllt ist.

So viele ärztliche Versorgungswerke gibt es

In Deutschland gibt es insgesamt 18 ärztliche Versorgungswerke, in der Regel eines pro Bundesland. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Versorgungswerke, außerdem eines in Trier. Der Beitragssatz dieser Versorgungswerke beträgt – wie bei der Deutschen Rentenversicherung – derzeit 18,6 Prozent.