Praxis in der eigenen Immobilie: Betriebsvermögen oder Privatvermögen?
Holger Wendland Dipl.-Finw.Immobilien können steuerlich zwei verschiedene Leben führen: ein Leben im steuerlichen Betriebsvermögen und ein Leben im steuerlichen Privatvermögen.
Immobilien können steuerlich zwei verschiedene Leben führen:
- Ein Leben im steuerlichen Betriebsvermögen (d.h. die Immobilie wird von ihrem Eigentümer zu Praxiszwecken genutzt).
Konsequenz: Wertzuwächse und bis zum Zeitpunkt des Verkaufs (oder der Entnahme) und vorgenommene Abschreibungen führen im Rahmen des Verkaufs und der Entnahme zu einem Gewinn, der der Besteuerung unterliegt.
- Ein Leben im steuerlichen Privatvermögen (d. h. die Immobilie wird von Ihrem Eigentümer nicht zu Praxiszwecken genutzt).
Konsequenz: Wertzuwächse und bis zum Zeitpunkt des Verkaufs (oder der Entnahme) und vorgenommene Abschreibungen werden nach einer Behaltezeit von mehr als zehn Jahren nicht besteuert.
Versteuerung zukünftiger stiller Reserven vermeiden
Beratungshinweis: Es ist dringend darauf zu achten, dass eine Immobilie, die durch den Praxisinhaber genutzt werden soll, nicht ihm gehört, sondern einer dritten (ihm nachstehenden) Person, um eine Versteuerung zukünftiger stiller Reserven zu vermeiden.
Fazit: Singles (ohne Kinder), die ihre Immobilie zu Praxiszwecken nutzen wollen, sind de facto im Nachteil, da Sie die Immobilie nicht auf (nahe stehende) Dritte übertragen können.
Ist die Immobilie als Betriebsvermögen zu qualifizieren und wird selbige im Rahmen einer Praxisveräußerung bzw. Praxisaufgabe in das steuerliche Privatvermögen überführt, erfolgt durch diese Entnahme am Ende der Praxiszeit eine Gewinnversteuerung, dem kein liquider Geldzufluss gegenübersteht.
Beispiel:
Kauf der Praxisimmobilie am 02.01.00
zum Kaufpreis von 300.000 €
zzgl. Nebenkosten (Notar, Gericht, Grunderwerbssteuer, Makler) 30.000 €
Gesamtanschaffungskosten 330.000 €
Jährliche Abschreibung 2% x 25 Jahre ./. 165.000 €
Restbuchwert zum 31.12.25 165.000 €
Verkaufspreis 410.000 €
abzgl. Restbuchwert ./. 165.000 €
zu versteuernder Gewinn 245.000 €
Der Gewinn ergibt sich aus der Besteuerung des Wertzuwachses (410.000 € abzgl. 330.000 € = 80.000 € zzgl. genutzter Abschreibungen 165.000 = 245.000 Euro.
Erfolgt die Entnahme im Zusammenhang mit der Praxisveräußerung kann die ermäßigte Besteuerung mit 56% auf dem persönlichen Steuersatz generiert werden.
Gewinn aus der Entnahme der Immobilie 245.000 €
persönlicher Steuersatz 42% 102.900 €
davon 56% 57.624 €
zzgl. 5,5% Solidaritätszuschlag 3.169 €
ggf. zzgl. 9% Kirchensteuer 5.186 €
Gesamtsteuerbelastung 65.979 €
resultierend aus der Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen.
Probleme bei der Entnahme der Immobilie
Problem bei der Entnahme der Immobilie aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen: Dem entnehmenden Arzt wird zwar ein Gewinn zugerechnet, der eine entsprechend (hohe) Steuerbelastung auslöst, die früher oder später auch zu bezahlen ist, dem Ganzen steht jedoch kein entsprechender Liquiditätszufluss gegenüber. Daher ist die oben genannte Steuerbelastung in Höhe von 65.979 € aus dem Privatvermögen des Arztes (sprich: Sparbuch) zu finanzieren. Wenn keine entsprechenden Werte vorhanden sind, sitzt der Arzt in einer Liquiditätsfalle, aus der er nur herauskommt, in dem er
- eine Finanzierung zur Begleichung der Steuerschuld aufnimmt, wobei die Zinsen steuerlich nicht abzugsfähig sind, weil private Steuern finanziert werden.
- sonstiges Vermögen versilbert.
Gerade Personen, die ein Single-dasein fristen und früher oder später ihre Praxisimmobilie nicht mehr als Praxisimmobilie nutzen wollen, sollten dementsprechend dem Entnahmezeitpunkt und der damit verbundenen zusätzlichen Steuerbelastung ohne entsprechenden Liquiditätszufluss vorbeugen. Dies kann in der Regel nur dadurch erfolgen, dass bereits im Besitzzeitraum adäquate Liquiditätsreserven gebildet werden. Auch hier gilt es wieder zu berücksichtigen, dass Erträge, die im Rahmen der Bildung der Kapitalreserve entstehen und ggf. gleichfalls als Liquiditätsreserve dienen sollen, (Abgeltungs)steuerpflichtig sind.
Eine rechtzeitige Kapitalvorsorge schützt in diesen Fällen vor zusätzlichen (überraschenden) Liquiditätsengpässen.