Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Abrechnung
Inhaltsverzeichnis

Kalendarisches und biologisches Alter passen oft nicht zusammen. Das weiß jede Hausärztin und jeder Hausarzt. In der Regel wird die identische Versichertenpauschale nach Gebührenordnungsposition (GOP) 03000 abgerechnet. Natürlich macht es für das Honorar einen Unterschied, ob die Kassenärztliche Vereinigung (KV) dieser GOP ab Beginn des 55. bis zum vollendeten 75. Lebensjahr 148 Punkte oder ab dem 76. Lebensjahr 200 Punkte zuweist. 

Da Hausärzte das Umfeld der Patienten kennen, wissen sie, worauf sie besonders achten müssen. Leider hat die entsprechende Beratung im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung nach GOP 01732 vielfach nicht den erhofften Effekt.

Das biologische Alter ist auch für die Abrechnungsprüfung relevant. Der 75-jährige Marathonläufer kommt, wenn überhaupt, einmal im Jahr in die Praxis. Damit benötigt man für den Arzt-Patienten-Kontakt (APK) deutlich weniger Zeit als die Prüfzeit von elf Minuten. Natürlich beruhen die Prüfzeiten mit etwas Abzug auf sogenannten Kalkulationszeiten, die ein routinierter Vertragsarzt für die ordnungsgemäße Erbringung der Leistung benötigt. In der Regel gleicht sich der Zeitbedarf von betreuungsintensiven und zeitsparenden Patienten aus. 

Wenn aber zum Beispiel bedingt durch eine Erkältungswelle die Patientenzahl der Praxis steigt und gleichzeitig meist nur ein kurzer APK erfolgt, kann es sein, dass man Ärger mit den Zeitprofilen bekommt. Für solche Fälle kann man mit dem entsprechenden ICD-10-Kode begründen, warum man mehr abgerechnet hat, als nach der Prüfzeit theoretisch möglich wäre.

Chronisch Kranke

Schon Kleinkinder können chronisch krank sein. Aber die Chronikerziffer, die es sowohl mit GOP 04220 in der Pädiatrie wie mit 03220 für Hausarztpraxen gibt, wird von hausärztlichen Praxen wesentlich häufiger abgerechnet. Denn mit steigendem Alter sind chronische Krankheiten häufiger. Jetzt ist es ein Leichtes, nicht nur den Anteil der abgerechneten Chronikerziffern des einzelnen Vertragsarztes oder der einzelnen Vertragsärztin mit der Fachgruppe zu vergleichen. Wer auffällt, weil er die Chronikerziffer häufiger abrechnet, kann ebenso geprüft werden wie jemand, der bei jüngeren Patienten die Chronikerziffer sehr häufig abrechnet. Aus dem Vorgesagten wird klar, dass es im EBM genaue Vorgaben gibt, die bei der Abrechnung zu beachten sind. In der Einleitung von Abschnitt 3.2.2 steht, dass die Chronikerpauschale nur als Zuschlag zur Versichertenpauschale abrechenbar ist, wenn mindestens eine lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung vorliegt, die eine kontinuierliche ärztliche Behandlung und Betreuung notwendig macht. Manche Senioren sind multimorbide. Darin liegt auch das Problem bei der Abrechnung der Chronikerziffer. Denn wenn nicht in vier Quartalen eine identische Behandlungsdiagnose kodiert wird, ist die Chronikerziffer nicht abrechenbar.

Die erste Ziffer der 4-3-2-Regel besagt, dass die Chronikerziffer erstmals abgerechnet werden darf, wenn die chronische Erkrankung schon in den drei vorhergehenden Quartalen bestand. In drei Quartalen muss ein Arzt-Patienten-Kontakt (APK) bestanden haben und in zwei Quartalen muss dieser APK persönlich gewesen sein. Seit Corona ist es möglich, dass in einem Quartal eine Videosprechstunde den persönlichen APK ersetzt. Zurück zu unserem multimorbiden Senioren. Er hat neben Adipositas einen Typ-2-Diabetes und essenzielle Hypertonie. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass mindestens einmal im Halbjahr bei einem persönlichen APK der Blutdruck gemessen, das Herz auskultiert und nach der Verträglichkeit der Medikamente gefragt wird. Auch bei gut eingestellten Diabetikern sollte der HbA1c  regelmäßig bestimmt werden. Wenn mehrere Diagnosen im Quartal relevant waren, müssen diese auch komplett kodiert werden. Anderenfalls verliert man vermutlich die Chronikerpauschale. Wenn chronisch Kranke mehr als einmal im Quartal zur Behandlung kommen, so ist zusätzlich der Zuschlag zur Chronikerziffer (03220) nach GOP 03221 für die intensive Behandlung und Betreuung abrechenbar.    

