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Urologie
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„In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos“, schreibt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Gründe für die Unfruchtbarkeit bleiben häufig unbekannt.

30 Prozent der unfruchtbaren Männer haben normales Spermiogramm 

Ein Drittel der unfruchtbaren Männer hat völlig normale Spermienparameter. Sowohl Anzahl, Aussehen als auch die Beweglichkeit der Spermien sind unauffällig. Trotzdem klappt es nicht mit der Befruchtung. Selbst medizinische Reproduktionshilfe in Form von Insemination und In-vitro-Fertilisation bringt häufig keinen Erfolg. Woran liegt das? 

Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern der Universität Münster ist dieser Frage nachgegangen und hat die Pathomechanismen der unerklärlichen männlichen Unfruchtbarkeit untersucht. Ihre Ergebnisse hat das Fachmagazin „The Journal of Clinical Investigation“ veröffentlicht. 

Hyperaktivierung der Spermien für Befruchtung entscheidend 

Prof. Timo Strünker vom Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA), Münster und seine Kollegen haben schon vor einigen Jahren herausgefunden, dass Spermien von Mäusen mithilfe des spezifischen Kalziumionenkanals CatSper Botenstoffe wahrnehmen, die die Eizelle ausschüttet. Die Botenstoffe aktivieren CatSper. Das führt zu einem Kalziumeinstrom in den Spermienschwanz und das wiederum zu einer Hyperaktivierung des Schlagmusters. Es ist durch eine niedrige Frequenz und eine hohe Asymmetrie gekennzeichnet und sorgt dafür, dass die Spermien die Eihülle durchdringen können. Männliche Mäuse mit fehlender CatSper-Funktion waren unfruchtbar. 

Fehlerhafte CatSper-Aktivität durch Genmutationen 

Die Forscher vermuteten deshalb, dass auch unfruchtbare Männer an einer fehlerhaften CatSper Funktion und/oder einer fehlenden Hyperaktivierung der Spermien leiden könnten. Sie entwickelten deshalb einen CatSper-Aktivitätstest. Bei 2.286 Männern, die sich wegen ihrer Unfruchtbarkeit einer Spermienanalyse an der Uniklinik Münster unterzogen, führten sie den CatSper-Aktivitätstest durch. Bei 99 Prozent der Männer deutete der Test auf eine normale CatSper-Aktivität hin. Bei 16 Männern zeigte der Test eine fehlerhafte CatSper-Aktivität, wobei sieben Ergebnisse falsch positiv waren. Es blieben neun Männer mit tatsächlicher CatSper Funktionsstörung übrig. Als häufigste Ursache für diese fehlerhafte CatSper-Aktivität fanden die Wissenschaftler genetische Veränderungen in den CatSper-Genen. 

Insemination und IvF scheitern bei CatSper-Störung 

CatSper ist unerlässlich dafür, dass die Spermien ihr Schlagmuster aktivieren, um in die Eihülle eindringen zu können. Deshalb scheitern bei Unfruchtbarkeit aufgrund einer CatSper-Störung Insemination oder klassische In-vitro-Fertilisation (IvF), da die Spermien bei diesen Methoden die Eihülle selbst durchbohren müssen. Eine erfolgreiche Kinderwunschbehandlung ist in diesem Fall nur durch eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) möglich, bei der das Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird. 

Die Studienautoren schlagen vor, bei unfruchtbaren Männern regelmäßig zusammen mit der Samenanalyse einen CatSper-Aktivitätstest durchzuführen. Das könnte für betroffene Paare die Zeit bis zum Fortpflanzungserfolg verkürzen sowie Kosten und psychische Belastungen verringern.  

Quellen: 

https://www.jci.org/articles/view/173564

https://www.medizin.uni-muenster.de/fakultaet/news/unerfuellter-kinderwunsch-spermien-ohne-durchsetzungsvermoegen-koennen-die-ursache-sein.html

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/schwangerschaft-und-kinderwunsch/ungewollte-kinderlosigkeit