Wichtiges zur Chronikerziffer

  • Die chronische Krankheit muss bei der ersten Abrechnung der Chronikerziffer in den drei vorangegangenen Quartalen bestanden haben.

  • In insgesamt drei Quartalen (inklusive dem Quartal der Abrechnung) muss also eine passende gesicherte Diagnose kodiert worden sein.

  • Wer etwa in einem Quartal Hyper-tonie und im Folgequartal Typ-2-Diabetes kodiert, erfüllt für beide lebensverändernden Erkrankungen nicht die Vorgaben zu Abrechnung der Chronikerziffer, die in der 4-3-2-Regel zusammengefasst sind.

  • Wenn sich die Kodierung von E11.9 Typ-2-Diabetes mellitus ohne Komplikationen auf E11.4 + G99.0* ändert, also auf T2D mit neurologischen Komplikationen in Form einer autonomen Polyneuropathie, so ist das für die Abrechnung der Chronikerziffer völlig egal.

  • Wenn ein Versicherter in einem Quartal nicht in die Praxis kommt, aber anhand der Arzneiverordnung klar ist, dass er ausreichend Medikamente hat, kann die Chronikerziffer abgerechnet werden, wenn die Bedingungen erfüllt sind.

Ärztliches Gespräch

Für Hausärzte und Pädiater gibt es mit  GOP 03230/04230 eine extra Abrechnungsposition für das problemorientierte ärztliche Gespräch. Dieses kann je vollendete zehn Minuten abgerechnet werden. Zwei Dinge sind dabei relevant:

  • In der Patientenakte muss in Stichpunkten der Grund für das Gespräch dokumentiert sein. Wenn bei der Plausibilitätsprüfung die kodierte Behandlungsdiagnose nicht zur Abrechnung der GOP 03230 passt, kommt sicher eine Nachfrage. Ein einfaches Beispiel: Wird im 1. Quartal des Jahres als alleinige Behandlungsdiagnose die J00 für die akute Rhinopharyngitis kodiert, so ist kaum zu verstehen, warum ein problemorientiertes ärztliches Gespräch notwendig ist.

  • Der zweite relevante Aspekt ist die Begrenzung. Damit die Leistung bezahlt, missbräuchliche Abrechnung aber verhindert wird, ist die Abrechnung der GOP 03230 im Quartal auf die Hälfte der Behandlungsfälle begrenzt. Sprich: Bei 1.800 Behandlungsfällen im Quartal, kann die 03230 900-mal abgerechnet werden. Wenn ich zum Beispiel mit einem Patienten die Diagnose eines Prostatakarzinoms samt den möglichen Optionen bespreche, so kann das durchaus mehr als 20 Minuten dauern. Damit ist die 03230 für dieses Gespräch zweimal abrechenbar. Wenn ich die 03230 aber häufiger abrechne, als die Begrenzung im EBM erlaubt, ist das Prozedere folgendermaßen: Pro Behandlungsfall werden 64 Punkte  auf ein virtuelles Gesprächskonto aufsummiert. Jede GOP 03230 ist mit 128 Punkten bewertet. Sofern man unter der Beschränkung bleibt, erhält man je abgerechnete 03230 das Honorar für 128 Punkte, vorausgesetzt, die KV zahlt zu 100 Prozent aus. Wenn man aber die 03230 häufiger abrechnet, als die Begrenzung im EBM vorsieht, so werden die Punkte des virtuellen Gesprächskontos auf die abgerechneten GOP 03230 verteilt. Man erhält also dann pro abgerechnete GOP 03230 weniger Honorar. Dabei muss man darauf aufpassen, dass jede abgerechnete GOP unabhängig vom ausgezahlten Honorar mit der Prüfzeit voll in das Tages- und Quartalsprofil eingeht.

Demenztest

Mit steigendem Lebensalter nimmt auch das Risiko zu, eine Demenz zu entwickeln. Aktuell funktioniert der orientierende Uhrentest noch ganz gut, bei dem die Untersuchten ein Ziffernblatt zum Beispiel mit der Uhrzeit 15:20 zeichnen sollen. Wenn dieser orientierende Test den Untersuchten Probleme bereitet, kann man einen etablierten Demenztest wie die Minimal Mental Status Examination (MMSE) durchführen. Diesen Test rechnen Hausärzte mit GOP 03242 ab.

Psychosomatische Grundversorgung

Sofern man von der zuständigen KV auf Antrag die Genehmigung erhalten hat, kann man die Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung nach GOP 35100 und 35110 erbringen. Beide GOP haben eine Mindestzeit von je 15 Minuten. Aber ganz wichtig: Anders als die GOP 03230, die je vollendete zehn Minuten abgerechnet werden darf, ist bei diesen beiden GOP nur eine Mindestzeit von 15 Minuten festgelegt. Wenn eine verbale Intervention bei psychosomatischem Krankheitsbild über eine Stunde dauert, so ist die GOP 35110 nur einmal abrechenbar. Und für die verbale Intervention muss eine gesicherte psychosomatische Erkrankung vorliegen. Erst wenn diese abgeklärt ist, was mit GOP 35100 abgerechnet werden kann, kann die Intervention überhaupt abgerechnet werden. Zudem muss die psychosomatische Erkrankung als solche in der Abrechnung kodiert sein. Wenn nur Rückenschmerzen mit M54.9- kodiert sind, wird die Abrechnung der Psychosomatik-GOP generell nicht akzeptiert. Etwas anderes ist es, wenn die Ätiologie geklärt und dann eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit F45.40G kodiert wird.

Geriatrische Betreuung

Die Abrechnung der geriatrischen Betreuung nach GOP 03362 setzt ein Basisassessment voraus, das den Inhalten von GOP 03360 entspricht. Es kann aber auch zum Beispiel von einer geriatrischen Klinik stammen, darf aber maximal vier Quartale alt sein. Wie beim Basisassessment ist ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt nötig. Achtung: Für die Abrechnung der 03362 neben der Versichertenpauschale sind zwei persönliche APK im Quartal nötig. Der obligate Inhalt der GOP 03362 ist kurz zusammenzufassen. Die im Basisassessment festgestellten geriatrischen Syndrome sollen behandelt werden, zudem sollen die medikamentösen Behandlungsmaßnahmen priorisiert und ein Medikationsplan erstellt beziehungsweise aktualisiert werden.

Palliativmedizin

Die Palliativmedizin ist im Hausarztkapitel des EBM unter 3.2.5 abgebildet. Anhang 30 des Bundesmantelvertrages für Ärzte (BMV-Ä) enthält die Vereinbarung nach § 87 Abs. 1b SGB V zur Palliativmedizin. Die Regelungen sind so komplex, dass diese in einer der folgenden Ausgaben genauer besprochen werden.

Geriatrisches Basisassessment

In der Einleitung zu EBM-Kapitel 3.2.4 zur hausärztlich geriatrischen Versorgung wird auf das biologische Alter abgehoben. Denn die entsprechenden Gebührenordnungspositionen sind nur abrechenbar, wenn ein geriatrietypischer Behandlungsbedarf vorliegt. Dabei wird differenziert zwischen:

  • Personen ab dem vollendeten 70. Lebensjahr mit Pflegegrad und geriatrischtypischer Morbidität wie:

    • Multifaktoriell bedingte Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Altersschwindel

    • Komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art

    • Frailty-Syndrom (Kombinationen von unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität)

    • Dysphagie

    • Inkontinenz(en)

    • Therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom

  • Personen mit dementiellen Erkrankungen (F00-F02), mit Alzheimer-Erkrankung (G30), mit primärem Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerer (G20.1) und schwerster Beeinträchtigung (G20.2). Bei diesen Personen ist das Alter irrelevant. Allerdings muss in beiden Fällen entweder die geriatrietypische Morbidität aus der Kodierung der Behandlungsdiagnosen hervorgehen oder die unter dem zweiten Punkt genannten Diagnosen aufgeführt sein.

Das hausärztlich-geriatrische Basisassessment nach GOP 03360 kann bei diesen Personen im Krankheitsfall maximal zweimal und nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden. Neben palliativmedizinischen Leistungen und einigen anderen GOP ist das Basisassessment ausgeschlossen. Beim persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt werden motorische, emotionelle und kognitive Funktionseinschränkungen erfasst. Zudem werden die Selbstversorgungsfähigkeit  mit standardisierten Test wie Barthelindex und die Mobilität und Sturzgefahr durch standardisierte Testverfahren (wie Timed „up & go“) erfasst. Als fakultativer Inhalt werden zum Beispiel Demenztests genannt. Dementsprechend kann die GOP 03242 für den Demenztest nicht neben dem geriatrischen Basisassessment abgerechnet werden.